Rheinpfalz Auf den Spuren der Geschichte

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„Ja, es war schlimmer, als ich gedacht habe“, bekennt Brian Corbett. Nachdenklich hat er gerade noch einmal die kleinen Trümmer betrachtet; Metallreste, die sich auf einem Tisch ausbreiten. Seit Samstag weiß Corbett so viel mehr vom Schicksal seines Vaters. Ihn hat der heute 74-Jährige nie kennenlernen dürfen. Zwei Jahre alt war Corbett, als der Brite Maurice Richard Hadland nach einem Flugzeugabsturz bei Hochspeyer ums Leben kam. 72 Jahre später hat Corbett jenen Ort betreten, an dem sein Vater starb.

Mehr als zwei Jahre hat der Brite dem Moment entgegensehen können. Und doch: „It was shocking“, bekennt er. Geschockt sei er gewesen, so viel über die mutmaßlichen Umstände zu erfahren. „Wir dachten, mein Vater ist im Feuer umgekommen. Abgestürzt, explodiert, aus. Wir wussten ja auch nicht, wo das überhaupt war. Ich habe immer gedacht, es sei viel weiter im Norden von Deutschland gewesen.“ Corbett ist sichtlich bewegt. Aber auch „dankbar. So dankbar.“ Zum einen seinem früheren Luftwaffen-Weggefährten Terry Warnock. Und zum anderem Uwe Benkel. Denn der Heltersberger brachte Licht ins Dunkel nach Jahrzehnten. Deutschland ist für Corbett alles andere als unbekanntes Terrain. Bis heute reist der Brite ab und an über den Kanal. Deutschland war zwischenzeitlich seine berufliche Heimat. Bei Mönchengladbach war der frühere Angehörige der Royal Air Force stationiert. Nicht abgerissen ist der Kontakt zu einem früheren Weggefährten: Sein Landsmann Terry Warnock lebt heute mit seiner Ehefrau Rosalie in den Niederlanden – und stöbert gern im Internet. Dort ist er auf eine interessante Geschichte aufmerksam geworden. Eine, die – wie er wusste – einen alten Freund betrifft. Warnock knüpfte Kontakt zu Uwe Benkel. Der Kopf der Arbeitsgruppe Vermisstenforschung, die bereits seit 1989 Geschichte aufarbeitet und die im Zweiten Weltkrieg abgestürzte Flugzeuge aufspürt, hat sich auch mit dem Fall eines nahe Hochspeyer abgestürzten britischen Kampfbombers befasst. Wracks ausfindig machen, wenn möglich aus der Tiefe bergen, das Schicksal jener Soldaten klären, die ihr Leben verloren haben: Das ist das Anliegen der Arbeitsgruppe. Vielen Angehörigen von Kriegsopfern, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist, haben Benkel und seine Mitstreiter schon helfen, ihnen Gewissheit verschaffen und nicht zuletzt den Weg zu einem Ort der Trauer weisen können. So auch jetzt, als Benkel den Briten zu jener Stelle führte, an der dessen Vater ums Leben kam. Maurice Richard Hadland hatte in einer „Vickers Wellington“ gesessen, hinten, als Schütze. „Er hat den Fallschirm ausziehen müssen, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben“, weiß Corbett. Denn als deutsche Nachtjäger um Hauptmann Helmut Bergmann das Flugzeug trafen, war es für die Besatzung nicht zu spät, wie sich jetzt herausstellte. Denn vier Mann der fünfköpfigen Besatzung konnten sich retten. Die Wellington hatte Kurs genommen Richtung Rhein, kam aber am Einsatzziel Ludwigshafen/Mannheim nie an. Sie zerbarst in der Nacht zum 17. April 1943 in einem Acker unweit des Hochspeyerer Sportplatzes. Die vier Geretteten gerieten in Kriegsgefangenschaft. Allein Hadland hatte es nicht mehr geschafft. Er starb aber nicht sofort beim Absturz. Gerade dieser Umstand hat seinen Sohn tief bewegt: „Es war ja noch schlimmer, als wir gedacht hatten.“ Die sterblichen Überreste es Sergeants wurden in Hochspeyer beigesetzt. Zwei Jahre nach Kriegsende war das Grab exhumiert, die Überreste auf den Soldatenfriedhof Rheinberg umgebettet worden. Jetzt erst hat Corbett auch die erste Grabstätte des Vaters aufsuchen können. (cha)

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