Interview: Kerstin Bachtler in Pirmasens, Neustadt, Zweibrücken und Dudenhofen "Ich will keinen Starkult um mich"

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Ihr Gesicht ist aus dem Fernsehen bekannt, ihre Stimme vertraut aus dem Radio: Kerstin Bachtler ist als Moderatorin von SWR-Sendungen wie „Sonntags-Tour“ oder „Stadt-Land-Kreis“ vielen ein Begriff. Im heimischen Neustadt heckt die 48-Jährige aber auch einiges aus, womit sie sich als Kulturschaffende einen Namen macht. Theaterstücke etwa - gleich zwei neue hat sie aktuell auf dem Zettel: ein Dada-Projekt, das am 23. April, 20 Uhr, im Carolinensaal in Pirmasens gezeigt wird (weitere Aufführung: So 14.8., 19 Uhr, Neustadt, Loblocher Hof, Reservierungen: 0174 3002854), und ein neues Stück für das Neustadter Theater Min Ko. Außerdem ist sie mit ihrem Projekt Texttaxi auf der Bühne mit den Stücken „Pfälzer Helden (Sa 7.5., 18 Uhr, Zweibrücken, Fr 20.5. 19.30 Uhr, Dudenhofen) und „Madame, ich liebe Sie!“, einem Schlagabtausch aus Gedichten von Heinrich Heine und Mascha Kaléko (So 29.5., 17 Uhr, Neustadt, Alte Winzinger Kirche). Über die Erfüllung, die ihr die Kulturarbeit schenkt, aber auch über die Angst, aus Zeitmangel eine Rabenmutter zu sein, hat sie mit LEO-Redakteurin Gisela Huwig gesprochen.

Sie haben Literaturwissenschaften studiert, dabei den Schwerpunkt aufs Mittelalter, englische Literatur und Kunstgeschichte gelegt. Wie kommt man denn damit zum Radio und zum Fernsehen?

Ja, ich habe mich immer gerne mit diesem alten Kram beschäftigt. Und ich wollte eigentlich auch nie Journalistin werden, das war mir zu flach. Mittlerweile sehe ich das ganz anders. Aber damals wollte ich lieber zu einem Verlag und von Zeit zu Zeit mal ein Fachbuch schreiben. Ich war da in einem völligen Elfenbeinturm. Dann hat Klaus Rothenbücher mich entdeckt, als ich mit ihm zusammen Theater spielte. Er war ein ausgebildeter Radiosprecher mit einer begnadeten Stimme. Er klang wirklich wie Elmar Gunsch, und ich habe ihn sehr bewundert. Er suchte Leute mit einer schönen Stimme, die pfälzisch reden können, für eine hochwertige Kultursendung auf SWR2. Bruno Hain hatte das „Hohelied Salomos“ aus der Bibel ins Pfälzische übersetzt, und Rothenbücher wollte diesen erotischen Text ins Radio bringen. Dafür gab es ein anonymes Stimmencasting, bei dem ich für die Rolle der Braut ausgewählt wurde. Alle haben mir gesagt, dass ich eine Radiostimme hätte. Und ab da verdiente ich während des Studiums Geld als künstlerische Sprecherin bei Hörspielaufnahmen. Nach meinem Studium 1995 gingen gerade viele Verlage pleite und mir war klar, dass ich in der Branche keinen Job kriege. Im Radio war ich ja schon mit einem Bein drin. Ich wollte dann auch die Redaktionsseite kennenlernen und hospitierte dort. Nach drei Wochen war ich feste freie Mitarbeiterin und durfte dann auch ganz schnell schon moderieren. Weil ich gerne mit Menschen zu tun habe, passte das für mich prima. Von da war der Weg ins Fernsehen nicht mehr weit. Aber mein Fachwissen ist nicht verloren. Ich bekomme ja viele Aufträge von Kulturredaktionen und da sind oft Theater- und Literaturthemen dabei. Außerdem beschert es mir interessante Momente. So habe ich mich mit Ben Becker zehn Minuten lang über Rilke unterhalten, unseren Lieblings-Poeten. Ich habe mittlerweile einen reichen Wissensschatz, auf den ich vertrauen kann. Ich muss mir natürlich auch mal was anlesen, aber die Mechanismen sind immer noch da. Das macht mir einfach Spaß. Ich