Rheinpfalz Pop-Oratorium Luther sprengt in Mannheim alle Erwartungen

Grandioses Erlebnis für alle Chormitglieder aus der Pfalz.

Furios. Grandios. Überwältigend. Ganz großes Kino! Besser lässt sich nicht beschreiben, wie sich Chor, Ensemble und Orchester fühlten, als sie am Samstagabend nach einem achtstündigen Probe- und Auftrittsmarathon aus der Mannheimer SAP Arena taumelten. Das Luther Pop-Oratorium sprengte in der ausverkauften Halle alle Erwartungen. Und wir waren dabei: 39 Sängerinnen und Sänger des Mußbacher Gospelchors Christcendo und des protestantischen Kirchenchors. Über 10.000 Menschen waren gekommen, um sich das von Dieter Falk komponierte Musical über den Wittenberger Reformator Martin Luther anzuhören. Soll noch einmal jemand behaupten, mit Themen wie der Reformation könne man niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Solche Massen holen sonst nur Herbert Grönemeyer oder Die Fantastischen Vier in die SAP Arena. Komponist Falk und Librettist Michael Kunze sind ein eingespieltes Team – kombinieren mitreißende Musik mit erstklassigen Songtexten, die an Aktualität nichts eingebüßt haben. Das Ganze perfekt umgesetzt von professionellen Musical-Darstellern mit herausragenden Stimmen. Begleitet vom jungen Orchester NRW und einer ausgezeichneten Studio-Band. Dazu eine beeindruckende Choreographie mit etwas Glamour und einem fantastischen Mix aus protestantisch schlichter Performance und viel katholischem Schall und Rauch. Vier Lastwagen waren erforderlich, um die Technik und Beleuchtung nach Mannheim zu schaffen. 2178 Laiensänger aus der ganzen Region hatten sich für den Megachor angemeldet. Letztlich sollen es sogar 2300 gewesen sein. Zehn Prozent werden am Samstag wohl ausgefallen sein. Vom Gospelchor New Directions konnte nur Chorleiter Lukas Klamm teilnehmen. Seine Mitstreiter aus dem Neustadter Ortsteil Königsbach lagen alle krank darnieder. Klamm trug es mit Fassung, schmetterte die Chorpassagen dennoch ausgelassen mit. Allein unter Tausenden. „Das war der Hammer!“, sagt Beate Noack vom Gospelchor Christcendo, als die Show überstanden ist. Und sie spricht damit allen aus dem Herzen. Die Sopranistinnen sind wie durchs Wasser gezogen. Sie standen ganz oben, fast unter der Hallendecke – in der dicken heißen Luft. Besser erging es den Bässen und Tenören. Sie waren im Block oberhalb des Orchesters platziert – mit gutem Blick auf die beiden Chordirigenten Maurice Croissant und Achim Plagge. Dass es sich gelohnt hat, mitzumachen, darin sind sich am Ende alle aus dem Neustadter Weindorf Mußbach einig. Auch Chorleiter Jochen Bähr strahlt. Als er Anfang 2016 vorschlägt, sich an dem riesigen Chorprojekt zu beteiligen, gehen die Meinungen auseinander. Viele sind unsicher, ob so eine Massenveranstaltung den Aufwand wert ist. Inzwischen ist klar, dass solche Profi-Geschichten ungeahnte Energien freisetzen. Die Chorleiter müssen sich eigens schulen lassen, damit sie wissen, was auf sie zukommt. Fünf Luther-Proben organisiert Bähr im Gemeindehaus, damit die Chorpassagen bis zur Hauptprobe halbwegs sitzen. Dabei verteilt er auf die Stimmlagen zugeschnittene CD’s, so dass auch daheim geübt werden kann. Dem vierjährigen Max gefallen die fetzigen Rock- und Popklänge so gut, dass er unterwegs im Auto nichts anderes mehr hören will. Seine kindliche Begeisterung lässt zu diesem Zeitpunkt schon hoffen, dass sich im Februar vielleicht auch andere Zuhörer für die Musik erwärmen werden. Atmosphärisch am schönsten sind die beiden Regionalproben Anfang Oktober in der Ludwigshafener Friedenskirche und in der Mannheimer Christuskirche. Die Akustik ist in beiden Kirchen fantastisch, so dass die Sänger einen ersten Eindruck bekommen, was es bedeutet, mit so vielen Stimmen zu verschmelzen. Vor allem für die Bässe und Tenöre ist das ein Erlebnis, sind sie doch sonst eher ein verschwindend kleiner Haufen. Für den Pirmasenser Bezirkskantor Maurice Croissant mit seinem absoluten Gehör ist jeder falsche Ton eine Zumutung. Trotzdem schafft er es, seinen monumentalen Chor positiv zu motivieren, wenn es irgendwo mal länger hakt. Geprobt wird abwechselnd mit Keyboard und Musik vom Band. Für die Dirigenten ist es anstrengend, mit Kopfhörer und Taktzähler am Ohr permanent voll konzentriert präsent zu sein. Die Einsätze müssen aber exakt kommen, sonst blamiert sich der Chor gewaltig. Ende Januar windet sich eine Menschenschlange zur Ludwigshafener Friedrich-Ebert-Halle: Hauptprobe mit Regieanweisungen. Noch länger sind die Warteschlangen dann am vergangenen Samstagmittag in Mannheim. Auf dem Parkplatz stimmen sich einige mit Sekt auf den großen Auftritt ein. Dass mehr als acht Stunden in der stickigen Halle vergehen, beklagen nur die Füße. Die Zeit selbst rauscht im Flug vorbei. Ein paar Sitzgelegenheiten im Backstagebereich hätten sicher nichts geschadet, eine weitere Garderobe auch nicht. Davon abgesehen gab es aus Sicht des Megachores nichts zu kritteln. Im Rampenlicht fühlt sich die „weiße Wand“ am Ende des Tages in Bestform. Sie gibt volle Energie vor vollem Haus und liefert den Musicalstars einen satten Chorsound.

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