Rheinpfalz Herausforderung Familienfest

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Kinderaugen glänzen, die Vorfreude ist groß. Ein schön geschmückter Tannenbaum, brennende Kerzen und bunte Geschenkpäckchen erwarten Kinder heute Abend in vielen Familien. Auch die elfjährige Samiira ist schon ganz gespannt. Nur, dass sie Weihnachten nicht zu Hause, sondern im Kinderhaus in Ruthweiler feiert.

Das Traditionsfest im Kinderheim zu verbringen, ist schon eine Herausforderung, weiß die Leiterin des Kinderhauses des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD), Jasmin Jacobi-Fries. Kinder und Jugendliche sind vor den Festtagen aufgeregt, und es ist auch viel zu tun, berichtet die Erzieherin. „Wir wollen Weihnachten für die Kinder so schön wie möglich gestalten.“ Daher wird das Fest „ganz klassisch, wie in einer Familie“ gefeiert – mit einem Gottesdienst in der Burg-Kirche, Bescherung und leckerem Essen. So ist auch im Kinderhaus Ruthweiler der 24. Dezember ein ganz besonderer Tag. Klar, dass sich die Heimbewohner dafür extra in Schale werfen. Für Samiira, die vor fünf Jahren ins Heim kam, ist das Schönste an Weihnachten, einfach „gemeinsam zu sein“. Etwas schüchtern, aber umso bestimmter fügt die Elfjährige hinzu: „Und die Geschenke!“ Samiira ist nämlich eine große Anhängerin von Sängerin Ariana Grande. Sie wünscht sich deren Fanartikel. Und sie freut sich auch auf ein besonderes Essen. In diesem Jahr soll es Raclette geben. So haben es die elf Bewohner zwischen elf und 18 gemeinsam entschieden, berichtet Jacobi-Fries. Einige von ihnen sind schon von Anfang an im Kinderhaus Ruthweiler, das im Januar 2007 eröffnet worden war. Der erste Bewohner ist inzwischen 17. Vor drei Jahren kam der bisher letzte Neuzugang. Alle haben sie Traumatisches erlebt. Gewalt, Missbrauch, Verwahrlosung, Drogen sind nur Stichworte. Die Gründe, warum die Kinder nicht bei ihren Eltern leben, sind vielfältig. Ziel ist zwar die Rückkehr in die Familie. Doch nicht immer klappt das auch. „Heim, das ist heute anders“, stellt Jacobi-Fries klar. Es ist wie eine Familie. Das Kinderhaus ist das Zuhause der Bewohner – auch an Weihnachten. Doch wie in jedem Jahr, fahren einige der Heimbewohner zu ihren Familien. So wird auch Ali, 14, die Weihnachtstage nicht im Kinderhaus verbringen. Seine Beziehung zu Weihnachten ist ganz entspannt: Als Moslem feiert er nicht. Geschenke gibt’s trotzdem: Ali wünscht sich eine warme Jacke, Hose und Pullover. Heimfahrten sind jedoch häufig von kritischen Gefühlen begleitet. „Da sind viele Erwartungen, ob es in der Familie auch gut klappt“, berichtet Jacobi-Fries. „Alle Kinder wünschen sich doch Mama und Papa“, weiß Simone Buschbaum, die beim CJD für die vier Kinderhäuser im Kreis Kusel – außer Ruthweiler zwei in Relsberg und eines in Rutsweiler/Lauter – zuständig ist. „Wenn man zu Hause Schlimmes erlebt hat, ist das Kinderhaus ein besserer Ort, ein sicherer Ort.“ Buschbaum: „Die Kinder wünschen sich eine heile Welt.“ Manche sagen dann, sie möchten „daheim bleiben“, also im Kinderhaus. In diesem Jahr werden fünf Heimbewohner in Ruthweiler bleiben. Darunter ist auch eine 18-Jährige mit einem siebenmonatigen Baby. Einige Tage vor dem Fest hat sie Besuch von ihrer Schwester, einer ehemaligen Heimbewohnerin, die ihr fast gleichaltriges Baby mitbringt. Dass Ehemalige ab und zu auf Besuch kommen, freut Jacobi-Fries. Denn gerade an Weihnachten ist Geborgenheit ein Thema. „Die Gruppe in Ruthweiler ist wie eine Familie zusammengewachsen“, registriert Simone Buschbaum. In Ruthweiler arbeiten zwölf Frauen - von der Praktikantin über die Reinigungskraft bis zur Erzieherin. In diesem Jahr wird Erzieherin Stefanie Heinz mit den Kindern feiern. Doch eigentlich beginnt Weihnachten schon viel früher, wie Jacobi-Fries erzählt. Im Advent haben die Bewohner das Haus mit Lichterketten und Tannengrün geschmückt. Auch haben sie Wunschzettel geschrieben und überlegt, was sie in den Ferien machen wollen. Zudem besuchen Spender wie der Rotary-Club das Heim. Oder der Ehrenamtliche, der mit den Kindern jedes Jahr ein tolles Lebkuchenhaus bastelt. Unter anderen unterstützt die Unicef-Hochschulgruppe Kaiserslautern die Kinderhäuser des CJD mit einer Wunschbaumaktion. Auf diese Weise werden die vom Jugendamt gewährten 36 Euro pro Kind und Weihnachtsgeschenk deutlich aufgestockt. Jacobi-Fries lobt die Unterstützung, doch appelliert sie auch, nicht nur in der besinnlichen Zeit an die Kinder im Heim zu denken. Höhepunkt ist heute natürlich die Bescherung. Und die wird im Kinderhaus „richtig zelebriert“, wie die Leiterin erzählt. Nacheinander erhalte jeder Bewohner sein Geschenk. Und es gibt auch Musik: Samiira spielt etwas auf der Flöte, und vielleicht sehen sich die Kinder und Jugendlichen noch einen Weihnachtsfilm an. Außerdem sind sie natürlich in der Küche eingespannt, helfen fleißig mit beim Vorbereiten und Schnippeln. Weihnachten 2016 wird vermutlich das letzte im Kinderhaus Ruthweiler sein, kündigen die Erzieher an. Denn das CJD sucht für die Ruthweilerer Gruppe ein neues Domizil. Wann und wohin das Kinderhaus umzieht, ist noch offen. Respekt für alle ...

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