Rheinpfalz Schlichtes Gedenken

Zu einer Gedenkstunde unter dem Thema „100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg“ hatte der Landkreis Südwestpfalz in die katholische Pfarrkirche Heilig Kreuz in Merzalben eingeladen. Neben tragend-festlichem Konzertgesang war auch eine von den Schülern des Otfried-von-Weißenburg-Gymnasiums in Dahn zusammengestellte, kleine, aber beeindruckende Dokumentation an den Kirchenwänden zu besichtigen.

Schlichtheit war angesagt und Besinnung. Auf den Stufen zum Altarraum brannte eine Kerze, umrankt mit Trauerflor und einer weißen Lilie. Bei seiner Begrüßung dankte Landrat Hans Jörg Duppré allen Teilnehmern der Gedenkstunde. „Warum haben wir eingeladen?“, fragte Duppré. Und er gab sogleich die Antwort darauf: „Wir wollen mit dieser Gedenkstunde den Blick darauf lenken, dass dieser Krieg die Menschen, auch in unseren Städten und Gemeinden, in ihren persönlichen Lebensplänen getroffen, ja geprägt hat.“ Er skizzierte die Entwicklung, die aus einer euphorischen Siegesstimmung heraus in das Desaster der totalen Verwüstung der Länder und der Weltordnung geführt habe, vor allem aber in einen oft viel zu frühen Tod von Millionen – und das generationenübergreifend. Nicht nur der weltgeschichtlichen Katastrophe, sondern des individuellen Leids und Elends wolle man hier gedenken. Die Frage, wie das so kommen konnte, werde wohl nie abschließend beantwortet werden können. Dazu führte Duppré zwei Meinungen von Zeitzeugen an. Ernst Troeltsch, Professor der Philosophie, ein nachdenklicher, besonnener Mann, habe am 2. August 1914, einen Tag nach der deutschen Kriegserklärung, auf einer Rede bei der „vaterländischen Versammlung“ von Stadt und Universität Heidelberg mit den Worten geschlossen: „Mit Gott für Kaiser und Reich.“ Demgegenüber zitierte Duppré Walter Rathenau, einen herausragenden Wirtschaftsführer und nachdenklichen Gesellschaftskritiker (später in der Weimarer Zeit Außenminister). Dieser notierte 1917: „Die Nationen glauben, um Herrschaft und Dasein zu ringen und kämpfen einen Kampf, dessen Entstehung niemand begreift, dessen Ziele nachträglich mit monatlichen Richtigstellungen gesucht werden müssen.“ Es gebe genügend Gründe, sich nicht nur des historischen Ereignisses zu erinnern und es zu analysieren, „wichtiger ist, nach solchen Erfahrungen zur Besinnung zu kommen und diese zu bewahren“, schloss Duppré. Tiefgründig, mit weitem Bogen über die Weltkugel spannend, ging der Historiker Theo Schwarzmüller auf den Beginn des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren ein. Bezogen auf den ehemaligen Ehrenbürger und großen Sohn der Gemeinde Merzalben, Bischof Isidor Markus Emanuel, erinnerte er an die Verkündung des Krieges im kleinen, 750 Einwohner zählenden Bauerndorf. Er zitierte aus dem Buch Emanuels, „Psalter meiner frühen Jahre“, worin unter „Am Tag des Krieges“ stand: „Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges war ein unheimliches Erdbeben, das plötzlich die friedliche Landschaft meiner Kindheit erschütterte.“ Von der langen Bekanntmachung des Polizeidieners sei Emanuel noch jener fremde Ausdruck haften geblieben: „Es wurde der Kriegszustand verhängt.“ Verhängt habe für Emanuel alles dunkle Unheil des Krieges enthalten. Emanuel schildere in seinem Buch, dass dem Priester beim Sonntagsgottesdienst in Anbetracht des Krieges fast die Stimme versagt habe, „und durch die Reihen der Gläubigen ging ein Schluchzen und Weinen, wie es noch bei keiner Beerdigung auf dem Friedhof erlebt wurde“. Schwarzmüller führte Stellungnahmen zu beiden Weltkriegen von Hermann Hesse über Hugo Ball bis hin zu John F. Kennedy an, er schlug einen großen Bogen zur Entwicklung von Elsass und Lothringen, Land und Leuten, die sehr eng mit beiden Weltkriegen verbunden waren. „Gott sei Dank gibt es heute ein anderes Deutschland“, sagte er mit Blick auf Frankreich, das früher ein Erzfeind gewesen und heute ein Brudernachbar sei. 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und 69 Jahre nach dem Zweiten greife Deutschland nicht mehr nach der Weltmacht, sagte Schwarzmüller. Es sei eine schöne Entwicklung, dass man heute, wenn die deutsche Mannschaft Fußballweltmeister wird, von allen Nationen respektiert und anerkannt werde. Und so kehrte Schwarzmüller zurück zu Bischof Emanuel, den er als „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Frankreich bezeichnete, der die Freundschaft zweier Länder früh begleitete. Die Fürbitten-Gebete von Dekanin Waltraud Zimmermann-Geisert und Prodekan Johannes Pioth brachten es mit einem Satz auf den Punkt: „Es gab Millionen Tote bei den beiden Weltkriegen und dennoch ist immer noch kein Friede.“ Und so sprachen alle die Bitte aus: „Gib Frieden Herr, gib Frieden.“ Beeindruckend intonierte der Hassler-Chor unter der Leitung von Bernhard Hassler mit Instrumentalisten der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern, Sopranistin Monika Fuhrmann (Mannheim) und Organist Gerhard Jentschke (Zweibrücken) das Requiem von John Rutter.

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