weiß dann: Es war nicht alles umsonst. Das ist eine tolle Mischung. Kann das denn jeder schaffen? Kann man den Moderatoren-Job lernen? Ja, man kann viel lernen. Ich habe ein SWR-Volontariat gemacht, also eine spezielle Ausbildung für Redakteure, und dabei wurde ich zu vielen verschiedenen Redaktionen geschickt. Ich war zum Beispiel auch beim Bayerischen Rundfunk und beim Auslandskorrespondenten in London. Mit 32 wurde ich festangestellt und war dann acht Jahre lang stellvertretende Studioleiterin in Kaiserslautern. Und ich lerne noch immer. Zum Beispiel mache ich auch heute noch gerne Sprecherziehung. Aber ich habe natürlich für den Job schon ganz viel mitgebracht. Da hat die Schauspielerei sehr viel geholfen. Ich spiele seit 1988 Theater. Wer den Job ergreifen will, darf nicht vergessen, dass es nicht ganz einfach ist, sich selbst im Fernsehen sehen zu müssen. Es ist ja schon schwer, seine eigene Stimme auf Band zu hören. Da muss man dann durch und lernen, sich selbst anzunehmen. Umgekehrt gibt einem das aber wieder Selbstbewusstsein. Die Arbeit beim Fernsehen und beim Radio hat zum Beispiel meine Bühnenpräsenz beim Theaterspielen weiter gefördert. Kulturarbeit und Job ergänzen und verzahnen sich also sehr gut. Haben Sie denn noch Angst vor Auftritten oder Lampenfieber? Ganz, ganz selten. Im Rahmen meiner Ausbildung habe ich gelernt, eine gesunde Eitelkeit zu entwickeln und es zu genießen, genau in dem Moment, wo alle hinschauen, die perfekte Rampensau zu sein. Es gibt tatsächlich Dozenten, die einem genau so etwas beibringen, und man muss auch lange üben, bis es selbstverständlich wird. Nachher kann man wieder sein, wie man will. Ich bin ja sonst eher schüchtern. Aber auf diese Weise habe ich gelernt, kein Lampenfieber mehr zu haben. Das hat mich vor Auftritten oder Live-Drehs ruhig und gelassen werden lassen. Viele wundern sich darüber, wie ich da so ruhig bleiben kann. Aber ich sage mir eben, was kann schon passieren. Mir wird schon was einfallen. Und das hilft. Zurück zur Kulturarbeit: Sie haben viele Theaterprojekte am Laufen. Ein sehr erfolgreiches ist zum Beispiel das Stück „Pfälzer Helden“ mit ihrem Schauspieler-Kollegen Bodo Redner aus Kirrweiler. Es entstand in Zusammenarbeit mit Spitz und Stumpf? Ja, bei dem Stück hat Bernhard Weller Regie geführt. Wir kennen uns gut. Bodo Redner und ich haben das Texttaxi vor etwa einem Jahr erfunden, und es läuft von Anfang an sehr erfolgreich. Dann habe ich zusammen mit einem Radiokollegen das Buch „111 Gründe, die Pfalz zu lieben“ geschrieben und Bodo hatte die Idee, daraus die Pfalz-Revue „Pfälzer Helden“ zu machen. Wir sind selbst überrascht, wie begeistert das Publikum immer wieder ist, wenn wir es spielen. Mir ist bei diesen gemeinsamen Projekten eine freundschaftliche Basis sehr wichtig. Und das ist bei unserem Duo Texttaxi der Fall. Wir halten es beide gut zusammen aus, obwohl ich glaube, dass es nicht so einfach ist mit mir auf der Bühne. Wenn ich Rotlicht sehe, fange ich an zu reden und höre nicht mehr auf. Das habe ich vom Radio. Dort musste ich das lernen, dass keine akustische Pause entstehen darf. Meine Familie wundert sich immer über den Redeschwall auf der Bühne. Sie sagen, Sie haben zu Ihren kulturellen Mitstreitern ein freundschaftliches Verhältnis. Und da gibt es ja nun einige. Auch das Ensemble des Neustadter Theaters Min Ko gehört dazu. Haben Sie ein besonderes Talent, Kräfte zu bündeln oder gibt es in der Pfälzer Kleinkunstszene kein Konkurrenzdenken? Leider