EM-Tagebuch (27) Wie der Kapitalismus den Ticket-Schwarzmarkt zerschlägt

Käufermarkt.
Käufermarkt.

Der Wind hat sich gedreht, oder anders formuliert: Die Mechanismen des Kapitalismus haben gnadenlos zugeschlagen. Gnadenlos schlecht aus Sicht der Männer, die am Dienstag vor der Arena in München herumstanden. Gnadenlos gut für die vielen Menschen, die an ihnen vorbei in Richtung des Stadioninneren strömten.

Die europäische Fußball-Föderation hat viel getan, um den Schwarzmarkt mit Eintrittskarten bei der Europameisterschaft Herr zu werden. Es gab viele gute Ansätze, aber selbst ein mächtiger Verband wie die Uefa wird nie in der Lage sein, den illegalen Handel mit Tickets völlig zu unterbinden. Vor jeder Arena standen in den vergangenen Wochen meist Männer herum, die unauffällig, aber doch gut sichtbar Pappkartons in den Händen hielten, die ersichtlich machten, dass sie Karten verkaufen. In den ersten Wochen des Turniers befanden sie sich in einer Position der Stärke, denn das Interesse war größer als das Angebot auf dem Schwarzmarkt.

Aus Verkäufern werden Käufer

Vor allem bei den Spielen der deutschen Mannschaften konnten die illegalen Händler gute Geschäfte machen und leicht das Drei-, Vier- oder Fünffache des regulären Preises erzielen. Mit jeder Runde in der K.o.-Phase stiegen die Preise, es war ein Schlaraffenland für die Händler. Bis Mikel Merino den Ball ins Tor von Manuel Neuer köpfte. Der späte Knockout der deutschen Mannschaft im Viertelfinale gegen Spanien war nicht nur für die Millionen Fans im ganzen Land ein Schock, sondern auch für die Männer, die unerkannt bleiben möchten.

Von einer Sekunde auf die andere hatte sich die Ausgangslage dramatisch gewandelt. Die kaufkräftigen deutschen Fußballfans hatten nun keinen Anreiz mehr, für deutlich überhöhte Preise Karten für das Halbfinale in München zu kaufen. In BWL-Deutsch würde man sagen: Aus dem Verkäufermarkt war ein Käufermarkt geworden.

Tickets günstig abzugeben

Das bekam ich am Dienstag deutlich zu spüren. Auf dem Weg von der U-Bahn-Station hin zur Arena sah ich mehrere Dutzend Männer, die diesmal ganz offen Karten feilboten. Sie mussten keine Sorge haben, dass sie von den Ordnungskräften behelligt werden, denn sie machten keine Geschäfte, sondern versuchten, den Schaden möglichst klein zu halten. Die Karten für das Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich gab es für den regulären Preis, aber das half nicht: Die Menschen passierten die Händler, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Ich hatte keine Zeit, das Treiben länger zu beobachten, aber ich bin mir relativ sicher, dass die Händler die Karten kurz vor dem Spielbeginn sogar unterhalb des regulären Preises verscherbelt haben – und ich gebe zu, dass mich dieser Gedanke erfreut.

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Foto: Imago Images/Beautiful Sports

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