Rheinpfalz Erinnerung an „Postmarie“ und Gutselgläser

Noch sehr gut ist das Rewe-Geschäft von Benedikt und Anna Neuberger („Detzels Anna”) links zu sehen. Im Außenbereich war der dam
Noch sehr gut ist das Rewe-Geschäft von Benedikt und Anna Neuberger (»Detzels Anna«) links zu sehen. Im Außenbereich war der damals modern gewordene Wahlautomat angebracht. Die Merzalber Hauptstraße war zu dieser Zeit noch mit Kopfsteinpflaster belegt. Heute beherbergt das Gebäude, in dem das Rewe-Geschäft untergebracht war, einen Friseursalon.

«MERZALBEN.» Der Blick auf die Nahversorgung in der Gemeinde stimmt traurig. Im Neubaugebiet „Mittelster Kiesel“ gibt es einen Bauboom, wie ihn das Dorf noch nicht erlebt hat. Doch Geschäfte? Fehlanzeige. Die RHEINPFALZ beleuchtet die Situation.

Die 88-jährige Anna (Ännche) Fath erinnert sich noch gut daran, in welchen Lädchen früher einmal der tägliche Bedarf eingekauft werden konnte. Sie weiß beispielsweise noch, dass vor dem Zweiten Weltkrieg Frau Kunz mit dem Handwagen durch den Ort zog, Obst und Gemüse feilbot. Magarete Frank, genannt Gretche, verkaufte aus einem Fässchen von ihrem Handwagen aus Speiseöl per Flaschenabfüllung. Im Dorflädchen von Arthur Ehrhard gab es bereits Kaffee. Aber gekauft wurde immer nur ein viertel Pfund, meist in Tüten. Das waren noch Zeiten, als im Ort der Metzger selbst schlachtete, verarbeitete und verkaufte; etwa Oskar Anstett, „Metzjer-Oskar“ genannt. Oder später Joseph Klein, der „Metzjer-Sepp“, der in seinem Elternhaus ein Schlachthaus einrichtete. Mit dem Schlachtfleisch über die Schulter radelte er durchs Dorf in seinen kleinen Verkaufsladen, damals noch im Haus Augustin in der Hauptstraße. Später errichtete „de Metzjer-Sepp“ seine eigene Metzgerei. Nach seinem Rückzug übernahm Kurt Golsong das Geschäft. Heute gibt es keine Metzgerei mehr in Merzalben. Haushaltswaren boten Bernhard und Elisabeth Steinhauser an. Zunächst im Haus der ehemaligen Gastwirtschaft „Pfälzerwald“ in der oberen Hauptstraße (Haus Ida Neuberger). Die Gastwirtschaft wurde nebenher betrieben. Dann kaufte das Ehepaar das alte Pfarrhaus und erweiterte sein Warensortiment. Man erinnere sich an Weihnachten, wenn im großen Schaufenster eine kleine elektrische Eisenbahn ihre Kreise zog. Für Kinder ein Hingucker. Auch Werkzeuge, Fahrradutensilien und anderes mehr gab es hier. Viel später zog der Geschäftsmann Tatdros ein und verkaufte Schmuck. Heute ist es ein Wohnhaus. Etwas weiter unten im Ort gab es ebenfalls ein kleines Lädchen, das weitere Haushaltsgegenstände anbot. Hier war das Ehepaar Konrad und Julia (Julche) Ruf, später ihr Sohn Werner Ruf tätig. Einen Friseur gibt es mit Chrispi Coiffeur in der Hauptstraße 67 auch heute noch. Zuvor hatte Arthur Tretter seine Tätigkeit bis ins hohe Alter ausgeübt. Auch Friseurmeister Herrmann Fath (Hauptstraße 82) blieb seiner Heimatgemeinde lange Zeit treu. Der hölzerne Kinder-Drehstuhl diente beim Friseurbesuch als „Karussell“. Heute befindet sich in den Räumen eines der ältesten Häuser im Ort der Dekoladen „Creativ im alten Haus“ des Ehepaars Adam. Eine lange Tradition besteht auch im Haus der ehemaligen Bäckerei Steinhauser. Drei Bäcker-Generationen, Joseph Steinhauser, Karl Steinhauser und zuletzt Wolfgang Steinhauser, versorgten die Bürger mit frischen Backwaren. Gerne erinnert man sich an die Eismaschine, als Karl und Elisabeth Steinhauser das Geschäft führten. Für zehn Pfennig gab es eine Vanille- oder Erdbeer-Eiskugel. Heute steht Barbara Maly im Laden, die hier mit ihrem Mann Martin halbtags eine Bäckereifiliale betreibt. In der Dorfmitte stand die Bäckerei Hecht. Zwei Generationen boten ihre Backwaren an. Als Nachfolger kam die Familie Altmann. Heute ist das Geschäft geschlossen. Unvergessen ist auch der Blumenladen von Franz und Erna Emanuel. Das kleine Häuschen ist mittlerweile abgerissen. Nicht vergessen werden soll die „All-inclusive“-Post. Ob Rente, Einschreiben, Pakete – alles konnte man hier erledigen. Maria Neuberger („Postmarie“) hatte im familiären Fachwerkhaus ihren Arbeitsplatz. Als Bernhard und Ehefrau Monika Reeber das Postamt übernahmen, wurde es für mehrere Jahrzehnte ins Anwesen Hauptstraße 38a verlegt. Es folgte eine Postfiliale im Lebensmittelgeschäft Dockweiler. Heute: alles geschlossen. Textilwaren gab es im Geschäft von Karl und Hildegard Kreuter, von Tischdecken zum Besticken, über Strümpfe, Wäsche, Wolle, bis hin zu Strick- und Häkelutensilien. Wer erinnert sich noch an die Milchzentrale? Wie Ännchen Fath erzählt, war diese erst im Unterdorf. Bauern lieferten die Milch ab, Kunden kauften sie hier. Später stand die Milchzentrale bei Ferdinand und Ella Emanuel in der Hauptstraße 62. Hier wurde der Quark in Zeitungspapier eingewickelt. Oder wer weiß noch, wo das Raiffeisenlager war? In der Zimmerbergstraße. In großen Mengen wurde Mehl, Zucker oder Hühnerfutter in Tüten abgepackt. Später eröffnete die erste Raiffeisenbank, danach die Sparkasse. Heute gibt es in Merzalben keine Bank mehr. Schreinereien betrieben früher in der Zimmerbergstraße Jakob Zotz und Eugen Härig. Bis vor Jahren war auch Armin Matheis aktiv. Die Schreinerei von Clemens Klein, später von Sohn Heinz Klein, besteht bis heute. Der Enkel des Gründers, Schreinermeister Lothar Klein, ist noch aktiv im Geschäft. Lebensmittel gibt es heute in Merzalben nicht mehr zu kaufen. Anna Fath weiß noch, dass neben „Horys Wärtschaft“ im langen Hofgebäude Lebensmittel verkauft wurden. Eine wechselvolle Geschäftsgeschichte bietet das Haus Hauptstraße 74. Hier boten Carl Anstett und später das Ehepaar Oste Kurzwaren, Stoffe und auch Lebensmittel an. Erinnerungen an die „Gutselgläser“ mit süß-saueren Himbeer- und Zitronen-Bonbons werden wach. Danach wurde in dem Haus das „Edelstolz“ von Gertrud Dockweiler betrieben, später die Drogerie Vogel, die Modeboutique Manfred Kreuter, diverse Blumengeschäfte und ein Tattoo-Studio. Jetzt ist eine Versicherung dort ansässig. Dockweiler eröffnete nebenan das neue Geschäft „Edelstolz“ (kurze Zeit auch mit Postfiliale). Heute ist es geschlossen. Weiter oben in der Hauptstraße 88 wurden einmal Geschenke, dann Gemüse, danach Flammkuchen angeboten. Ein Spar-Laden wurde in der Hauptstraße 79 von Familie Götz betrieben, später Familie Ulrich. Am Haus hing ein Drehautomat, aus dem sich Jugendliche heimlich die ersten fünf Zigaretten für eine Mark zogen. Bei Benedict und Anna Neuberger („Detzels Anna“) in der Hauptstraße 67 gab es den Rewe-Laden. Ein Edeka-Geschäft hatte im Oberdorf Antonia Zipf, Centra war der Name des Ladens von Amanda („Manda“) Schäfer, später Gerlach, in der unteren Hauptstraße. Nicht vergessen werden sollte die Firma Gebrüder Nußbaum mit Omnibusbetrieb, Tankstelle, Handel mit Brennholz, Kohle und Heizöl. Das Omnibusunternehmen haben Markus Fuchs und Remy Neumann übernommen. Schließlich gab es auch noch das Elektrogeschäft von Wilhelm Schnellbacher in der unteren Hauptstraße. Was ist geblieben? Eine Bäckereifiliale, ein Friseurgeschäft, eine Schreinerei, ein Dekolädchen, ein Omnibusunternehmen. Und trotz dieser wahrhaft schwachen Infrastruktur zieht Merzalben als Wohngemeinde viele Neubürger ins Baugebiet. Der landschaftliche Reiz, die direkte Nähe zur Natur, die Ruhe und nicht zuletzt die günstigen Bauplatzpreise dürften den Ausschlag geben, Merzalben als Wohnort auszuwählen. Und natürlich zählen der Kindergarten und die Grundschule zu den wichtigen Pluspunkten der 1200-Seelen-Gemeinde.

Wolfgang Steinhauser, in der dritten Generation Bäcker, schiebt Brot in den alten Backofen. Heute beherbergt der Laden eine Bäck
Wolfgang Steinhauser, in der dritten Generation Bäcker, schiebt Brot in den alten Backofen. Heute beherbergt der Laden eine Bäckereifiliale.
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