Kultur Südpfalz Schöne Musik statt Ideologie und Pathos

Heute in einer Woche, am 14. April um 18 Uhr, findet das erste große Orchesterkonzert der Berliner Philharmoniker bei den Osterfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden statt. Neben Webern Orchesterstücken op. 6 erklingen Beethovens fünftes Klavierkonzert (Solist ist Yefim Bronfman) und Richard Strauss’ Tondichtung „Ein Heldenleben“.

Gerade erst war ein ganz ähnliches Programm im Festspielspielhaus mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann erklungen. Nur war es da das vierte Beethoven-Konzert und zu Beginn der „Orpheus“ von Franz Liszt. Thielemann hat mit seinen Dresdner bekanntermaßen ja die bis 2012 von den Berliner Philharmonikern bespielten Osterfestspiele in Salzburg übernommen. Er wird deshalb in den kommenden Jahren keine Opernproduktionen in Baden-Baden machen, wohl aber regelmäßig Konzerte. Die nächsten sind schon für den 23. und 24. Mai 2015 terminiert. Dann stehen unter anderem die Sinfonie Nr. 4 und Nr. 9 von Bruckner auf dem Programm. Das passt ideal als Fortsetzung zum zweiten diesjährigen Konzert mit Thielemann und seiner Staatskapelle, bei dem Bruckners fünfte Sinfonie B-Dur erklang. Im Mai 2005 war der Dirigent schon mal mit diesem Werk im Festspielhaus gewesen, damals auf seiner Eröffnungstournee als neuer Chef der Münchner Philharmoniker. Das Wiederhören des Werks mit der Staatskapelle Dresden zeigte ungeachtet des natürlich anders gearteten Orchesterklangs, dass Thielemann seine sehr eigene Sicht auf diesen gigantischen sinfonischen Entwurf bewahrt hat. Er dirigierte abermals einen weiträumig angelegten Bruckner in pastose Klangfülle und vor allem im Adagio breiten, ja sehr Zeitmaßen, die bei ihm jedoch nichts mit Celibidaches „musikalischer Phänomenologie“ oder pseudoreligiöser Weihe zu tun haben, sondern Ausdruck eines unbefangenen Sicheinlassens auf die Größe und Erhabenheit dieser Musik sind. Thielemann genießt auch bei Bruckner das Eintauchen in den Klang, das emphatische Aussingen der Gesangsperioden und das spannungsvolle und alle Extreme ausreizende Entfalten der gewaltigen dynamischen Bewegungen. Das macht nicht geringe Wirkung: ein Bruckner für die Sinne, Bruckner als in jedem Takt vibrierende Nervenmusik. Bruckner stand wie in München so in Dresden für Thielemann am Beginn Zusammenarbeit mit dem Orchester. An der Elbe sogar schon vor der Ernennung zum Chef bei einem denkwürdigen Konzert mit der Achten am 14. September 2009 in der Semperoper. Zum Glück liegt ein Mitschnitt des Konzerts auf CD vor (Profil Edition Günter Hänssler PH 10031). Er bringt eine ideologisch unverfängliche, vielmehr hochgradig sinnliche und ebenfalls überaus weiträumige angelegte Wiedergabe des ultimativen Werks, die mit vielen wundervoll ausgebreiteten Linien, packenden Steigerungen und Höhepunkten sowie klanglich aparten Details und einer berückenden Tempogestaltung aufwartet. Thielemann, das ist nach seiner eigenen Worten auch seine Absicht, zelebriert bei Bruckner auch hier ganz weltlich schöne Musik in sinnfälliger formaler Entfaltung, aber er vermittelt keine wie auch immer geartete außermusikalische Botschaft. Die Aufnahme belegt nicht zuletzt auch den exorbitalen Rang der Staatskapelle, die Wagner nicht zu Unrecht als „Wunderharfe“ bezeichnet hat. Beim „Heldenleben“ in Baden-Baden waren Thielemann und die mit Strauss eng verbundene Staatskapelle ja besonders in ihrem Element. Selbstverständlich wussten Dirigent und Orchester alle Reize dieses selbstverliebten spätromantischen Orchesterkrachers voll auszuspielen. Doch da „Heldenleben“ nach von Karl Böhm überlieferten Worten Straussens Musik und kein Sittengemälde ist, war auch hier der Zugang pathosfrei und ganz musikalisch und musikantisch, alles Kunst feinster Art. Höchst differenziert und detailgenau war auch das Klavierspiel von Radu Lupu beim G-Dur-Klavierkonzerts Beethoven. Über dem weichen Klangteppich des Orchesters entfaltete der Pianist ein filigranes Motiv- und Themengespinst, spielte hochpräsent und beredt, aber zugleich auch sehr edel im Ausdruck und introvertiert. Liszts „Orpheus“ hatte den Abend mit superber Klangkunst eröffnet. Thielemann und Richard Strauss: Bei „Rosenkavalier“, „Elektra“ und „Ariadne auf Naxos“ hatte der Dirigent in Baden-Baden Grandioses geleistet. Alles ist zum Glück dokumentiert. Auch von der „Ariadne“ 2012 in Philippe Arlauds Inszenierung und schon mit der Staatskapelle Dresden liegt nun eine Blu-ray Disc vor (Decca 074 3810). Sie belegt, wie Thielemann mit leichter Hand und dennoch großer Genauigkeit die feine Partitur zu entfalten weiß. Renée Fleming brilliert mit noblen Tönen und erlesenen Linien in der Titelrolle, Robert Dean Smith ist ein kraftvoller Bacchus und Sophie Koch ein emphatischer Komponist. Jane Archibald gefällt als Zerbinetta mit brillanten und leichten Koloraturen. Die verspielte Inszenierung zeigt auch am heimischen Gerät ihren Charme – und René Kollo ist nach Ende seiner Bühnenlaufbahn als Haushofmeister hier in einer seiner letzten Rollen zu sehen.

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