Kultur Südpfalz Retter der Sprache

„Sterne altern nicht.“ So lautete der Titel der ebenso kurzweiligen wie bewegenden Matinee zu Josef Burg (1912 bis 2009), einem der großen jiddischen Schriftsteller aus Osteuropa, am Sonntag im Frank-Loebschen Haus in Landau. Die szenische Lesung zum Gedenken an die Reichspogromnacht gestalteten Erica Risch und Hans-Martin Rieger.

Gebannt lauschten die gut 50 Zuhörer bei der einstündigen Matinee, bei der auch Reiseskizzen von Erica Risch Einblick in die Heimat und Lebenswelt des Schriftstellers gaben. Veranstaltet wurde die szenische Lesung von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Pfalz und dem Verein für Volksbildung und Jugendpflege. Josef Burg, 1912 in Wischnitz im Karpatenbogen in der heutigen Ukraine „in einer windschiefen Hütte“ zur Welt gekommen, wuchs arm auf. Er war der Erstgeborene eines Flößers. Als er zwölf Jahre alt war, siedelte die Familie nach Czernowitz, Hauptstadt der Bukowina, über. Dort kam er in Kontakt mit der Literatur bedeutender jüdischer Schriftsteller, etwa Paul Celan oder Rose Ausländer. Bereits als 22-Jähriger veröffentlichte er erste Geschichten in jiddischer Muttersprache. Die Matinee gab poetischen und teils ironisch-distanzierten Einblick in die Kindheit und Jugend des Buben, ins karge Leben und in die Bedeutung des Flusses für die Flößer-Familie. Da hatte der Vater „vertränte Augen“ beim Abschied für einen ganzen Sommer. Der Autor sah die Holzstämme am Floß „sich wie Kinder aneinanderschmiegen“. Der sensible und sprachmächtige Poet ließ sich in Wien nieder, wo er ab 1935 Germanistik studierte. Die Besucher erfuhren auch von der Förderung seines Talents und vom „Flügelwachsen“ durch die Veröffentlichungen. Sie „erlebten“ typische Caféhausszenen sowie aufgeregte Sprachkonferenzen und glaubten, förmlich der Klezmermusik zu lauschen. Zum einen musste Burg das Jiddische verteidigen, das in Wien noch stärker als andernorts als minderwertig und rückständig angesehen war. Zum anderen wuchs die Gefahr für die seit Jahrhunderten gepflegte Sprache sowie für die Juden selbst seit dem Hitler-Einmarsch in Wien. Für Burg, der zunächst nach Czernowitz floh und 1941 weiter in die Sowjetunion, hatte eine Odyssee begonnen. Er war Lehrer in der Wolga-Republik, in Usbekistan und arbeitete in den Kohlegruben des Urals, bis er schließlich Hochschullehrer in Iwanowo wurde. Erst 1957 konnte Burg ins mittlerweile ukrainische Czernowitz zurückkehren und seine jiddischen Erzählungen veröffentlichen – in Moskau, Polen, Israel und den USA. Jahrzehntelang habe der Autor, im August 2009 gestorben, hinter dem Eisernen Vorhang gelebt, wo er für die westliche Literaturwelt so gut wie tot gewesen sei, so Risch. Richtigen Aufwind habe er 1990 bekommen, mit dem Zerfall der Sowjetunion, hieß es. Hans-Martin Rieger hob hervor, dass es Burgs Lebensaufgabe gewesen sei, die jiddische Sprache zu bewahren und die Welt der osteuropäischen Juden nicht ins Vergessen geraten zu lassen. Für die Matinee erhielten Risch und Rieger langen und starken Applaus – verdient.

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