Kultur Südpfalz „Es muss einfach raus“

Lilo Beil tritt ohne Honorar auf, weil ihr die Nikolauskapelle besonders am Herzen liegt.
Lilo Beil tritt ohne Honorar auf, weil ihr die Nikolauskapelle besonders am Herzen liegt.

Sie lebt seit Jahrzehnten im Odenwald, bezeichnet sich aber immer noch als „bekennende Pfälzerin“: Lilo Beil. Die Autorin von Kriminalromanen und Kurzgeschichten liest am Samstag, 29. September, in Klingenmünster aus ihrem neuen Buch. Ein Heimspiel.

Sie kommen schon zum sechsten Mal zu einer Lesung in die Nikolauskapelle. Die Kapelle ist sogar Schauplatz in einem Ihrer Bücher. Was fasziniert Sie an diesem kleinen romanischen Bau?

Die Nikolauskapelle hat für mich was Mystisches: Allein das Rosettenfenster und die geheimnisvollen verblassten Wandmalereien faszinieren mich und haben mich veranlasst, „Ein feste Burg“ (achter Gontard-Krimi) zum Teil da spielen zu lassen. Was verbindet Sie mit Klingenmünster und der Südpfalz? Kurz nach dem Krieg vertrat mein Vater, Rudolf Seiferling, seinen Kollegen Pfarrer Kehrt, der in russischer Kriegsgefangenschaft war. 1947 wurde ich im alten protestantischen Pfarrhaus in Klingenmünster geboren (das Gebäude gehört heute zum Weingut Heiner Kuhn). Bald darauf kam Pfarrer Kehrt zurück, mein Vater nahm eine Pfarrstelle in Dielkirchen/Nordpfalz an, es zog ihn aber bald wieder in die Südpfalz, wo er in Winden bis zur Pensionierung tätig war. Klingenmünster kenne ich nicht aus eigener Erinnerung, aber von vielen Erzählungen meiner Eltern, die von „all den lieben Nachbarn“ berichteten, die uns armen Kirchenmäusen viel Gutes getan haben. Meine Patin Emilie Degitz war übrigens eines der lieben Nachbarsmädchen vom damaligen Kuhn-Hof. In Winden wuchsen meine Schwester Marianne und ich auf, und mein erstes Buch, der „Maikäfersommer“, ist eine einzige nostalgische Liebeserklärung an die Südpfalz. Winden erkennt man darin an allen Ecken und Enden, obwohl ich das Dorf nie expressis verbis nenne. Ich habe das Buch 1997 im August-Becker-Museum vorstellen dürfen. Ihr neuer Kriminalroman heißt „In kindlicher Liebe“ und handelt unter anderem von dem Unheil, das ein Stalker anrichtet. Wie sind Sie auf das Thema gekommen? Persönliche Erfahrungen oder Erlebnisse im Bekanntenkreis? Stalking habe weder ich noch haben es Freunde von mir persönlich erlebt, aber ich bin empathisch genug, mir das Leid der Opfer vorzustellen. Wie ich andere Themen meiner Krimis wie Mobbing und Missbrauch nicht persönlich erlebt habe und dennoch aus tiefster Seele darüber schreiben konnte und musste. In fast allen Ihren Büchern lauert das Unheil in der Vergangenheit, soll nicht ans Licht kommen und bricht sich doch irgendwann bahn. Warum? Mich beschäftigen besonders die Verbrechen der Nazizeit wie zum Beispiel die Deportationen nach Gurs und das Töten und Quälen behinderter Menschen. Die Schatten der Vergangenheit spielen ja vor allem in meinen Gontard-Krimis eine große Rolle. Mein Dank gilt zwei Lehrerinnen, die am damaligen Landauer Neusprachlichen Gymnasium (heute Max-Slevogt-Gymnasium), wo ich 1966 mein Abitur ablegte, in ihrem wertvollen Geschichts- und Religionsunterricht nicht verdrängten, sondern aufklärten. Aus meinem Buch „Schattenzeit Geschichten“ (englische Übersetzung: Shadow Time Stories) lese ich übrigens ab und zu in Schulen. Dieses Buch ist die Keimzelle für meine späteren Krimis, die sich mit der leider nicht abgeschlossenen braunen Ära befassen, und es wäre mein Herzenswunsch, wenn diese stillen Geschichten mehr in Schulen gelesen würden. Die Charlotte Rapp, die in Ihrem jüngsten Buch – und in einigen anderen – eine wichtige Rolle spielt und ein friedliches Privatleben führt, scheint Ihr zweites Ich zu sein. Wie viel Autobiografisches steckt tatsächlich in den Romanen? Nein, Charlotte Rapp ist nicht mein zweites Ich, obwohl sie wie ich ehemalige Lehrerin, Pfarrerstochter und „bekennende Pfälzerin“ ist und im Odenwald wohnt. Ihr Blick auf die Welt ist ähnlich, aber sie ist viel optimistischer und nimmt das Leben leichter. Charlotte Rapp ist kinderlos, ich habe drei Töchter und bald drei Enkel. Außerdem sieht sie anders aus als ich. Vielmehr als mit Charlotte Rapp oder auch mit Anna Gontard identifiziere ich mich, so seltsam es klingt, mit Friedrich Gontard, meinem melancholischen und sensiblen Kommissar. Inwieweit inspiriert Sie der Alltag zum Schreiben? Ja, mir bekannte Orte, Menschen und Selbsterlebtes ziehen sich durch alle meine Bücher und Geschichten, aber meist so verfremdet, dass nur Insider es erkennen. Der Alltag inspiriert mich natürlich. Auch Kunst, Tiere, Kinder – das sind wichtige Motive für mich. Und kritische Beobachtungen zum Zeitgeist, der mir so oft auf den Geist geht, müssen einfach raus, damit ich nicht platze. Gibt es ein neues Projekt? Kann man bald wieder ein Buch aus Ihrer Feder erwarten? Ja, es wird, wenn alles klappen sollte, im März noch einen neunten Gontard-Krimi geben. Mit einem fast 80-jährigen Gontard. Im ersten Band, „Gottes Mühlen“, war er 33 Jahre alt! Und auch dieser Krimi wird sich wieder mit einem Thema befassen, das von der „Schattenzeit“ inspiriert ist. Es muss sein. Damit ich nicht platze. Termin Lesung mit Lilo Beil am Samstag, 29. September, 16 Uhr, in der Nikolauskapelle, Weinstraße 105, Klingenmünster. Eintritt frei. | Interview: Rita ReichDOPPELTERZEILENUMBRUCH

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