Rheinpfalz „Jede Arztpraxis ist gewinnorientiert“

Dem Ärztemangel in der Region, der in einigen Gebieten schon deutlich spürbar ist, sich nach den aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bis 2023 verschärfen wird, wollen der Landkreis Südwestpfalz sowie die Städte Pirmasens und Zweibrücken gemeinsam entgegentreten.

Wie berichtet, haben die drei Gebietskörperschaften ein gemeinsames, sechs Monate laufendes Projekt mit dem Kaiserslauterer Unternehmen Medi Südwest GmbH initiiert. 15.000 Euro kostet den Kreis dieses Projekt, das am Montag im Kreistag kontrovers diskutiert wurde. Axel Motzenbäcker, Geschäftsführer der Managementgesellschaft Medi Südwest, die die Interessen von 600 Ärzten vertritt, stellte das Projekt vor. Aktuell gebe es in der Region 138 Einzelpraxen, fünf medizinische Versorgungszentren, 35 örtliche Beraufsausübungsgemeinschaften (BAG), sieben überörtliche BAGs und 16 Zweigpraxen. Er verwies auf Zahlen der KV, die davon ausgeht, dass bis 2023 77 Hausärzte, 76 Fachärzte sowie 21 Psychotherapeuten in der Region in Ruhestand gehen. Das sei ein statistischer Wert und das Szenario des schlimmsten Falls. Der soll mit Hilfe des Projekts abgewendet werden. Ziel sei es, alle Ärzte in der Region anzusprechen und sie im Idealfall an einen Tisch zu bekommen. Das sei im Dahner Tal bereits gelungen, sagte Landrätin Susanne Ganster (CDU). Bei diesem Treffen sei bekannt geworden, dass zwei Ärzte aufhören wollen. Das bedeute, dass dann 1500 Patienten keinen Hausarzt mehr hätten. Die verbleibenden Ärzte im Dahner Tal hätten signalisiert, dass sie keine weiteren Patienten annehmen könnten. Das sei ein Beispiel von vielen, weshalb Handlungsbedarf gesehen werde, unterstrich die Landrätin. Motzenbäcker erläuterte, dass es neben ersten Treffen und Gesprächen auch eine Umfrage unter den Ärzten gegeben habe. „Wir wollten ein Stimmungsbild haben“, sagte er. 200 Ärzte hätten sich beteiligt, viele hätten signalisiert, dass sie übers Aufhören in den nächsten Jahren nachdenken. Etwa dreiviertel der Befragten hätten erklärt, dass sie noch keinen Praxisnachfolger haben. Die Ärzte ohne Praxisnachfolger seien die Hauptzielgruppe des Projektes, unterstrich Motzenbäcker. Es gehe darum, die vorhandenen Ärzte in der Versorgung zu halten, indem man ihnen zum Beispiel sage, dass sie in größeren Einheiten als angestellte Ärzte arbeiten könnten. Das bedeute aber nicht, so die Landrätin, dass die Kommunen die Ärztezentren betreiben. Das sei ausgeschlossen. Zweites Hauptthema des Projekts sei es, junge Ärzte für die Region zu gewinnen, sagte Motzenbäcker. Da sei die Politik gefragt. Wohnraum und attraktive Jobs für die Lebenspartner der Ärzte seien hierfür wichtig. Alle Ärzte in der Region würden direkt angesprochen, sagte Motzenbäcker. Auch um Denkprozesse bei den Ärzten bezüglich kooperativer Praxen anzustoßen. Die Fehler, die zu den jetzt vorhandenen Problemen geführt haben, seien vor 20 Jahren gemacht worden. Motzenbäcker gestand ein, „dass wir diese Fehler nicht so schnell korrigieren können“. Fred Konrad (Grüne), selbst Arzt, resümierte, dass Gute an dem Projekt sei, dass die Ärzte direkt angesprochen werden sollen. Aber ansonsten sei vieles doch sehr nebulös. Bei der Einrichtung von Zentren stelle sich die Frage, wie weit die Wege für die Patienten zu den Zentren seien, wie letztlich die Versorgung in der Fläche aussehe, wie Fläche definiert sei. Für Konrad ist klar, dass es ohne Einkommensvorteile im ländlichen Raum nicht gelingen wird, junge Ärzte hierher zu bekommen. „Ohne Einkommensvorteile werden sie in die Ballungsräume gehen“, sagte er. Kritisch sieht auch Heidi Ziehl (SPD) den Projektansatz. „Worin unterscheiden Sie sich in der Beratung von der KV?“, fragte sie. Die KV habe ja alle Zahlen zu den Ärzten, betreue sie engmaschig und habe die Strukturdaten vor Ort. Ärztezentren seien nicht unumstritten, weil auch sie eine Zentralisierung bedeuten. Die Fläche bleibe in der Tiefe unversorgt. Gegründet würden diese zentralen Einrichtungen, um Gewinne zu erzielen. Ziel müsse eine flächendeckende Versorgung sein, nicht wie bei den Gemeinschaftsmodellen eine Zentralisierung. „Diese Zentralisierung haben wir ja schon“, verwies die Landrätin auf das Beispiel Dahner Felsenland. Dort werde es in absehbarer Zeit nur noch eine Gemeinschaftspraxis geben: in Dahn. Um dem entgegenzuwirken, versuche man, an einem zweiten Standort in der Verbandsgemeinde eine weitere Gemeinschaftspraxis zu installieren. Zur von Ziehl angesprochenen Gewinnorientierung von medizinischen Versorgungszentren, entgegnete Motzenbäcker: „Jede Arztpraxis ist gewinnorientiert.“ Wenn man das nicht wolle, dann müsse eine Gemeinde eine Arztpraxis betreiben. Er bestätigte, dass es die von Ziehl angesprochenen Leistungen und Möglichkeiten der KV zwar gebe. „Das Problem ist, wenn die Ärzte nicht zur KV-Beratung gehen und die Praxis einfach zuschließen, dann sind sie verloren“, sagte Motzenbäcker. Einen Nachfolger werde ein Arzt bei der KV nicht finden. Überrascht von der langen Diskussion zeigte sich Reiner Hohn (FDP). Alles was diskutiert wurde, sei „im Prinzip der zweite, dritte, vierte Schritt“, sagte er. Es brauche doch jetzt erst einmal Erkenntnisse, die das Projekt liefern soll.

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