Rheinpfalz Gesundheitskarte löst Probleme und schafft andere

Die Grünen im Kreistag arbeiten weiter darauf hin, dass im Kreis die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt wird. Vor dem Hintergrund, dass das Land zugesagt habe, auch 85 Prozent der Verwaltungskosten bei besonders teuren Fällen wie Krebserkrankungen zu übernehmen, „werden wir die Sache noch mal neu berechnen“, kündigte der Vorsitzende des Kreisverbandes der Grünen, Bernd Schumacher, bei einer Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema am Freitag in Rodalben an.

Der Kreis werde an seiner Linie festhalten und eine mögliche Einführung von den damit für den Landkreis und seine Bürger verbundenen Kosten abhängig machen, erklärte der für den Bereich Soziales zuständige Kreisbeigeordnete Peter Spitzer (SPD). Abgewartet würden die Erfahrungswerte der Stadt Trier, die die Gesundheitskarte Anfang 2017 eingeführt hat – im Vergleich zum bisher im Kreis Südwestpfalz funktionierenden System mit Behandlungsscheinen, die die Verbandsgemeinden ausgeben. „Besonders interessant werden für uns die Erfahrungen sein, die der Kreis Kusel mit der Gesundheitskarte machen wird“, sagte Spitzer. Der Landkreis Kusel wird die elektronische Gesundheitskarte einführen. Auch die Stadt Trier habe sich mit der Einführung und der Kostenrechnung nicht leicht getan, sagte Angelika Birk (Grüne), seit sieben Jahren Sozialdezernentin der Stadt. „Natürlich muss auch ich meinem Kämmerer klarmachen, dass auf die Stadt dadurch keine erheblichen Mehrkosten zukommen“, sagte Birk. Es gibt durchaus gewichtige Gründe, die gegen die Karte sprechen. Zu diesen Gründen gehört, dass die Krankenkassen eine achtprozentige Verwaltungskostenpauschale für alle Leistungsfälle bekommen. So sieht es die Rahmenvereinbarung vor, die das Land mit den Krankenkassen abgeschlossen hat. Bei einem Krebspatienten, dessen Behandlung pro Monat 50.000 Euro kosten kann, keine Kleinigkeit, und wenn man zehn solcher Fälle habe, „wäre das vor der Zusage des Landes sehr teuer geworden“, hatte Birk Verständnis für den Kreis, dass diese Verwaltungspauschale ein Grund dafür war, die Karte vorerst abzulehnen. Nicht der einzige Grund, wie Spitzer erläuterte: „Trotz Verwaltungspauschale bleiben die Risiken beim Kreis. Wenn die Karte verloren oder Missbrauch damit betrieben wird. Auch wenn ein Behandlungsfehler zur Debatte steht, ein Prozessrisiko besteht, trägt dieses nicht die Krankenkasse, obwohl sie viel Geld bekommt, sondern weiter der Kreis. Auch stellt die Krankenkasse keinen Dolmetscher, trotz Pauschale.“ Ein weiterer Hinderungsgrund sei gewesen, „dass wir für jeden Flüchtling, der diese Karte bekommt, pro Monat fix zehn Euro an die Krankenkasse zahlen müssen. Egal, ob er zum Arzt geht oder nicht.“ Schumacher hatte als Zahl der Flüchtlinge, die derzeit im Kreis leben und die Karte bekommen würden, 800 genannt. Macht 8000 Euro im Monat. „Die Gesundheitskarte mag ihre Vorzüge haben, ein Allheilmittel ist sie nicht“, sagte Spitzer. Dass die Flüchtlingszahlen zurückgegangen und die Kosten überschaubarer geworden seien, habe in Trier die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sicher erleichtert, bekannte Birk. Die Grünen wollen mit der Karte allen den diskriminierungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Es solle den Flüchtlingen erspart bleiben, dass sie, bevor sie zu einem Arzt gehen können, erst zur zuständigen Verwaltungsbehörde fahren müssen, um sich einen Schein, der zur Behandlung berechtigt, abzuholen. Diese Praxis sei auch rechtlich fragwürdig, sagte der frühere Grünen-Landtagsabgeordnete und Kinderarzt Fred Konrad: „Wie will ein Mitarbeiter einer Verwaltung, der keine medizinische Ausbildung hat, entscheiden, ob jemand zum Arzt muss oder nicht?