Kultur Südpfalz Bruno Jonas im Interview: „Fernsehen? Keine Lust mehr“

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»Ich arbeite an meiner Unbekanntheit«, sagt Kabarettist Bruno Jonas über seine Rückzug aus den TV-Satire-Shows. »Ich habe das Gefühl, ich komme so langsam in das Alter, in dem ich fürs Fernsehen nicht mehr geeignet bin. Ich bin ein bisschen old school.«

Bruno Jonas ist ein Altmeister des politischen Kabaretts. Mit seinem elften Soloprogramm „Nur mal angenommen ...“ kommt er am Freitag nach Bad Bergzabern ins Haus des Gastes. Der 65-Jährige aktualisiert es permanent, die Grundstruktur bleibt. Dem niederbayerischen Spötter geht es ums Hintergründige.

Herr Jonas, wenn man als Nichtbayer das Treiben der CSU verfolgt, sollte man meinen, sie müsste eigentlich als Kabaretttruppe in die Künstlersozialkasse einzahlen. Was meinen Sie?

Die CSU ist keine Kabaretttruppe! Politik ist immer real. Ich möchte die beiden Bereiche nicht vermischen. Die Politik ist eher traurig. Das Kabarett macht aus dem Stoff, den die Politik liefert, unterhaltsame Programme. Ich halte nichts von der Theorie, dass die Politik Realsatire betreibt. Politiker sind selten Künstler. Kabarett ist, wenn man trotzdem denkt. Jedenfalls bietet die Politik derzeit genügend Stoff für spitzzüngige Spötter wie Sie. Ihr Programm „Nur mal angenommen ...“ hatte bereits 2016 Premiere. Haben Sie es überarbeitet? Ich muss es ja dauernd überarbeiten, weil die Politik nicht aufhören kann, uns Kabarettisten mit Stoff zu versorgen. Man kommt ja kaum noch hinterher, das alles satirisch zu bearbeiten (lacht). Wie lang ist die Halbwertzeit eines Kabarettprogramms? Na ja. Ich will jeden Tag aktuell bleiben. Ich lese zwei, drei Zeitungen, gucke ins Internet, beobachte die politischen Magazine und schau’ Fernsehen. Dabei ergibt sich für mich ein Gesamtbild, das ich abends auf der Bühne kommentieren muss. Den Takt gibt die mediale Maschine vor – da gehören Sie auch dazu. Sie sind ein Mann fürs Hintergründige, der sich nicht allzu sehr auf konkrete politische oder gesellschaftliche Ereignisse einlässt. Sehe ich das richtig? Das sagt man mir nach. Ich versuche schon, die Dinge indirekt zu spiegeln. Den direkten Kommentar überlasse ich Klaus Kleber und Caren Miosga. Ich arbeite gerne mit Anspielungen. Manchmal kann ich aber nicht anders und muss meine Wut direkt formulieren. Steht im Mittelpunkt Ihres Programms immer noch das Münchener Wohnhaus als Spiegelbild von Weltpolitik und Gesellschaft? Die dramaturgische Grundstruktur des Programms hat sich nicht geändert. Es spielt in einem Münchener Altbau, in dem ich tagsüber alleine zu Hause bin und die Pakete für meine Nachbarn annehme. Wenn sie dann abends von der Arbeit kommen, klingeln sie bei mir, um ihre Pakete abzuholen. Das ist die Spielsituation, aus der heraus ich an der Wohnungstür die Welt, Politik, Gesellschaft und Kultur verhandle. Sind denn Ihre Nachbarn alle besonders skurrile Gestalten, oder wie kommen Sie vom Kleinen aufs Große? Sie sind so skurril wie wir alle – mehr oder weniger. Ich beobachte beispielsweise, was in den Mülltonnen landet, und ziehe daraus meine Rückschlüsse auf die Ernährung meiner Nachbarn. Es wohnt ein Veganer im Haus, der in Plastik eingeschweißte, vegane Wurst verzehrt, und einer, der sich nur vom Pizzaservice beliefern lässt. Sind grad Wahlen, besprechen wir an der Wohnungstür das aktuelle Geschehen. Ich rede mit dem türkischen Zusteller von DHL über Migration, mit dem ukrainischen über die Krim, und mit dem Informatiker aus dem Hinterhaus über die Digitalisierung. Und so komme ich von einem Thema aufs nächste. Und immer geht es um die große und kleine Politik. Bis 2008 waren Sie festes Mitglied in der Sendung „Scheibenwischer”, bis 2014 noch im Bayerischen Fernsehen mit „Die Klugscheißer“ zu sehen. Warum sieht man Sie nicht mehr so häufig im Fernsehen? So oft ist gut (lacht). Man sieht mich gar nicht mehr im Fernsehen; davon habe ich mich zurückgezogen. Ich arbeite an meiner Unbekanntheit. Was ist der Grund? Ich habe keine Lust mehr. (lacht) ... okay ... (lacht) Ich bin in künstlerischer Hinsicht nicht mehr so kompromissbereit. Es gab Gespräche mit Produzenten, die damit endeten, dass es für beide Seiten besser ist, wenn wir es lassen. Ging’s um die inhaltliche Ausrichtung? Ja auch, aber vor allem um die künstlerische Umsetzung, es ging um Konzepte, ums Niveau, und um die Zuschauer, „die man nicht überfordern darf“, das Übliche. Ich habe das Gefühl, ich komme so langsam in das Alter, in dem ich fürs Fernsehen nicht mehr geeignet bin (lacht). Ich bin ein bisschen old school. Ging es auch um die Einbindung von Comedy ins Programm? Gute Satire muss auch immer sehr unterhaltend sein. Das reine Gesinnungskabarett fand ich persönlich nie so prickelnd. Die strenge Unterscheidung zwischen Kabarett und Comedy hilft wenig weiter. Das was heute Comedy genannt wird, hieß früher Klamotte, und sie wurde bei der Lach- und Schießgesellschaft ins Programm eingestreut. Satire darf unterhalten, und Comedy darf politisch sein. Letztlich müssen beide Formen gelingen und dürfen nicht langweilen. Dann gehört Blödeln auch zum politischen Kabarett, finden Sie? Ja, selbstverständlich! Also doch kein Klugscheißer (lacht) ... Grade der Klugscheißer blödelt oft vor sich hin – ohne es zu merken. Im Übrigen war „Die Klugscheißer“ ein selbstironisierender Titel für ein Fernsehformat. Ich arbeite immer noch an der Ironisierung des Abendlandes. Da haben Sie was zu tun (lacht). Vielen Dank. Das war’s schon. Wie, das war’s schon? Jetzt habe ich gedacht, wir sprechen noch über die CDU und den Herrn Merz, den ich schon als neuen Mitarbeiter bei mir im Kabarett gesehen habe. Gerne. Und ich habe gedacht angesichts Ihrer anfänglichen Zurückhaltung, Sie wollen nicht über aktuelle Politik reden, oder sind eifersüchtig, auf Horst Seehofer, weil der vielleicht den besseren Kabarettisten abgibt ... Vielleicht wird er mal ein Kollege, wenn er nicht mehr im Amt ist, aber, wie schon gesagt, Politiker sind keine Kabarettisten. Sie liefern die Themen. Nehmen wir beispielsweise den angekündigten allmählichen Rückzug der Bundeskanzlerin und die sofort losgetretenen Nachfolgediskussionen. Friedrich Merz soll das Profil der CDU schärfen und der Partei wieder Orientierung geben, ist aber zu wirtschaftsnah und zu alt. Jens Spahn dagegen ist zu jung und zu konservativ. Armin Laschet warnt schon vor einem Rechtsruck der CDU. Und AKK (Annegret Kramp-Karrenbauer, Anmerkung der Redaktion) soll angeblich als Merkel 2.0 weiter wie bisher machen wollen, aber auch wieder nicht. Eine der dringlichsten Aufgaben, die der/die Merkelnachfolger/in vor sich hat, ist übrigens, Horst Seehofer zum Bleiben zu überreden. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass, falls Seehofer zurücktreten sollte, der Karl Theodor von und zu Guttenberg aus der Versenkung zurückkehrt. Das wäre natürlich ein Segen für die Politik insgesamt und auch fürs Kabarett. Dann ziehen Frau Merkel und Herr Merz jetzt in Ihr Haus ein? Ich hätte nichts dagegen, wenn Merkel, Merz und Co meine Nachbarn werden (lacht). Wäre gar nicht so übel, wenn quer durchs Parteienspektrum Politiker in meiner Nähe wohnten, dann könnte ich sie mir alle persönlich vorknöpfen. Ich würde ihre Pakete annehmen, kontrollieren, wer der Absender ist und dann mit ihnen darüber diskutieren, welches Paket sie annehmen und welches sie zurückschicken sollten. Ist auch jemand von der AfD unter Ihren Nachbarn? Noch nicht – obwohl: Man weiß es ja nicht ... ob’s einen gibt, der sein Kreuz bei der AfD gemacht hat. Wahlscheine findet man ja nicht in der Mülltonne wie die Pizzaschachteln ... Aber manche Leute haben das Gefühl, sie können ihren Wahlzettel gleich in die Mülltonne schmeißen statt in die Urne. Termin Bruno Jonas präsentiert „Nur mal angenommen ...“ am Freitag, 9. November, um 20 Uhr im Haus des Gastes Bad Bergzabern. Karten gibt es im Vorverkauf in Bad Bergzabern beim Tourismusverein, Telefon 06343 98966-11, bei allen Reservix-Vorverkaufsstellen sowie unter www.ADticket.de | Interview: Birgit Möthrath

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