Rheinpfalz „Rücksichtslos gegenüber Andersgläubigen und Andersdenkenden“

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Speyer. Zu US-Präsident Donald Trump müsse er noch etwas sagen, hat sich Markus Jäckle (50), seit 2013 protestantischer Dekan in Speyer, zum Ende seiner Predigt am Sonntag vor einer Woche in der Gedächtniskirche zu Wort gemeldet. Er zeigte sich erschüttert und warb für gesellschaftliche Werte.

Herr Dekan Jäckle, Politik von der Kanzel – ist das nicht Seelsorge von gestern?

Es ist nicht meine Absicht, Politik von der Kanzel zu machen. Ich will zu aktuellen Situationen Stellung beziehen, die die Lebenswirklichkeit der Leute betreffen. Und das habe ich mit einer persönlichen Bemerkung am Ende meiner Predigt getan. Warum hat es Sie bei Trump gejuckt? Seine Wahl hat die Welt schon verändert und wird es noch weiter tun. Wahrscheinlich auf eine dramatische Weise. Es ist erschreckend, wie rücksichtslos er im Wahlkampf mit Worten umgegangen ist und wie er es jetzt mit Werken tut. Er ist rücksichtslos gegenüber Frauen, Ausländern, Andersgläubigen, Andersdenkenden, anderen Nationen und tritt Grundwerte wie Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, Menschenwürde und Menschenrechte mit Füßen. Das hat mich dieser Tage bewegt. Gab es Reaktionen? Beim Verabschieden nach dem Gottesdienst habe ich viele persönliche Reaktionen bekommen. „Das musste mal gesagt werden“, hieß es dann zum Beispiel immer wieder. Was glauben Sie, können Sie mit Ihrem Appell bewirken? Wir sind hier nicht in den USA und haben keinen direkten Einfluss. Es war mir aber wichtig, weil es auch bei uns Parteien und Bewegungen gibt, die in die gleiche Richtung marschieren und die gleichen Überzeugungen haben. Diesen müssen wir entschieden entgegentreten, indem wir aktiv für unsere Grundwerte eintreten, die ein tragendes Gut sind. Dazu will ich ermutigen. Bei welchen Themen können Sie sich solche „persönlichen Bemerkungen“ noch vorstellen – immerhin haben wir 2017 eine Bundestagswahl? Die Bundestagswahl direkt wird für mich kein Thema sein, vielleicht abgesehen von einem Aufruf, dass möglichst viele ihr Wahlrecht wahrnehmen sollen. Konkrete weitere Pläne habe ich nicht. Ich gehe auch in Jahresrückblicken immer mal auf politische Themen ein oder befasse mich in Predigten mit Themen von gesellschaftlicher Relevanz. Aber nie im Sinne von Parteipolitik. In früheren Jahrzehnten gab es mehr oder weniger verklausulierte Wahlempfehlungen von der Kanzel … Das ist nicht mein Stil und sollte es auch nicht sein. Ich betone aber nochmals: Gesellschaftlich relevante Themen anzusprechen, ist wichtig. Das zeigt etwa die Erfahrung des Nationalsozialismus, zu dem auch von Kirchenseite viel zu lange geschwiegen wurde. Ich erinnere mich persönlich an Pfarrer, die in der Friedensbewegung aktiv und dafür nicht unumstritten waren. Es war aber richtig, dass Themen wie die Bewahrung der Schöpfung und das Zusammenleben in einer Welt angesprochen wurden. „Ein Christ schließt niemanden aus“, hat sich Papst Franziskus zur Flüchtlingspolitik geäußert – richtig? Ich sehe das auch so. Jede Diskriminierung wegen Herkunft, Rasse, Glaube oder Geschlecht ist abzulehnen. Das Christentum lehrt Gleichbehandlung von allen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, steht im Matthäus-Evangelium. Auch angesichts einer zunehmenden Polarisierung: Wird die Gesellschaft wieder politischer? Ja, das nehme ich so wahr. Und ich halte es im Grundsatz für positiv, wenn es einen Austausch darüber gibt, wie gutes Zusammenleben gelingen kann. Es geht darum, gegen Hass, Rassismus und Diskriminierung die Stimme zu erheben. Nochmals zu Trump: Das Agieren in Washington gäbe es her – wollen Sie sich nun regelmäßig zu ihm äußern? Ich werde sicher keine regelmäßigen Kommentare dazu abgeben. Aber wenn es einen Fall gibt, der die Lebenswirklichkeit zum Beispiel der Leute in Speyer betrifft, kann ich mir schon vorstellen, dazu etwas zu sagen. Ich will aufzeigen, dass unser Zusammenleben nur in gegenseitigem Respekt und in der dafür notwendigen Freiheit und Gerechtigkeit gelingen kann.

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