Rheinpfalz Ich bau dir ein Schloss

Eine edle Pappimmobilie
Eine edle Pappimmobilie

Stolz und erhaben stand es in diesen Spätsommertagen da: ein Traum in Rosa, Schlumpfblau und Gold, vor einem Haus in der Reiterstraße in Landau. Das Modell eines Schlosses. Daran ein Schild: „Zu vermieten – nur an Studenten.“ Was es damit auf sich hat? Wir wissen es leider nicht, können nur Mutmaßungen anstellen. Vielleicht ist es die Vision eines Teams kreativer, aber leider anonymer Architekten, die einen Kontrapunkt setzen wollen zu jenen weißen Flachdachbauten, die derzeit Landaus Baulücken und -gebiete dominieren. In zentraler Lage Landaus stand der alternative Wohntraum überraschend auf dem Gehweg, als wäre eine Lösung für das Problem Wohnungsnot vom Himmel direkt auf die Straße gefallen. Und so könnte das passende Inserat zum Bauwerk lauten: Landau, 16 Zimmer, Küche, Bad, zentrale Lage, gern an 16er-WG, Erstbezug. Träumen wird man ja noch dürfen. Egal ob Prinz von Bel Air, Hui Buh oder Barbie: Die Chance auf ein Schloss ist klein, aber Frank-Walter Steinmeier hat ja auch eines gefunden. Die Wohn- beziehungsweise Nicht-Wohn-Situation vieler Neu-Studierender kann in Landau prekär sein, besonders zum Wintersemester, wenn mehr Studiengänge als im Sommer beginnen. Mit der Kampagne „Kopf braucht Dach“ appellieren Studierendenwerke an die Politik, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Da lässt man sich schon mal zu Tagträumereien, ja Luftschlössern hinreißen – und offenbar auch zu Pappmachéschlössern. Denn der Alltag lehrt: Mieter werden kann ganz schön schwer sein. Von fiesen bis hin zu netten Vermietern ist alles drin. Definitiv am schwierigsten sind jedoch gar keine Vermieter. Viele wünschen sich dann sehnlichst, hinter Schloss und Riegel zu kommen, anderen werden überteuerte Besenkammern angeboten und sie fragen sich: „Lebst du noch oder wohnst du schon?“. Die Hürden sind hoch. Inserenten wünschen sich Pendler ohne eigenen Besitz, die am Wochenende möglichst immer nach Hause fahren, statt sich in ihrem angemieteten, voll möblierten Zimmer aufzuhalten. Wohngemeinschaften veranstalten „Castings“ mit Dutzenden Bewerbern. Wer dabei auf der Strecke bleibt, muss sich mit Feldbetten oder Couchsurfing bei Freunden über die Runden während der ersten Studienzeit retten. Doch selbst wenn endlich die erste studentische Bleibe gefunden ist, wacht man auf und realisiert: Schloss mit lustig – Du musst dein Geschirr selbst abwaschen. Eine ganze Generation singt mit Paul Kalkbrenner „And we build up castles in the sky and in the sand“. „And in the Reiterstraße“, ist man geneigt zu sagen. Und was hatte Ed Sheeran wohl vor seinem geistigen blauen Auge, als er die Refrain-Zeile schrieb „When we watched the sunset over the castle on the hill“? Es muss die feudale Residenz aus Pappe und Plakafarbe gewesen sein, wie sie im Sonnenuntergang in der Reiterstraße glänzte. In der Regel läuft es bei Studierenden allerdings eher auf die WG raus. Macht aber nichts. Schließlich geht es in den Elfenbeinturm der Wissenschaft, wer braucht da noch private Türmchen? Man kann Orchideenfächer studieren, das macht Fensterbankpflanzen überflüssig. Und überhaupt: Der Trend geht zum Tiny-Haus, der winzigen Unterkunft. Vielleicht steht eines Tages ja auch dafür mal ein Modell in der Landauer Reiterstraße ...

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