Rheinpfalz Begreifen, wie wichtig China ist und noch werden wird

Einen Parforceritt durch Geschichte und Kultur, durch Politik und Wirtschaft Chinas bot der aus Hauenstein stammende Wirtschafts
Einen Parforceritt durch Geschichte und Kultur, durch Politik und Wirtschaft Chinas bot der aus Hauenstein stammende Wirtschaftsjournalist Stefan Baron (links) rund 150 aufmerksamen Zuhörern im Bürgerhaus. Ortschef Bernhard Rödig moderierte.

Einen Parforceritt durch Geschichte und Kultur, durch Politik und Wirtschaft Chinas und durch Mentalität und Psyche der Chinesen bot am Dienstag der aus Hauenstein stammende Wirtschaftswissenschaftler und -journalist Stefan Baron. Rund 150 Zuhörer im Hauensteiner Bürgerhaus erlebten 120 prall mit Informationen und Einschätzungen des China-Experten gefüllte Minuten. Sie in 140 Zeitungszeilen zu packen, schier unmöglich. Trotzdem: ein Versuch.

Grundlage des Abends war hinter der plakativen Frage „Müssen wir Angst vor China haben?“ das Buch „Die Chinesen – Psychogramm einer Weltmacht“, das der 70-Jährige zusammen mit seiner Frau Guangyan Yin-Baron verfasst hat und das im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet worden war. Ortsbürgermeister Bernhard Rödig lotste im Stil eines Interviews mit Fragen durch den Abend und gab die inhaltliche Richtung vor. Nehmen wir das Fazit vorweg: Baron warnte vor einer „falschen Angst“ vor China, vor einem „falschen Bild“ des asiatischen Riesen, wie es in vielen Veröffentlichungen gezeichnet werde. Deutschland müsse „seine Hausaufgaben machen“, müsse sich auf seine Stärken besinnen, müsse die eigene Infrastruktur stärken, die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern: Dann werde es bestehen können. Und es sollte sich „am Beginn eines kalten Krieges zwischen Amerika und China als Brückenbauer“ verstehen. Deutschland und der Westen – den es nicht erst seit Trump so einheitlich ja nicht mehr gebe – müssten „Geschichte und Kultur Chinas intensiv studieren“ und begreifen, „wie wichtig China ist und werden wird“. Letztlich seien im Verhältnis zu China die „Chancen größer als die Risiken“. Keinesfalls dürfe der Westen den untauglichen Versuch unternehmen, „China kleinzuhalten“. Das werde auch nicht gelingen: Ziel der chinesischen Führung sei es, das Land nach einer „langen Zeit der Demütigung“ zur Nummer eins der Welt zu machen und den Schwerpunkt der Weltwirtschaft „weg vom Atlantik hin nach Eurasien“ zu verlagern. Längst sei China über die Phase hinweg, die Welt mit billigen Massenprodukten zu überschwemmen, längst sei die „Zeit der Plagiate“, womit die Chinesen nie ein moralisches Problem gehabt hätten, vorbei: Man habe sich auf hochwertige Produkte und modernste Technik umgestellt und tue alles, um die eigenen Entwicklungen zu schützen. Die wirtschaftliche Stärke Chinas sei differenziert zu betrachten: Das Reich der Mitte sei wohl die größte Volkswirtschaft der Welt, betrachte man aber den Wohlstand pro Kopf, liege das Reich der Mitte unter ferner liefen auf Rang 80. China sei das Land mit den meisten Milliardärinnen, aber auch das Land, in dem nach internationalen Maßstäben in Teilen noch bittere Armut herrsche. Und: Der große wirtschaftliche Erfolg werde auch kleiner, wenn man die „immensen Schäden für Umwelt und Gesundheit“ berücksichtige. Auf dem Weg zur Nummer eins sei die chinesische Führung, die sich zwar „kommunistisch“ nennt, aber alles andere als kommunistisch agiere, „ohne Sendungsbewusstsein“ unterwegs, strebe weder ein „Regime Change“ an, noch wolle es seine Kultur exportieren. Baron, der mit einer Chinesin verheiratet ist, gab tiefe Einblicke in diesen Aspekt chinesischer Wirklichkeit: Sie sei von Konfuzius geprägt, der eine „strenge Morallehre“ vertreten habe, weiche aber, „wenn es schwierig wird“, auch mal zu dem „individualistischen“ Laotse aus, dem „ersten Grünen“. „Chinesen können mit solchen Widersprüchen leben.“ Das A und O für die Chinesen sei die Familie: Hier erlebe man die Menschen „freundlich und zuvorkommend“, außerhalb der Familiengrenze erlebe man aber einen Menschen „ohne jeden Gemeinsinn“ und im Geschäftsleben „gewieft, listig, ja, auch schlitzohrig.“ Ganz wichtig sei auch hier der konfuzianische Ansatz, dass der Mensch „durch Bildung und Lernen ein guter Mensch werden kann“. Nicht umsonst geben chinesische Familien 30 Prozent ihres Einkommens für die Ausbildung ihres Kindes aus. „Nach der Familie besitzen Bildung und Leistung den höchsten Stellenwert“, konstatierte Baron. „China wird sich ändern“, ist er sich sicher, „aber nur von den Rändern her, nicht im Kern“. Das gelte auch für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit: „Sie werden es in ihrer Geschwindigkeit tun und nur so weit, wie es mit ihrer Kultur vereinbar ist“, meint der Chinaexperte. „Die Hoffnung, dass sich China in dieser Beziehung so entwickelt, wie wir uns das vorstellen, die können wir uns abschminken.“ Die Veranstaltung schloss mit einer Fragerunde. So wurden die neuen Atomkraftwerke in China, eine drohende Immobilienblase, das Sozialpunktesystem und das Thema Tibet angesprochen. Veranstalter waren die Ortsgemeinde und die Bücherei. Die IHK-Tischrunde hatte sich angeschlossen. Deren Pfalz-Vizepräsidentin Birgit Neuhard hatte eingangs die Bedeutung Chinas für die pfälzische und rheinland-pfälzische Wirtschaft unterstrichen.

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