doch. Es gibt viel Neid. Das finde ich sehr traurig. Mir ist das fremd. Natürlich habe ich mir vieles erarbeiten müssen, aber ich habe auch vieles geschenkt bekommen im Leben, und dafür bin ich sehr dankbar. Ich kann mich aber auch mit anderen freuen, wenn sie Erfolg haben. Und ich freue mich, wenn ich Leute finde, die mit mir an einem Strang ziehen. Umgekehrt ist es offenbar leider nicht immer so. Ich weiß ja, dass ich nur zum Fernsehen gekommen bin, weil ich nicht wie erhofft bei einem Verlag untergekommen bin. Deshalb ist das Fernsehen für mich gar nichts Besonderes. Aber man ist schon sehr öffentlich, wenn man im Fernsehen zu sehen ist. Da trifft man viele Leute und erfährt viele Reaktionen. Die da zum Beispiel wären? Ich habe zum Beispiel einige Heiratsanträge bekommen. Ein andermal kam in einer Weinstube eine Frau auf mich zu und hat gerufen: „Sie sind doch die aus dem Fernsehen mit diesen lockigen Haaren“ und hat mir den Kopf gewuschelt. Die hat mich angefasst! Das mag ich dann wirklich nicht. Es liegt aber wohl daran, dass ich im Fernsehen immer alle anlächele, und die Leute denken, ich mache das nur für Sie. Das sollen sie ja auch. Aber natürlich habe ich auch ein Privatleben. Mit mir kann man deshalb wirklich nicht weggehen. Mich erkennen so viele Leute und sprechen mich an. Wenn man Sie im Internet googelt, erfährt man zwar viel über Ihre Arbeit und Ihre Kulturprojekte, aber doch wenig über Sie privat. Obwohl Sie so prominent sind, gibt es zum Beispiel keine Biografie von Ihnen auf Wikipedia. Sind Sie da wegen solcher Erfahrungen so zurückhaltend? Ja, das hängt auch damit zusammen. Die Leute glauben, mich gut zu kennen, aber sie kennen mich ja gar nicht. Das möchte ich auch nicht. Außerdem will ich keinen Starkult um mich haben. Starkult passt ja auch nicht so recht zur Pfälzer Heimat, finde ich. Und bei Ihren Projekten und Ihrer Arbeit dreht sich doch nahezu alles um die Pfalz. Worin wurzelt denn diese Heimatverbundenheit? Ich bin sozusagen „bilingual“ aufgewachsen. Mein Vater stammt aus Niedersachsen. Er und meine geliebte Großmutter sprachen nur Hochdeutsch, während alle anderen pfälzisch mit mir geredet haben. Ich war also schon als Kind immer gezwungen, die Unterschiede, die Ausdrucksweise des Pfälzischen im Vergleich zum Hochdeutschen zu reflektieren. Bald stellte ich fest, dass da ein schönes Erbe verloren zu gehen droht. Es gibt natürlich auch dieses Derbe in der Pfalz, diese Weck, Worscht und Woi-Mentalität. Das gehört dazu, bringt Offenheit und eine gewisse Willkommenskultur, und ich trinke gern mal zusammen mit anderen einen Schoppen. Aber die Pfalz ist viel mehr als das. Ich komme durch meinen Beruf in ganz Rheinland-Pfalz rum. Je länger ich aber diesen Job mache, umso lieber komme ich immer wieder zurück in die Pfalz. Ich weiß, das ist meine Heimat. Hier bin ich verwurzelt. Dadaismus wurzelt ja auch in der Pfalz. Aktuell arbeiten Sie an einem Dada-Projekt. Was hat es denn damit auf sich? Das Stück haben wir zunächst mal speziell für die Aufführung in Pirmasens gemacht. Es geht um Dadaismus, aber es gibt auch viele pfälzische Elemente in dem Stück, Dada von Pfälzer Autoren und anderen. Besonders freut mich, dass der Kabarettist Friedhelm Kändler, dessen schräge Sachen ich seit langem mag, und Thomas Plöger vom Plöger-Verlag aus Annweiler uns erlauben, ihre Texte zu verwenden. Der Kontakt mit den beiden war sehr nett, es ist schön zu spüren, dass Autoren und Kulturmachern von heute