Rheinpfalz Die Kiste als Kasten

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Ein bayerischer Zimmermann integriert den Tod in den Alltag. Peter Bauers Sarg ist eine einfache Holzkiste, die im Leben als Schrank oder Truhe dient. Schlägt sein letztes Stündlein, will er auf ewig darin ruhen. In gewohnter Umgebung.

Der Tod ist ein unberechenbarer Geselle. Wann er erscheint, weiß niemand, nur dass er erscheint, ist todsicher. Peter Braun zieht an einem dunkelbraunen Knauf aus Astholz. Eine Schranktür springt auf. „Der ist aus Zirbelholz, aber man kann ihn sich auch edler machen lassen, zum Beispiel aus Kirschbaum, passend zur Wohnzimmereinrichtung“, meint er. Dann fügt er lächelnd hinzu: „Man kann ihn auch als Vorrats- oder Speiseschrank nutzen. Und wenn man keine Vorräte mehr braucht, kann man sich reinlegen.“ Voilà, da steht sie, die Kiste, der Schrank, die Truhe, das Wasauchimmer, das einmal Brauns letzte Ruhestätte werden soll. Gewollt schmucklos, damit Angehörige den Sarg so gestalten können, dass er zum Verstorbenen passt. Nicht nur zu ihm, auch zu anderen. Der Fantasie seien keine Grenzen gesetzt im Reich des Todes, mit dem sich der 57-jährige Zimmermannsmeister seit einiger Zeit näher beschäftigt. Nicht, weil er sich dem Jenseits nahe fühlt, nein, 90 wolle er schon werden, sagt Braun. Aber vielleicht deshalb, weil sein allmorgendlicher Blick auf Sankt Georg fällt, die kleine Barockkirche, die Holzhausen überragt. Auf dem Friedhof davor wird Braun auch einmal liegen, im Familiengrab, in seiner schlichten Kiste. Die Leute meinten immer, der Tod erfordere Pomp, sagt Braun. Daher trauten sie sich nicht, ihre Verstorbenen in einfache Kisten zu betten. Aus Furcht, Nachbarn, Freunde und Bekannte könnten schlecht darüber reden. Der Zimmermann will dazu einen Kontrapunkt setzen: Bereits zu Lebzeiten – so Brauns Konzept – kann sich der künftige „Bewohner“ mit seiner Kiste anfreunden. Indem er sie schon im Alltag nutzt. An langen Wintertagen, als es in seiner Ein-Mann-Werkstatt ruhiger geworden war, setzte Braun diese Idee endlich um. Schon lange war sie ihm durch den Kopf gegangen. Er schnitt je zehn Bretter aus Fichte und Zirbelholz zu, hobelte, fräste und leimte sie zusammen. Knapp zwei Meter lang, 60 Zentimeter breit und 45 Zentimeter hoch sind die Prototypen seiner Kisten. Eine stellt er auf den Boden und nimmt sechs Holzblöcke heraus, in die dicke Seile eingelassen sind: „Die Holzgriffe sind für später zum Tragen des Sargs und werden unten anmontiert“, erklärt er, während er nach zwei dunklen, schlanken Hölzern greift und sie zum Kreuz zusammenfügt. Braun klettert in die Kiste, liegt Probe und faltet die Hände. Im rohen Zustand sei sie ein bisschen hart, aber man könne sie noch auskleiden, sagt er. Seine Frau könne sogar das Totenhemd dazu nähen. Die gelernte Schneidermeisterin würde es am liebsten aus Leinen herstellen und natürlich ohne Taschen, denn das letzte Hemd habe bekanntlich keine. Eine Koproduktion könnten sie aufmachen in ihrem umgebauten Bauernhof, wo er unten in der Werkstatt schreinert und sie oben näht. Doch bislang fehlen die Aufträge für das Geschäft mit dem Tod. Lediglich die Frau eines Kunden bestellte bei Braun eine der schlichten Kisten. Als Wohnzimmerschrank, wie ursprünglich gedacht, habe sie aber zuvor nicht gedient. Nur wenige Menschen könnten sich das vorstellen, bedauert Braun. Die meisten verdrängten das Thema und fänden seine Schrankkisten ein wenig morbide. So wie die Frau eines Freundes. Sie fand es zu makaber, dass ihr Mann sich zu Lebzeiten seinen Sarg zu Hause aufstellen wollte, erzählt Zimmermannsgattin Daniela Braun. Für sie hingegen gehört nach eigener Aussage das Sterben zum Leben. Am liebsten würde sie sich, wenn es so weit ist, mit ihrem Mann zusammen in einem Doppelsarg begraben lassen. „Ich finde die Idee skurril, weil es das noch nicht gibt“, sagt sie. Peter Braun jedoch lehnt ab: „Da unten möchte ich meine Ruhe haben.“

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