Rheinpfalz Europa ehrt Helmut Kohl
Europas Spitzenpolitiker haben gestern bei einem Trauerakt für den Altbundeskanzler ihren Willen zur Einheit Europas bekräftigt. Die Pfälzer nahmen im Speyerer Dom, aber auch in den Straßen Ludwigshafens und Speyers Abschied.
Beim ersten europäischen Trauerakt der EU-Geschichte haben gestern im Straßburger Europaparlament die Repräsentanten der EU sowie zahlreiche Staats- und Regierungschefs die Verdienste des verstorbenen Helmut Kohl gewürdigt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: „Mit Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant.“ Kohl habe es verstanden, Vorbehalte gegen die deutsche Wiedervereinigung aufzulösen: „Er hat glaubhaft versichert, dass er für ein europäisches Deutschland einsteht, nicht für ein deutsches Europa.“ Kohl habe alle EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen akzeptiert, die großen und die kleinen. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sagte, das 21. Jahrhundert habe mit Helmut Kohl begonnen. Er habe eine Welt schaffen wollen, in der niemand dominiert. EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnte die heutigen Staats- und Regierungschefs in Europa, das historische Vermächtnis von Kohl zu wahren: Jeder möge „sein Gewissen prüfen“, so Tusk. Die Antwort müsse ein „lautes Ja zu Europa, zur Versöhnung und zur Wahrung der Menschenrechte“ sein. Auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron richtete den Blick in die Zukunft. Er kündigt eine deutsch-französische Initiative in der Europa-Politik an: Er wolle zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel „Sinn stiften“. Seine auf Französisch gehaltene Rede beendete er mit einem Satz auf Deutsch: „Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus.“ Merkel erinnerte daran, dass Kohl den Glauben an die Wiedervereinigung nie aufgegeben habe. Das habe den Menschen in der DDR Kraft gegeben. „Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker“, charakterisierte sie den Verstorbenen. Kohls Sarg war am Samstagmorgen in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim abgeholt und nach Straßburg gebracht worden. Nach der Trauerfeier in Straßburg wurde der Sarg wieder nach Ludwigshafen geflogen, wo rund 1000 Menschen applaudierten, als der Autokonvoi vorbei fuhr. Zu Schiff gelangte der Sarg vom Reffenthal aus die letzte Strecke nach Speyer. Dort fand im Dom ein Pontifikalrequiem mit 900 Gästen statt. Kohls Söhne waren weder in Straßburg noch im Dom anwesend. Bischof Karl-Heinz Wiesemann würdigte den Altkanzler als „wahrhaft großen Staatsmann“. Im Domgarten verfolgten mehrere Hundert Menschen den Gottesdienst. Am Abend wurde Kohl im engsten Kreis auf dem Friedhof des Domkapitels in Speyer beigesetzt.