“ Dass dies eher ein theoretisches Problem ist, zumindest im Kreis Südwestpfalz, zeigte sich im Diskussionsverlauf. Kein Verwaltungsmitarbeiter werde die ärztliche Behandlung verweigern, sagte Spitzer. Da sei auch kein Fall bekannt, sagten Helfer, die sich um Flüchtlinge kümmern. Das funktioniere mittlerweile sogar recht problemlos, schilderte Hermann Löwe, der sich in Clausen um Flüchtlinge kümmert. Die Verbandsgemeinde faxe die Behandlungsscheine an die jeweilige Praxis. Der vorherige Besuch bei der Behörde sei nicht zwingend notwendig. Die wirklichen Probleme, das zeigte sich in seinen und weiteren Schilderungen, liegen ganz wo anders, gerade in einem Flächenlandkreis. Etwa in der Frage, wie die Flüchtlinge zum Arzt kommen, wenn es diesen an dem Ort, an dem sie untergebracht sind, nicht gibt. Wie können sie ohne Dolmetscher schildern, was ihr gesundheitliches Problem ist, damit der Arzt sie zielgerichtet behandeln kann. Wie erklärt man einem Flüchtling, der nicht Deutsch spricht, wie das deutsche Gesundheitssystem funktioniert. Ohne ehrenamtliche Helfer, bilanzierte Löwe seine Erfahrungen, würde das nicht funktionieren. Diese Probleme waren auch in Trier gesehen worden. Deshalb bekannte Birk offen, dass es ihr wichtiger war, in Gemeinschaftsunterkünften medizinisches Personal, das als Ansprechpartner für die Flüchtlinge dient, zu installieren. „Wenn die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bedeutet hätte, dass ich dort auf eine Krankenschwester verzichten muss, hätte ich es nicht gemacht.“ Erhebliche Mängel der Gesundheitskarte, die jedes Krankenkassenmitglied betreffen, sollen bis 2019 bundesweit ausgemerzt sein. Bis dahin wollen die Krankenkassen soweit sein, dass die Daten des Karteninhabers elektronisch geändert werden können, ohne dass jedes Mal eine neue Karte ausgegeben werden muss, die wieder Geld kostet. Sie sei selbst gespannt – Abrechnungen von Kassenseite erfolgen in der Regel nach einem halben bis dreiviertel Jahr –, wie sich die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte finanziell auswirkt, sagte Birk. Und ob die belastbaren Zahlen Änderungen an der Verwaltungskostenpauschale bringen. Schumacher las ein Schreiben vor, in dem ein Ärzteverbund ankündigte, sich für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte stark zu machen. Aus Sicht der Ärzte bringe die Karte den Vorteil, dass sie verwaltungstechnisch besser zu handhaben sei. In Kusel sei die Verwaltung mittlerweile dazu übergegangen, Behandlungsscheine quartalsweise auszustellen, analog zum Behandlungsquartal der Versicherten, erläuterte Konrad. Jeder Behandlungsschein löse einen Vorgang bei der Kassenärztlichen Vereinigung aus. So gesehen profitiere ein Arzt finanziell sogar, wenn nur tageweise geltende Behandlungsscheine ausgestellt würden, sagte Konrad. Aber entscheidend sei, dass jeder die Möglichkeit habe, wenn er Schmerzen hat, direkt zum Arzt zu gehen, und Grauzonen im Recht auszumerzen. Die elektronische Gesundheitskarte ermögliche das. |add

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