Rheinpfalz Mehr jugendliche Flüchtlinge

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(kad/bgi/rdz). Seit Sonntag muss das Land gewappnet sein, deutlich mehr minderjährige Flüchtlinge, die ohne Begleitung der Eltern ankommen, aufzunehmen. Zur Entlastung von Bayern, Hamburg oder auch dem Saarland werden die Kinder und Jugendlichen nun auch bundesweit verteilt. Das Land setzt auf einige wenige Schwerpunktjugendämter. Kusel fühlt sich gewappnet, Kaiserslautern stellt Bedingungen.

MAINZ/KUSEL/KAISERSLAUTERN Bei der neu geschaffenen Landesstelle für die Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen herrschte gestern am ersten Tag nach Inkrafttreten des Gesetzes noch kein Regelbetrieb, sagte die zuständige Referatsleiterin Sandra Menk auf Anfrage. Die 41 Jugendämter im Land hätten dem Bund die Anzahl der unbegleiteten Minderjährigen gemeldet, erst heute ist mit einer Rückmeldung des Bundes zu rechnen. Dass Rheinland-Pfalz vorwiegend aus dem Saarland und aus Hessen zusätzliche Jugendliche aufnehmen wird, wissen die Verantwortlichen schon länger. Die von der Landesregierung zunächst geplanten fünf Schwerpunktjugendämter, darunter auch Trier und der Landkreis Mainz-Bingen werden laut Menk nicht ausreichen. Wie das neue Konzept aussieht, darauf war bis gestern Abend keine Antwort aus dem Integrationsministerium zu erhalten. Nach früheren Angaben rechnet die Landesregierung mit mehr als 900 Jugendlichen in diesem Jahr. Eines der Schwerpunktämter ist beim Jugendamt des Landkreises Kusel angesiedelt. Landrat Winfried Hirschberger (SPD) nannte drei Gründe, warum der Landkreis dem Aufruf des Landes gefolgt ist: „Wir sehen die demografischen Chancen, wenn die jungen Menschen bei uns auf dem Land aufwachsen und hier bleiben; wir haben ein gut aufgestelltes Jugendamt in der Kreisverwaltung und gute Partner.“ Der Landkreis Kusel arbeitet unter anderem mit dem Christlichen Jugenddorf in Wolfstein und den SOS-Kinderdörfern in Eisenberg und Kaiserslautern zusammen, um die Jugendlichen unterzubringen. 24 unbegleitete Minderjährige werden derzeit vom Kuseler Jugendamt betreut – in der Mehrzahl sind sie im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren. Sie sind in kleineren Gruppen dezentral untergebracht. Bis zum Jahresende rechnet Hirschberger mit bis zu 80 Jugendlichen im Landkreis Kusel. In Kaiserslautern kamen in diesem Jahr bis zum 20. Oktober bereits 135 Jugendliche an. Im gesamten Jahr 2014 waren es 109, ein Jahr zuvor nur 47. Das geht aus einem Beschlussvorschlag für den Stadtrat Kaiserslautern hervor. Wegen des Haltepunktes von ICE- und TGV-Zügen, in denen Beamte des Bundesgrenzschutzes kontrollieren, ist Kaiserslautern für viele illegal eingereiste Ausländer und somit auch für Jugendliche ohne gültiges Visum der vorläufige Endpunkt der Flucht. Das Land verhandelt bereits seit Monaten mit Kaiserslautern darüber, ob das Jugendamt des westpfälzischen Oberzentrums die Aufgaben eines Schwerpunktjugendamtes übernimmt. Nach der Vorlage, der der Stadtrat gestern zustimmte, stellt die Stadt Bedingungen. So soll sich die Zuständigkeit ausschließlich auf den Bereich des Landkreises und der Stadt Kaiserslautern beschränken und das auch nur dann, wenn zwischen der Stadt und dem Landkreis eine „tragfähige Vereinbarung“ zustande kommt. Das Land soll die erforderlichen zusätzlichen Personalressourcen „weitgehend kostendeckend“ finanzieren. Über die Finanzierung haben sich die Kommunen und das Land geeinigt, bestätigte Burkhard Müller, Geschäftsführer des Landkreistages. Bereits bisher galt, dass das Land die Kosten der Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung, etwa einem Heim oder einer Wohngruppe trägt. Darin enthalten ist auch die pädagogische Betreuung. Doch auch die Jugendämter benötigen zusätzliches Personal. Pro 200 jugendlicher Flüchtlinge wird mit drei zusätzlichen Stellen für den sozialen Dienst, für die Vormundschaftshilfe und für die wirtschaftliche Jugendhilfe gerechnet. Das Land hat sich laut Müller bereiterklärt, sich in Form von Kostenpauschalen zu beteiligen, und zwar in Höhe von 300 Euro bei Kurzaufenthalten bis zu drei Tagen und 1046 bei einer Verweildauer von bis zu zwei Monaten. Das ursprüngliche Konzept des Landes sah eine Verweildauer der jungen Menschen in der sogenannten Clearingstelle von drei Monaten vor. Bis dahin sollten Herkunft, Alter, Gesundheit und Bildungsstand geklärt sein. Bisher blieben die jungen Menschen, die ohne ihre Eltern oder sonstige Sorgeberechtigte in Deutschland ankamen, in dem Bundesland, das sie als erstes erreicht haben. Nach der UN-Kinderrechtskonvention steht den Kindern und Jugendlichen ein besonderer Schutz zu. Statt in Sammelunterkünften werden sie vom Jugendamt in Obhut genommen. Bayern oder der Stadtstaat Hamburg wurden in den vergangenen Monaten erheblich belastet. Seit Sonntag werden sie wie erwachsene Flüchtlinge nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt.

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