Sport Olympia-Tagebuch: Kostenlos ins Sambódromo

Touristen zahlen einen Haufen Geld für eine Stadtrundfahrt, wir Journalisten werden kostenfrei und mehr oder weniger zuverlässig durch die Stadt kutschiert. Bisher habe ich persönlich noch keine schlechten Erfahrungen mit den Journalistenbussen gemacht. Im Prinzip sind sie ein Segen für einen, der sich nicht auskennt und sich auch ein bisschen um die Sicherheit sorgt. Es sind vielleicht 35 Kilometer vom Olympiapark, den wir in zehn Minuten von unserem Quartier erreichen, bis zum Sambódromo. Ich wollte mir das unbedingt geben, das hatte ich daheim schon so geplant. Dass ich dann auch noch einen Weltrekord miterlebe… Stararchitekt Oscar Niemeyer hat die 700 Meter lange nüchterne Tribünenstraße vor über 30 Jahren in den Stadtteil Cidade Nova gebaut, wo jährlich der Umzug und Wettbewerb der Sambaschulen bis zum Aschermittwoch stattfinden. Bei meiner Planung achtete ich auf Zweierlei, um mich etwas abzuheben, von dem, was jeder macht und was andere wie das Fernsehen und das Internet viel schneller können: auf das Besondere und das Regionale. Gestern waren wir drei schreibende Journalisten bei den Bogenschützen, Christof Siemes von der Zeit, Christian Eichler von der FAZ und ich. Auch sie auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, oder wie soll ich das bezeichnen. Bernhard Kunz, der schon sechs Mal in Rio de Janeiro weilte, zeigte mir auf der einstündigen Fahrt jeden Stein. Stolz wie Oskar. Abarbeiten des Gedächtnisses, der Erinnerung, der Begeisterung. Er mag die Stadt wie keine zweite. Vorbei am Olympiastadion, unterm Jesus auf dem Corcovado durch, über den gestern der Fackellauf führte, mitten rein ins Chaos. Aber immerhin: Jetzt endlich war ich in Rio angekommen. Barra da Tijuca ist doch echt weit weg vom Schuss. Ätzend mal wieder die Kontrollen, ernüchternd und wie zu erwarten das Interesse am Bogenschießen. Naja, es war ja auch nur eine Qualifikation. Aber eine mit Weltrekord. Auf den Tribünen verloren sich gestern einzelne Menschen, keine Zuschauer, nur Betreuer oder Journalisten. Vor allem Koreaner und Amerikaner. Ich hatte eigentlich auf eine Begegnung mit dem Pfälzer Heiner Gabelmann gehofft, aber der Sportdirektor der Schützen hatte andere Aufgaben. Doch Matthias Schneider (32), der Physiotherapeut und Dr. Stefan Nolte (55), der Mannschaftsarzt der deutschen Schützen, saßen da und genossen. „Das Systematische dahinter, nämlich immer in besondere Wettkampfstätten zu gehen, finde ich spannend. Ich bin überzeugt, dass die Finalschießen besser besucht, vielleicht sogar ausverkauft sind“, sagte Nolte. Sie hatten einen ruhigen Vormittag. „Florian ist sehr stabil, ein Athlet, der topfit ist, der natürlich vor und nach dem Wettkampf immer ein bisschen Gesprächsbedarf hat während den regenerierenden Maßnahmen, die ich mit ihm mache“, sagte Schneider. „Er ist gut gerüstet, auch für die kommenden Runden“. Wir fuhren an High Noon, also um zwölf Uhr mittags, wieder zurück. Ich hämmerte in der Hocke beim Warten auf den Bus schon mal ein paar Zeilen in die Laptop-Tastatur, denn so viel war klar: Um 16 Uhr musste ich fertig sein, weil dann der letzte Bus ins Maracana ging, obwohl die Eröffnungsfeier erst um 20 Uhr losging. Wir dachten erst, wir könnten in der Stadt bleiben, hatten aber Sorge, durch den breiten Absperrungsring um das Stadion nicht hineinzukommen. So fuhren wir also die gleiche Strecke ein zweites Mal. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Kostete ja auch nix. Außer Zeit. Sei’s drum.

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