Rheinpfalz Schlimm: Heimweh und untätig herumsitzen

„Habt Mut, Menschen aufzunehmen in euren Gemeinden, in euren Häusern, in euren leeren Klöstern“, sagte Papst Franziskus vor einigen Monaten. Seinem Aufruf ist der Wallfahrtsort Maria Rosenberg gefolgt. „Wir sind zwar kein leeres Kloster, doch wir haben viele freie Räume. Darum haben wir seit einigen Monaten Asylanten bei uns aufgenommen“, so Direktor Volker Sehy.

„Verbandsbürgermeister Winfried Krämer ist vor einem halben Jahr mit einer entsprechenden Anfrage auf mich zugekommen. Ich habe spontan Ja gesagt. Und das Bischöfliche Ordinariat in Speyer war damit einverstanden“, informierte Sehy. Eine große leerstehende Wohnung sei für die Männer hergerichtet worden, mit sechs Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen. Momentan seien vier Männer dort untergebracht: zwei aus Syrien, einer aus dem Irak und einer aus Ägypten. Sie sind sich einig: „Wir fühlen uns sehr wohl hier, wir leben wie in einer Familie.“ Alle seien vor dem Krieg in ihren Heimatländern geflüchtet; sie hätten alle eine berufliche Ausbildung und suchten hier eine Beschäftigung. Und alle bedrängt als größtes Problem: Sie wissen nicht, wie es mit ihnen weitergeht. Alle Asylanten haben großes Heimweh. Um es ein wenig zu mildern, hat Pfarrer Sehy einen drahtlosen Internetanschluss einrichten lassen, so dass die Flüchtlinge täglich mit ihren Familienmitgliedern in direkten Kontakt treten können. „Dafür sind sie sehr dankbar“, übersetzt Najoua Angst. Die Tunesierin spricht arabisch und kann die sprachliche Brücke zu den Deutschen herstellen. Auf Maria Rosenberg bemüht sich Schwester Lucia mit viel Geduld darum, den Asylanten Deutsch beizubringen. Sie stammt aus Brasilien: „Weil ich selbst aus einem anderen Land komme, weiß ich, wie wichtig es ist, Deutsch zu können.“ Mit Freude erzählt Najoua Angst, dass vor ein paar Wochen ein syrischer Herzspezialist hier gewohnt habe. „Er hat mittlerweile eine Anstellung im Krankenhaus in Kaiserslautern. Der Doktor hatte Glück.“ Soviel Glück würde sie auch den anderen wünschen. Es war auch ein „glücklicher Zufall“, sagt Najoua Angst, dass Hermina aus Ägypten den Weg zum Rosenberg gefunden hat. Sie sei auf Arztbesuch gewesen. Der 23-jährige Hermina habe an der Rezeption gestanden und sich nicht richtig verständigen können. Daraufhin habe sie den jungen Mann auf Arabisch angesprochen. Der habe zunächst einmal geweint vor Freude, dass ihn jemand versteht. Und ganz schnell sei dann alles Weitere geklärt gewesen. Hermina – er gehört der koptisch-orthodoxen Kirche an – war auch schon in der Wallfahrtskirche. Dort fiel er Schwester Lucia erstmals auf. Bevor er nach Maria Rosenberg kam, befand er sich in einer Unterkunft mit somalischen Asylanten. „Dort gab es Verständigungsschwierigkeiten, und Hermina ging es nicht gut,“ erzählt die Übersetzerin. Sie schloss sich mit der Verbandsgemeindeverwaltung kurz, und so kam es, dass der junge Ägypter nun auf Maria Rosenberg ist. Hermina ist gelernter Schneider. Er hat zu Hause noch einen Zwillingsbruder, den er sehr vermisse. Gerne würde er seinen Beruf wieder ausüben. Der 31-jährige Abdul aus Homs in Syrien ist Maschinenbauingenieur. Er ist verheiratet. Seine Frau ist mit dem ersten Kind schwanger und lebt in der Türkei. Das Heimweh ist groß. Täglich sucht er den Kontakt zu ihr. Sein größter Wunsch ist es, dass auch seine Frau nach Deutschland kommen darf. „Aber das ist sehr schwierig.“ Der werdende Vater hat den Vorteil, dass er fließend Englisch spricht und auch seine Deutschkenntnisse sich täglich verbessern. „Wenn ich jetzt noch Arbeit finden würde, wäre das sehr schön“, hofft er. Der älteste der vier Männer, die auf Maria Rosenberg eine Heimat gefunden haben, ist Samer. Er ist 39 Jahren alt und kommt aus dem Irak. Samer ist ein erfahrener Lkw-Fahrer. Er flüchtete über den Libanon nach Deutschland. Zu Hause hat er eine Ehefrau und zwei Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren zurückgelassen. Seine Familie hält sich bei den Eltern seiner Frau auf. Samer durfte zunächst noch hier seinen Beruf als Lkw-Fahrer ausüben. Nun aber sei die Erlaubnis abgelaufen und er bemühe sich, wieder fahren zu dürfen. „Aber die vielen Behördengänge, das ist schwierig.“ So ergeht es auch Bazo aus dem Irak. Er ist Automechaniker. Besonders schlimm ist für den 23-Jährigen, dass viele seiner Familienmitglieder noch im Irak sind, sich verstecken müssen. Auf seinem Handy zeigt er ganz furchtbare Bilder von toten Kindern, die ihn fast täglich erreichen. Was sich bei seiner Familie abspielt, mache ihm schwer zu schaffen. „Er hat Depressionen und Schlafstörungen“, sagt die Übersetzerin. Auch er sucht Arbeit. Das Schlimmste für die Flüchtlinge ist das untätige Herumsitzen. Arbeit, das bestätigt auch Schwester Lucia, täte allen gut. Was sie aber aufatmen lässt, sei die Freiheit hier; ganz anders als in der kriegserschütterten Heimat. Schön sei es auch, betont Hermina aus Ägypten, dass er sich mit Bazo so gut verstehe. Das helfe ihm über die Trennung von seinem Zwillingsbruder etwas hinweg. Die Verpflegung besorgen sie sich selbst. Man geht einkaufen und Samer kocht. „Er kocht sehr gut“, loben die anderen und lachen. Schwester Lucia hat verfolgt, wie der Fastenmonat Ramadan von den beiden Muslimen sehr streng eingehalten wurde. Sie hätten tagsüber gefastet, fünfmal am Tag im Zimmer gebetet und erst bei Sonnenuntergang gegessen. „Ich war selbst einmal eingeladen.“ Jeder könne seine Religion so leben, wie es ihr entspreche, betonen alle sichtlich zufrieden. Was Papst Franziskus beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Rom 2013 gesagt hat, könnte er mit Blick auf Maria Rosenberg wiederholen: „Die Geschwisterlichkeit, die wir hier sehen, zeigt, dass wir keine Angst vor den Unterschieden zu haben brauchen – sie ist vielmehr ein Reichtum, ein Geschenk für uns alle.“ Und so sind derzeit am Wallfahrtsort Maria Rosenberg „vereint“: Muslime und koptische Orthodoxe, gemeinsam mit katholischen Christen.

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