Rheinpfalz Nicht jeder Fehler setzt sich durch

MANNHEIM. Drei Tage lang haben sich Germanisten aus 26 Ländern mit grammatischen Variationen beschäftigt. Zur 52. Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache (IDS) im Rosengarten kamen über 400 Teilnehmer.

Heißt es „im März diesen Jahres“ oder „im März dieses Jahres“? Die zweite Wendung entspricht den Regeln der Grammatik. Aber die erste ist inzwischen ebenfalls sehr gebräuchlich. „Ein einzelner Fehler kann der Beginn eines Sprachwandels sein“, sagte Institutsdirektor Ludwig M. Eichinger, als er eine Bilanz der Tagung zog. Nicht jeder Regelverstoß setzt sich jedoch durch. Den Bedingungen nachzugehen, unter denen dies der Fall ist, gehört zu den Aufgaben der Sprachwissenschaft. Diesmal beschäftigte sich die in Deutschland einzigartige Jahrestagung des IDS, zu der Teilnehmer sogar aus Korea, Japan und China angereist waren, von Dienstag bis Donnerstag mit solchen Variationen in der Grammatik. Jedes Jahr wählt das in Mannheim ansässige Forschungsinstitut aus seinen drei Abteilungen „Grammatik“, „Wortschatz“ und „Sprachgebrauch“ ein Thema aus. Das diesjährige Thema, die Erfassung grammatischer Variationen, sei „eine Herausforderung für Linguisten“, meinte Eichinger. Mehrere Vorträge beschäftigten sich so denn auch mit deren Erfassung mittels Computer, etwa die Sammlung von Bedeutungsnuancen bei den Hilfsverben „können“, „müssen“ und „dürfen“. So kann etwa der Satz: „Wir können das, wenn wir wollen“, sowohl die Fähigkeit wie auch die Erlaubnis, etwas zu tun, meinen. Das Alter des Sprechers, die Region, ob es sich ferner um Umgangssprache oder um Hochsprache in einer schriftlichen Äußerung und hier wieder die Frage, ob es sich um einen Zeitungsartikel, Brief oder eine wissenschaftliche Abhandlung handelt – alle diese außersprachlichen Faktoren haben einen Einfluss darauf, welche Variante bevorzugt wird. Auch die Hirnforschung und die Altersforschung spielten in die Tagung hinein. Denn je älter der Sprecher ist, desto mehr Wörter stehen ihm zur Verfügung, und selbst die Vor- und Nachnamen haben seit der Mitte des 19. Jahrhunderts erheblich zugenommen. So wurden etwa Untersuchungen zur Sprachverarbeitung mittels Elektroenzephalogramm (EEG) vorgestellt. Angelika Wöllstein selbst, die Leiterin der IDS-Abteilung Grammatik und Organisatorin des Kongresses, stellte Forschungsergebnisse zu Varianten im Satzbau vor. Sie stellte fest, dass der im Lateinischen sehr gebräuchliche, im Deutschen dagegen nur gelegentlich vorkommende Akkusativ mit Infinitiv (AcI) – Beispiel: „Ich sehe dich kommen“ mit der Alternative „Ich sehe, dass du kommst“ – fast nur noch in literarischen Texten gebräuchlich ist und daher möglicherweise bald völlig aus dem Sprachgebrauch verschwunden sein wird. Es gebe in der Grammatik nicht allzu viele Varianten, sagte Eichinger. Und Marek Konopka aus der IDS-Abteilung Grammatik brachte ein Ergebnis der Tagung auf den Punkt: Auch die freien grammatischen Varianten würden Regeln folgen, sagte er. Nur seien diese Regeln eben noch nicht bekannt. Das Tagungsthema für das kommende Jahr steht schon fest. Im März werden sich die Linguisten in erster Linie mit Wortschatzentwicklung und -wandel beschäftigen. (huf)

x