Rheinpfalz „Es muss auch Sterbens-Kultur geben“

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Unter der Leitung von Chefarzt Sven Gottschling wurde an den Homburger Unikliniken gestern die europaweit erste generationenübergreifende Palliativstation eröffnet. Die neue Station für Sterbebegleitung und Kinder-Schmerztherapie mit ihren zehn Patientenbetten ist im dritten Stock des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ, Gebäude 57) untergebracht.

Thema der Palliativmedizin ist die menschenwürdige Begleitung sterbender Patienten. „Darüber brauchen wir heute in Deutschland eine offene Diskussion – nicht über aktive Sterbehilfe“, sagte gestern Homburgs Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind bei der Eröffnung. Mit seinem Amtsantritt als OB hat er von seinem Vorgänger Karlheinz Schöner den Vorsitz des Homburger Fördervereins für altersübergreifende Palliativmedizin übernommen: Dieser Verein hat 100 000 Euro an Spenden dazugegeben. Während das Klinikum die Räume für die Station bereitgestellt habe, finanziere der Verein einen Großteil der Ausstattung. Für die nahe Zukunft stellte Schneidewind die Erweiterung des Angebots der Palliativmedizin um ein stationäres Hospiz in Aussicht. Dass aber schon jetzt an den Unikliniken ein neues „Leuchtturmprojekt“ entstanden sei, habe man nicht zuletzt Karlheinz Schöners Einsatz zu verdanken, sagte Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karenbauer: „Er hat in vielen Gesprächen mit mir um diese Einrichtung gerungen.“ Viel zu lange, so Sven Gottschling, sei das Sterben ein peinlich gehütetes Tabu gewesen. „Seit Anbeginn aller Zeiten sind 200 Milliarden Menschen auf dieser Welt gestorben“, sagte der Stationsleiter sarkastisch: „Dieser Trend wird weiter anhalten. Obwohl wir uns hier an der Uni an einem Zentrum der Hochleistungsmedizin befinden.“ Dort sei im Jahre 2010 das Palliativ-Zentrum gegründet worden – damals mit zwei halben Arztstellen, einer Pflegekraft und einer Sekretärin. „Heute haben wir hier ein multiprofessionelles Team aus Spezialisten mit 40 Mitarbeitern.“ Um den Patienten ein Sterben in Würde zu ermöglichen, verfolge man ein familienorientiertes Konzept. Palliativmediziner und Schmerztherapeuten, Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter, Physio-, Ergo- sowie Kunst- und Musiktherapeuten arbeiteten hier Hand in Hand mit Psychologen, Hospizmitarbeitern, aber auch Angehörigen. Pfarrer leisten ihren Beitrag als Seelsorger. Seit Oktober 2016 nimmt Europas erste altersübergreifende Palliativstation Patienten auf – „vom Baby bis zum Greis“, so Sven Gottschling. „Wir leben in einer Zeit der Hochleistungsmedizin und der Robotik“, erklärte Uni-Dekan Michael Menger: „Solche Dinge machen wir ja gerne zu unserem Thema. Aber manchmal ist es halt die Gesellschaft, die uns sagt, was wir zum Thema machen sollen.“ Der Bedarf an zeitgemäßer Palliativmedizin werde immer größer. „So wie wir in unserer Gesellschaft eine Kultur des Lebens pflegen, muss es auch eine Sterbens-Kultur geben“, philosophierte der Dekan: „Und es ist ja gerade eine Aufgabe der Universitäten, Kulturen zu entwickeln.“ Palliativmedizin, stellte Sven Gottschling klar, sei „keine Sterbemedizin“. Die Patienten erhielten ausreichend Schmerzmittel, sie litten keine Atemnot. Der Chefarzt: „Speziell geschultes Personal ist dazu da, um zu lindern und zu begleiten – auf körperlicher und psychosozialer Ebene. Ja, wir sind Sterbebegleiter – wir sind aber auch Wünsche-Erfüller und Lebensqualität-Verbesserer.“ |ghm

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