Rheinpfalz „Hingabe auf Zeit“ hat ein Ende

Willy Schächter freut sich, künftig mehr Zeit für seine Frau Marie-France und die größer werdende Familie zu haben.
Willy Schächter freut sich, künftig mehr Zeit für seine Frau Marie-France und die größer werdende Familie zu haben.

«Hauenstein.» Willy Schächter ist ein Tausendsassa und unermüdlicher Macher, Lehrer, Politiker, Journalist und Museumsdirektor. Er hat die Wirtschaftskrise Ende der 80er Jahre als Chance begriffen und Gelegenheiten beim Schopfe gepackt. Jahrzehntelang setzte er sich für seinen Heimatort ein. Jetzt hat er die Leitung des Deutschen Schuhmuseums abgegeben.

„Ich bin unheimlich erleichtert, endlich loslassen zu können“, gesteht Willy Schächter, denn mit Carl-August Seibel habe er den passenden Kandidaten für seine Nachfolge als Museumsdirektor gefunden. In Zukunft wolle er kein Chef mehr sein, keine Entscheidungen mehr treffen müssen. Über 30 Jahre hat Willy Schächter das Deutsche Schuhmuseum geleitet, im Ideellen sogar noch länger, denn durch ihn wurde die Museumsidee geboren. Weil er als Bürgermeister – Schächter stand 18 Jahre lang der Ortsgemeinde Hauenstein vor – gefragt war, das „größte Schuhdorf“, wie er seine Heimat nennt, aus der Krise Ende der 80er Jahre zu führen. Dieser Aufgabe stellte er sich gerne: mit Leidenschaft und Willenskraft, denn er kannte das Erfolgsrezept. „Unser Selbstbewusstsein kommt aus der Schuhindustrie“, erklärt der 78-jährige Hauensteiner rückblickend seine Philosophie, „deswegen war es einfach nur richtig, die Schuhe symbolisch in neue Formen zu gießen.“ So kam es ihm wie gerufen, dass die Schuhausstellung „Zum Beispiel Schuhe“ nach Wien und Bochum 1989 in der Wasgausporthalle in Hauenstein gastierte, einem Ort, der eigentlich viel zu klein für die große Ausstellung war. Nichtsdestotrotz: Die Ausstellung war einer der ersten Schritte in Richtung Strukturwandel à la Schächter. Endergebnis war das Deutsche Schuhmuseum in der denkmalgeschützten ehemaligen Schuhfabrik der Gebrüder Schwarzmüller, das am 14. Juli 1996 eingeweiht wurde – und gewissermaßen die Schuhmeile nach sich zog, weil der Besucherzulauf im Ort auch Geschäftsleute lockte. Eigentlich hätte das älteste von sechs Kindern gerne Altphilologie studiert: Griechisch und Latein. Stattdessen unterrichtete er fünf Jahre lang an der Grundschule in Erfweiler, war 30 Jahre lang Lehrer an der Realschule in Annweiler und von 1986 bis 2004 Bürgermeister von Hauenstein. „Danach wollte ich nur noch im Museum wirken“, begründet Schächter, warum er damals dem Ort nicht mehr vorstehen wollte. Die schönsten Erlebnisse seines Lebens verbindet er mit dem, was er in dem ehemaligen Fabrikgebäude im Bauhaus-Stil erlebte. Als zum Beispiel zur Eröffnung des Museums ein Dutzend Franzosen seiner Einladung als Ehrengäste folgten, die 1943/44 in Hauenstein vom Service du travail obligatoire (STO) zwangsverpflichtet waren, in Schuhfabriken zu arbeiten. Oder als er Weltstars wie den Fußballer Miroslav Klose oder den Tennisspieler Roger Federer traf, um deren Schuhe in Empfang zu nehmen, die seitdem im Museum ausgestellt sind. „Ein Museum führt man nicht wie ein E-Werk“, sagt Schächter. Dafür brauche man gepflegte Kontakte, ein gutes Netzwerk und viel Erfahrung. Und das Schuhmuseum sei letztendlich durch die Ernst-Tillmann-Sammlung, eine ganz wichtige Säule des Museums, zu dem geworden, was es ist. „Dass ich Ernst Tillmann bei der Eröffnung des Museums kennengelernt habe, war ein Glücksfall“, betont der Stratege, der in dem passionierten Schuhsammler einen väterlichen Freund gefunden hatte. 5800 Paar Schuhe habe er durch ihn bekommen, schönste Juwelen aus aller Welt. Im gleichen Atemzug gibt er aber auch zu, dass all die Erfolge im Schuhmuseum ohne die Hilfe seiner Frau Marie-France nie möglich gewesen wären. Denn letztendlich gelang es durch ihre Ideen, durch ihr Einfühlungsvermögen und durch ihre museumspädagogische Kompetenz, Schüler ins Museum zu holen: die nächste Generation sozusagen, die für das Haus so wichtig ist. „Ein Amt ist eine Hingabe auf Zeit – jetzt bin ich frei für meine Frau“, sagt Schächter und lächelt. Endlich habe er mehr Zeit für seine Familie, für Marie-France, die so manches Mal auf einen Ausflug nach Weißenburg verzichten musste, weil er noch mit einem Journalisten sprechen wollte oder in einer Sitzung war. In Zukunft kann das Paar gemeinsam Zeit verbringen, zur Queichquelle spazieren und sich auf den nächsten Enkel freuen, der sich für Februar angekündigt hat.

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