Rheinpfalz Mehr Freiheit für Leukämiepatienten

Strahlende Gesichter bei der Eröffnung, die Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz ( vierter von rechts) vornahm. Links Klinik-D
Strahlende Gesichter bei der Eröffnung, die Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz ( vierter von rechts) vornahm. Links Klinik-Direktor Frederik Wenz, Stationsleiter Stefan Klein und Chefarzt Wolf-Karsten Hofmann.

«MANNHEIM.» Die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) hat einen neuen zweistöckigen Gebäudeteil eröffnet, in dem ab August jährlich etwa 60 Blutkrebspatienten blutbildende Stammzellen transplantiert werden. Das sind doppelt so viele Patienten wie bisher.

Blaue Möwensilhouetten an der Wand gehören neben einem schönen Neckarblick zu den wenigen farblichen Akzenten, die die sterile Atmosphäre der neuen Stammzellen-Transplantationseinheit im Mannheimer Uni-Klinikum sympathisch durchbrechen. Ansonsten erscheint der rund acht Millionen Euro teure Neubau absolut steril. Das muss so sein und ist lebensnotwendig. Die Mannheimer Universitätsmedizin nennt nun eine der weltweit modernsten Transplantationseinheiten ihr Eigen. „Mit der neuen Station und der angeschlossenen Ambulanz profitieren jetzt noch mehr Menschen aus Mannheim, der Metropolregion und weit darüber hinaus von der speziellen Expertise und der lebensrettenden Behandlung“, zeigte sich Mannheims Oberbürgermeister und UMM-Aufsichtsratsvorsitzender Peter Kurz überzeugt. Im UMM werden nicht nur Patienten aus ganz Deutschland, sondern auch aus dem benachbarten Ausland Blutzellen transplantiert. Zwei Stockwerke mit jeweils rund 900 Quadratmetern Bruttogeschossfläche bilden das neue Stammzellen-Transplantationszentrum. Für den Neubau mit Kosten von 7,6 Millionen Euro, von denen 4,8 Millionen Euro das Land übernommen hat, wurde das Haus 9 aufgestockt. Dadurch sind unter anderem acht weitere Einzelzimmer mit jeweils eigenem Sanitärbereich entstanden. In der neuen Einheit sind vier Ärzte, 17 Pflegekräfte, Physiotherapeutinnen, eine Psychoonkologin und mehrere Service- und Reinigungskräfte tätig. Von einer Million Menschen benötigen jedes Jahr rund 30 Patienten eine allogene Transplantation. Dabei handele es sich um ein besonders aufwändiges Verfahren, das höchste Sorgfalt und Kenntnisse erfordere, betonte Professor Dr. Wolf-Karsten Hofmann, der Chefarzt der dritten Medizinischen Klinik. „Gerade die allogene Stammzellen-Transplantation ist das intensivste und komplexeste Verfahren der Medizin“, sagte er. Von allogen spricht man dann, wenn die Stammzellen von fremden Spendern und nicht von Familienmitgliedern oder vom eigenen Körper stammen. Und daher sei die neue Einheit gerade in der Universitätsmedizin, wo ständig geforscht werde, genau richtig platziert, so Professor Hofmann. „Es ist eine Station, die Maßstäbe setzt“, sagte der Leiter der Stammzellen-Transplantation an der UMM, Dr. Stefan Klein. Er erklärte, dass das Immunsystem der Patienten nach der Behandlung quasi auf Null stehe. „Und deshalb ist es so wichtig, sie vor jeglichen Krankheitserregern zu schützen.“ Es mussten neue Lösungen her. Zum Beispiel erhielt die Mannheimer Station einen neuartig entwickelten Duschablauf, der verhindert, dass Patienten mit Keimen aus dem Abwasser in Kontakt kommen. In der Station herrscht zudem ein ständiger, kaum messbarer Überdruck, damit keine Erreger von außen eindringen können. Die Luft selbst wird über ein Hochleistungs-Filtersystem gereinigt. Sämtliche Mitarbeiter erhielten intensive Vorbereitungen und Schulungen auf die besonderen Anforderungen ihres neuen Arbeitsplatzes. Die Station selbst kann nur über ein Schleusensystem betreten werden. Auch an wichtige „Kleinigkeiten“ wurde gedacht. Die Syphons der Waschbecken beispielsweise, wo sich üblicherweise Bakterien und Keime tummeln, werden bei Bedarf einzeln ausgetauscht, was recht kostspielig ist. „Schon der Syphon-Austausch und das Reinigen des Duschwasserabflusses auf den Patientenzimmern kosten circa 400 Euro“, sagte Klein. Doch gerade das Abwasser sei ein großes Problem, so Klein mit Blick auf eine Re-Infizierung oder die Bildung multiresistenter Keime. Die Patienten selbst gewinnen mit dem Neubau mehr Freiheit. War es – und ist es auch heute an anderen Orten noch – üblich, dass sie sich nach der Transplantation bis zu sechs Wochen ausschließlich in ihrem Zimmer aufhalten durften, können sie sich in der nach außen abgeschirmten neuen Station nun deutlich freier bewegen. Denn auch das Wohlbefinden ist ein wichtiger Aspekt einer erfolgreichen Heilung. Die heutzutage schon guten Überlebenschancen der Leukämiepatienten dürften mit der neuen Station weiterhin steigen. Auch nach der Stammzellen-Transplantation mit stationärem Aufenthalt werden sie lebenslang engmaschig betreut, erklärte Stefan Klein. Dafür steht einen Stock unter der Station nun eine moderne Ambulanz zur Verfügung. „Nach der Akutphase entspricht das Immunsystem eines erwachsenen Stammzellen-Empfängers dem eines zu früh geborenen Säuglings“, verdeutlichte der Stationsleiter die Schwächung des Organismus durch die Behandlung. Deshalb begleite man die Patienten mit regelmäßigen Nachsorgeterminen auf dem weiteren Weg bis zu ihrer Heilung.

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