Kultur Südpfalz Einer, der aus „Halbasien“ kam

Eine in mancherlei Nuancen schillernde Gestalt der Literatur wird man Karl Emil Franzos schon nennen dürfen. Zumal wenn völlig lauter und respektvoll geschieht vor einem unbekannten Autor, den jetzt der Verein für Volksbildung und Jugendpflege im Blick auf die Pogromnacht gegen die Juden vom November 1938 ins Gedächtnis rief.

Obwohl Franzos, der im Zeitraum von 1848 bis 1904 lebte, ja nicht zu denjenigen gehören konnte, die unter nationalsozialistischem Druck um ihr Leben fürchten mussten, ist doch sein Werk durch den Nationalsozialismus vernichtet worden; es blieb ohne Chance einer Renaissance und so wurde Franzos dennoch ein Opfer ihrer Herrschaft. Erica Risch vom veranstaltenden Verein schilderte sehr anschaulich, und was den Hintergrund des Werks von Franzos ausmachte, das brachten Elke Moning und Hans Martin Rieger wohl akzentuiert und klangmalerisch fein nachempfunden dem das Sälchen im Frank-Loebschen Haus buchstäblich bis zum letzten Platz füllenden Publikum ausdrucksvoll nahe. Mitträger der Veranstaltung war die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Suche nach seinem Lebensweg ist Franzos nicht leicht gefallen. Er wuchs in Ostgalizien auf, wo seiner jüdischen Familie von den österreichischen Behörden der Name Franzos zudiktiert worden war – hier immer auf der ersten Silbe betont. Er besuchte als Jude die christliche Schule seines Heimatorts Czortkow und das deutsche Gymnasium Czernowitz. Er wurde in vielfältigem kulturellen Umfeld nach den Grundlagen deutscher Kultur erzogen und studierte in Wien und Graz Jura. Risch führte den Zuhörern vor Augen, was Czernowitz, im österreichischen Galizien nahe an der Grenze zu Russland gelegen, damals bedeutete. Es war eine Stadt, wo im deutschen Gymnasium der Geist der Humanität wehte und niemals ein Wort gegen andere Nationalitäten oder ein fremdes Bekenntnis gefallen sei, wenn da auch polnische Eliten, österreichische Verwaltungsbeamte, chassidische Juden und Ukrainer unmittelbar nebeneinander lebten. Klassische Philosophie hat Franzos studieren wollen, aber „stipendienfähig“ war er als Jude nicht. So musste er sich das erstrebte Ziel versagen. denn „mit der Taufe Handel treiben“, das ging für ihn nicht. Er wählte Jura als „Brot-Studium“, hielt sich zu den Burschenschaften und wurde schließlich Deutsch-Nationaler nicht nur nach Gefühl, sondern auch dem Handeln nach. Als Journalist und Reiseschriftsteller hat Franzos, wie sich aus den von Moning und Rieger kongenial vorgetragenen Passagen erkennen ließ, sich eines glänzenden Stils bedient. Er hat auf hohem sprachlichen Niveau geschrieben. Er hat tadellos und klar die jeweils herrschenden örtlichen Verhältnisse in wohlgeschauten und feinsinnig gezeichneten Bildern ausgemalt. „Halbasien“, wie er sein Herkunftsland nannte, ist in der Gedankenwelt der Besucher als ein zeitlich und räumlich weit entfernt am Horizont liegendes Land der Erinnerung aufgetaucht, so, wie es in sein Werk eingeflossen ist. Sein Texte sind begleitet von der Kritik an den Verhältnissen, die Armen und Missachteten das erstrebte Wohlergehen verwehrten. Sie stecken aber auch voll Humor, wenn Franzos etwa darlegt, dass in jenen Gegenden der Rippenstoß das ist, was im westlicheren Europa der freundschaftliche Händedruck bedeutet. Oder wenn er schreibt, dass in Galizien dem gebrannten Wasser besondere Aufmerksamkeit zukommt und es dort besonders viele volle Schnapsfässer gibt. Je länger, desto deutlicher kristallisierte sich das Bild einer vergangenen Epoche heraus, zu deren großartigem Beschreiber Franzos geworden war. Zuletzt hatte er sich in Berlin als vielgelesener und vielbesprochener Autor etabliert. Sein Hauptwerk, der Roman „Der Pojaz“, wurde ein Jahr nach seinem Tode von seiner Frau Ottilie herausgegeben. Er wird gelegentlich auch neu aufgelegt und Erica Risch hielt eines der wenigen Exemplare in der Hand, die nach der Matinee noch zu erwerben waren. (hd)

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