Rheinpfalz Brücke der Verständigung beschritten

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Schon nach kurzer Zeit wird die Vorliebe der Gruppe für Geselligkeit offensichtlich, und zugleich fällt die ausgeprägte Individualität der Teilnehmer auf. Esperanto-Sprachler haben sich in der vergangenen Woche zur gemeinsamen Freizeit im Bildungshaus Maria Rosenberg zusammengefunden, zum Wandern und zur Unterhaltung in der gemeinsamen Sprache – dem Esperanto.

„Wir haben die Veranstaltung ausgeschrieben und 18 Anmeldungen bekommen“, berichtet Wolfgang Bohr aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, der die „Esperanto migrado“ (Esperanto-Wanderung) organisiert hatte. Die Teilnehmer kommen aus Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Ostfriesland; drei sind aus Frankreich und der Schweiz angereist. Die Wanderwochen zuvor haben am Rhein, an der Mosel und an der Ahr stattgefunden. „Für uns bieten diese Treffen Gelegenheit, miteinander in der Sprache Esperanto ins Gespräch zu kommen und die Sprache länderübergreifend in der Praxis zu pflegen.“ Menschen aus über 120 Ländern hätten diese Sprache bereits gelernt, erklärt Bohr. Man schätze, dass ein paar Millionen das Esperanto zumindest in Grundzügen kennen und „ein paar Hunderttausend die Sprache aktiv und regelmäßig“ nutzen. Es gebe sogar mehr als tausend Esperanto-Muttersprachler, die Esperanto schon im Elternhaus gelernt hätten. Die Meisten eigneten sich das Esperanto über das Internet an. Esperanto-Sprachkurse würden selten angeboten, allenfalls an großen Volkshochschulen wie in Bonn, Stuttgart oder Berlin, auch in Trier seien schon Kurse gelaufen. Um 1870 hat laut Bohr der Pole Ludwik Zamenhof die Grundlage des Esperanto durch Zusammenfügen von Elementen aus verschiedenen Sprachen entwickelt. So sei es ihm gelungen, mit einer Reihe von Wortbildungssilben eine „Vielzahl von nuancierten Begriffen eigenständig zu bilden“. Weil es Prinzipien verwende, die in vielen anderen Sprachen bekannt seien, sei Esperanto einfach zu erlernen. „Man braucht höchstens ein Drittel der Zeit, die man zum Beispiel für Englisch oder Spanisch aufwendet“, erklärt Bohr, „für Grundkenntnisse genügen ein paar Wochen“. Und doch sei es von großem Vorteil, Esperanto zu beherrschen, meint Christiane Ötter, Detmold, die an einem Gymnasium Französisch und Spanisch unterrichtet. Selbst Englisch bezeichnet sie als eine „Regionalsprache“, weil in zahlreichen Ländern, ob in Italien, Japan oder in Südamerika, eben kaum jemand über englische Sprachkenntnisse verfüge. Ganz anders verhalte es sich mit „der einzigen Weltsprache Esperanto“. Anwender könnten zum Beispiel auf „Pasporta Servo“ zurückgreifen, ein weltweites Netzwerk von Ansprechpartnern und Gastgebern, bei denen Esperanto-Sprecher gratis übernachten könnten. Esperanto ebne den Weg zu internationalen Kontakten, auch zu Fachleuten aller Gebiete, selbst für Hobbys, und zu beruflichen Fachverbänden. So stehe die Weltsprache auch für Weltoffenheit, sie sei „der Schlüssel für viele Kulturen“. Ähnlich äußert sich Jürgen Tietz aus Wolfenbüttel. Esperanto-Sprachler schätzten die Weltsprache Esperanto als „eine Brücke, die es allen Menschen ermöglicht, sich zu verständigen“. Eine „Art kulturellen Einheitsbrei schaffen zu wollen“, das liege nicht in ihrem Sinne. Sie beschäftigten sich vielmehr mit den „Kulturen der Völker, ohne zu dominieren“, eben „auf Augenhöhe“. Nutzer des Esperanto gingen gemeinsame Schritte aufeinander zu, da jeder diese Sprache zusätzlich zu seiner Landessprache erlerne. Dieses Anliegen finde Unterstützung in der Literatur. Jährlich erschienen etwa 120 Buchtitel in Esperanto, sowohl Originalliteratur als auch Übersetzungen. Neben bekannten Werken wie Shakespeares „Hamlet“ oder Goethes „Faust“ erhalte man einen leichten Zugang zu Literatur aus verschiedenen Kulturen. Die Wandergruppe geht bei der „Esperanto migrado“ locker mit neuen Eindrücken um. Die Meisten kommen aus akademischen Berufen, sind Lehrer, Informatiker oder Ingenieure. „Wir sind angetan von der Landschaft und den Sehenswürdigkeiten hier“, sagt Bohr. Jeden Tag legen sie 15 Kilometer zurück. Die Touren haben sie über den Rodalber Felsenwanderweg geführt, zur Burgruine Gräfenstein in Merzalben, zum Teufelstisch in Hinterweidenthal und zur Burg Trifels über Annweiler. Auch durch diese Unternehmungen sind sie dem Anspruch nach „tiefergehendem Interesse an Land und Leuten“ ein Stück näher gekommen. Weil es der Gruppe in der Südwestpfalz „so gut gefallen hat“ (Bohr) soll hier noch einmal eine Esperanto-Woche stattfinden.

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