Rheinpfalz Ein „Hinweis“ aus Karlsruhe

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KARLSRUHE/MAINZ (jüm). Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Beschwerde eines Insassen der Justizvollzugsanstalt Diez erst gar nicht zur Entscheidung angenommen. Trotzdem machten sich die Karlsruher Richter in ihrem gestern veröffentlichen Beschluss die Mühe, sich auf vier Seiten mit den seit Juni 2013 in Rheinland-Pfalz geltenden Vergütungs-Regelungen von Häftlingsarbeit zu befassen. Darin findet sich auch ein kritischer „Hinweis“ an die Adresse der Landesregierung.

Zu den besonders umstrittenen Punkten der Reform des Landesjustizvollzugsgesetzes gehörte die Abschaffung der Arbeitspflicht für verurteilte Straftäter. Die Mainzer Landesregierung hatte dies mit einem neuen Konzept begründet. Danach sollte es künftig das Hauptziel der Haftzeit sein, dass die Gefangenen ihre persönlichen Defizite beheben, die sie straffällig werden ließen. Arbeit hinter Gittern stellte in dieser Sichtweise nur eine von mehreren Maßnahmen wie Therapie, psychiatrische Behandlung oder Training dar, um die Verurteilten zu resozialisieren. Mit der Reform hatte der Landesgesetzgeber auch die Variante abgeschafft, dass sich Gefangene einen Teil ihrer Arbeit in Form von Hafturlaub oder verkürzter Haftdauer „auszahlen“ lassen konnten. Die Begründung: Die bisher vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vergütungs-Grundsätze seien auf das rheinland-pfälzische Reformkonzept nicht übertragbar. Denn die Karlsruher Rechtsprechung beziehe sich ausschließlich auf die bisher geltende verpflichtende Arbeit von Gefangenen. Eine Arbeitspflicht gebe es aber künftig in rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten (JVA) nicht mehr. Doch mit dieser Argumentation mochte sich der nun freiwillig in der Druckerei/Buchbinderei der JVA Diez arbeitende Straftäter nicht abfinden: Weil er weiter eine „nicht monetäre Vergütung“ in Form von Urlaub/verkürzter Haft erhalten wollte, wandte er sich ans Bundesverfassungsgericht. Seine Beschwerde nahmen die Richter zwar wegen juristischer Mängel nicht an. Doch sie nutzten die Gelegenheit, einen Punkt gegenüber dem Land zurechtzurücken: Es „bestehen Zweifel“, dass eine „Resozialisierung auch ohne Arbeit hinreichend gewährleistet“ sei. Zumal therapeutische, psychiatrische oder andere Maßnahmen den Alltag von Gefangenen nicht ausfüllen würden und wohl auch nur für einen Teil der Inhaftierten in Betracht kämen. Arbeit könne aber nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel sein, wenn sie „angemessene Anerkennung findet“. Und dieser Grundsatz gelte keineswegs nur für verpflichtende, sondern auch für freiwillige Arbeit. Auch nach der Reform des Landesjustizvollzugsgesetz könne die Arbeit zur Resozialisierung beitragen, betonte das Mainzer Justizministerium in einer Stellungnahme zu dem Karlsruher Richterspruch. „Dies hat sich weder durch die Freiwilligkeit der Arbeit noch durch den Wegfall der nicht-monetären Vergütung geändert.“ Aus Sicht des Ministeriums ist das aktuelle Vergütungssystem auch „angemessen“. Es sei durch den Beschluss des Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt worden. Das Gericht hatte in seinem Beschluss allerdings auch betont, dass es ihm wegen der Mängel in der Verfassungsbeschwerde des Strafgefangenen „verwehrt“ sei zu prüfen, ob die reformierte Entlohnungs-Regelung mit dem Resozialisierungsgebot vereinbar sei. In einer ersten Reaktion auf den Karlsruher Beschluss bekräftigte Winfried Conrad, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Strafvollzug, die Forderung nach Wiedereinführung der Arbeitspflicht in den JVA.

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