unser Programm gefällt und sie es unterstützen. Pirmasens ist ja die Hugo-Ball-Stadt und hat zum Jubiläum in diesem Jahr einen ganzen Veranstaltungsreigen geplant. Die Stadt ist schon unser zweites Zuhause, wir sind dort mit den Texttaxi-Sachen sehr erfolgreich und haben viele Fans. Uns hat es sehr gefreut und geehrt, dass wir gefragt worden sind, ob wir für das Dada-Jahr etwas machen. Das war zwar für uns auch eine große Herausforderung, aber ich denke, es wird ein toller Abend. Wir haben uns mit der Multiinstrumentalistin und Sängerin Claudia Albrecht aus Gimmeldingen noch eine Musikerin ins Boot genommen. Und wir moderieren den Abend auf witzige Art. So wird das Ganze viel lockerer, als manche befürchten, wenn sie Dada hören. Ist Dadaismus nicht ein sehr schwieriger Stoff? Ja, es ist schon ein schwieriger Stoff. Man muss den inneren Schweinehund überwinden und bereit sein, sich ein bisschen zum Affen zu machen. Aber wenn man das zulässt und die Texte spielt, laut vorführt, erfährt man viel mehr darüber als beim reinen Lesen. Und vor allem sind sie sehr lustig. Dabei hilft Ihnen das Literaturwissenschaftsstudium aber auch wieder enorm, oder? Ja. Früher hätte ich alle meine Ideen zum Dadaismus aufgeschrieben, jetzt erzähle ich darüber auf der Bühne, aus der Theorie ist ganz lebendige Praxis geworden. Ich habe diese Dinge ja mit Leidenschaft studiert. Die Stücke zu schreiben, kostet natürlich Zeit, aber es macht mir sehr viel Spaß. Und ich spüre, das Publikum ist dankbar dafür. Es gibt da diesen Flow mit dem Publikum, diese enge Verbundenheit. Das bereichert mein Leben sehr. Ich bin ja jetzt auch fast 50. Jetzt ist die Erntezeit. Außerdem haben Sie in diesem Jahr noch das Stück zum 30-jährigen Bestehen des Neustadter Min-Ko-Theaters. Wie sind Sie denn dazu gekommen? Das Theater stellt sich gerade neu auf und sucht neue Mitglieder. Und da wurde ich von einem Ensemble-Mitglied gefragt, ob ich mitmachen möchte. Eigentlich habe ich ja keine Zeit dafür, aber es hat mich doch sehr gereizt. Ein Stück hatte ich zudem schon im Kopf. Ich kenne die kleine Truppe, ich weiß, was die wollen. Da habe ich zugesagt, es zu machen. Und verraten Sie uns schon, worum es in dem Stück gehen wird? Es geht um Beziehungen und böse Gespräche. Das fängt ganz harmlos an, eskaliert dann aber. Das Witzige ist, dass sich wirklich jeder darin wiederfinden kann. Sie haben wirklich viel am Laufen und, wie Sie selbst schon gesagt haben, wenig Zeit. Aber Sie haben ja auch noch zwei Kinder. Fühlen Sie sich da nicht manchmal der Zeitnot geschuldet als Rabenmutter? Meine Kinder sind jetzt sechs und neun Jahre alt. Und ehrlich gesagt fühle ich mich schon manchmal als Rabenmutter. Ich würde es aber auch nicht anders wollen. Meine Kinder erden mich auf eine gewisse Art und Weise. Und dann ist es auch so schön, jetzt, wo sie ein bisschen größer werden, zu sehen, wie positiv sie auf mein Leben reagieren und wie sehr sie sich für meine Projekte interessieren. Ich habe das Gefühl, sie sind auch ein bisschen stolz auf mich, das ist natürlich toll. Bei uns finden zum Beispiel viele Theaterproben statt. Und das ist für meine Kinder immer sehr spannend. Mehr Zeit wäre schon gut, aber es klappt immer irgendwie, auch wenn ich oft genug einen Babysitter brauche. Es gibt in meinem Leben schon viele Herausforderungen. Aber sie alle haben mich stärker gemacht. Ich bin heute so authentisch wie nie zuvor. Das gefällt mir. 

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