Kultur Südpfalz Für Knödel-Tenöre

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Die Diskussionen um einen neuen Konzertsaal beschäftigen München schon eine ganze Weile. Jüngste Wende: Ein Kabinettsbeschluss der Landesregierung sieht einen Neubau hinter dem Ostbahn hof vor.

Womöglich handelt es sich auch um ein kulturelles Kompensationsgeschäft: Jahrzehntelang nämlich stand in München hinterm Ostbahnhof, wo bis zum Jahr 2021 laut neuestem Kabinettsbeschluss ein kolossal klingendes Konzertsaalensemble hingesetzt werden soll, eine Fabrik der Firma Pfanni. Es wurde dort, hochprofitabel, eine Art Pulver für die Welt hergestellt, welches einem, nachdem es etwas Bindung mit Wasser aufgenommen hatte, geschmacklich vorgaukeln sollte, dass es sich bei dem Produkt um etwas genuin Bayerisches handle: Knödel nämlich. Von der voraufgegangenen Entwicklung im so genannten Werksviertel hat der Pfanni-Erbe Werner Eckart zunächst enorm profitiert, dann aber, nachdem der Pfanni-Traum vor Ort ausgeträumt war, seine Aufmerksamkeit sofort auf die Zukunft gerichtet: Eckart plant auf dem Areal in den nächsten Jahren eine von der Stadt gern gesehene Großbebauung mit Büros, Hotels, Clubs, Ateliers, Gastronomie und Konzertbühnen aller Art, und so kam ihm ganz recht, dass die Staatsregierung seit anderthalb Jahrzehnten in eine nicht enden wollende Diskussion verstrickt gewesen ist: Münchens Klassikgemeinde, war, zu Unrecht oder nicht, der Meinung, es müsse ein dritter großer Konzertsaal her. Der Herkulessaal in der Residenz galt als zu klein, der Gasteig, das große, integrative Kulturprojekt der 1980er Jahre, zwar als groß, doch angeblich nicht klangfein genug. Als im letzten Jahr zwischen Stadt und Land – in Wahrheit eher zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und Oberbürgermeister Dieter Reiter – ausgemacht wurde, dass der Gasteig renoviert werden müsse, kochte die Debatte erneut hoch. Denkmalschützer, Baumschützer, Musikschützer und Politikbenützer redeten sich die Köpfe heiß, ob ein Konzertsaal in die Innenstadt gehöre (als Isar-Philharmonie) oder in den so genannten Finanzgarten an der Staatskanzlei, am Ende sogar als Zubau ins Allerheiligste: die Residenz. Ungenügen über den Status Quo äußerte vor allem der seit 2003 amtierende Chefdirigent der BR-Symphoniker, Mariss Jansons, woraufhin dem BR öfter vorgeworfen wurde, er denke nur an sich beziehungsweise seine Klangkörper. Nach diversen Aufständen galt die Debatte als hoffnungslos verfahren. Umso mehr genießt gerade der bayerische Ministerpräsident, dass er hinter den Kulissen offenbar klug geschoben hat. Es gibt nun auf einmal keinen Blick zurück mehr, und selbst der Kunstminister Ludwig Spaenle riskierte ihn nicht, als er sotto voce und mit aller ihm zur Verfügung verstehenden Baritonpracht in der Staatskanzlei jene Pläne präsentierte, die sich auf dem Gelände der ehemaligen Pfanni-Fabrik bis 2021 zum Konzertensemble entfalten sollen. Spaenle war stolz, und er konnte es sein: Der Freistaat bekommt ein fast 8000 Quadratmeter großes Gelände für einen Erbpachtzins von 600.000. Darauf errichtet er zwei Konzertsäle (groß für 1800 Besucher, klein für 300 Menschen). Gegründet werden soll überdies eine Konzertsaal-Stiftung, in der sich all jene Mäzene wiederfinden könnten, die in den letzen Monaten in München die Muskeln haben spielen lassen. Das Potenzial ist enorm, und man kann nur hoffen, dass die Klientel sich nicht zu fein ist, hinter den Ostbahnhof vorzudringen.

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