Rheinpfalz Seibel stellt sich neu auf

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Nach turbulenten Jahren steuert der Hauensteiner Schuhhersteller Seibel im 130. Jahr seines Bestehens wieder ruhigere Bahnen an und konzentriert sich auf sein Kerngeschäft. Ein neues Führungsteam unterstützt Firmenchef Carl-August Seibel seit September dabei. Damit will der Urenkel des Gründers die Aufgaben nun auch auf mehrere Schultern verteilen.

Nein, ans Aufhören denke er nicht, versichert Carl-August Seibel. Aber immerhin werde er in eineinhalb Jahren 60, und unabhängig von der Frage, ob eines seiner Kinder mit ins Unternehmen einsteige, müsse es ja laufen – „das Unternehmen muss geführt sein“. Schrittweise, so plant er es, will er Aufgaben abgeben – in die Hände der beiden neuen Geschäftsführer Sylvia Klemens und Uwe Decker, die ihn seit September unterstützen. Damit ist das Führungsteam nach dem Ausscheiden von Tobias Zimmerer wieder komplett: Sylvia Klemens und Uwe Decker übernehmen gemeinsam Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung für alle Marken, Seibel kümmert sich noch um Produktion und Personal, Hans-Jürgen Reitzner wie bisher um Finanzen, Controlling und IT, Andreas Garnier ist für internationalen Verkauf zuständig. Mit Uwe Decker kommt ein Vertriebsmann und Schuhkenner aus dem eigenen Haus in die Verantwortung: Der 48-Jährige ist seit 14 Jahren in der Seibel-Gruppe tätig, war Verkaufsleiter und Produktmanager; zuvor war er 13 Jahre bei der früheren Schuhunion in Zweibrücken tätig. Und Sylvia Klemens ist zwar neu im Hause Seibel, aber auch dort natürlich bekannt: Einige Jahre leitete die 47-Jährige, die in Pirmasens ihren Diplom-Schuhtechniker gemacht hat, die Kollektionsentwicklung beim Pirmasenser Damenschuhhersteller Peter Kaiser und war zuletzt bei der Komfortschuh-Marke „Waldläufer“ der Lugina-Schuhfabrik in Schwanheim für Kollektionsentwicklung und Schlüsselbereiche des Vertriebs zuständig. Für Seibel das passende Tandem: Er habe, betont er, zwei Leute aus dem Markt mit Produkt- und Markterfahrung haben wollen. Und noch etwas war ihm wichtig: dass beide aus der Region kommen – Decker ist gebürtiger Pirmasenser und wohnt im Landkreis, Sylvia Klemens kommt aus Kaiserslautern. Dass beide Land und Leute kennen und die „Mentalität der Pfälzer drauf“ hätten, sei mitentscheidend gewesen, sagt der Firmenchef – „die Zentrale ist Hauenstein und soll es auch bleiben“. Auch wenn das Unternehmen nach bewegten Jahren – da war etwa die Umstrukturierung der osteuropäischen Produktion, dann der Verkauf der Schuhhandelskette Leiser 2015 – nun in ruhigere Bahnen steuern und sich auf das Kerngeschäft der Schuhherstellung konzentrieren will: Ruhig wird es die neue Mannschaft kaum angehen können. Das Geschäft werde immer schnelllebiger, stellt Sylvia Klemens fest, die Branche erfinde sich neu, formuliert es Uwe Decker. Sorgen bereitet ihnen – wie der gesamten Branche – vor allem der deutsche Markt. Der harte Preiskampf im Handel, der rasch wachsende Online-Handel, die Ausweitung von Textilhäusern auf den Schuhverkauf, der steigende Sportschuhanteil – dies sind für Carl-August Seibel Probleme, mit denen man zu kämpfen habe. Die Folgen: Geschäfte würden weniger frequentiert, der stationäre Handel sei „nicht mehr spannend genug“, ergänzt Uwe Decker. Das klassische Geschäft werde sich verändern, sind sie in der Seibel-Gruppe überzeugt. Dies treffe auch Hersteller: Die müssten näher am Kunden sein. Ein Ziel sei es, sagt Decker, ein besseres Warenmanagement mit Kunden zu erstellen, „partnerschaftlicher zu arbeiten“. „Die Industrie muss mehr in die Pflicht genommen werden“, stellt er fest. Konkret bedeute dies etwa, erläutert Sylvia Klemens, dass sie Abverkäufe stärker beobachteten, so gezielter auf die Nachfrage bei Modellen reagieren könnten. Was für Decker auch heißt: Weg vom Zwei-Saison-Rhythmus. Generell, sagt Seibel, müsse man aktiver werden, den Fokus stärker aufs Produkt richten – „mehr Aufwand betreiben, um den gleichen Umsatz zu erzielen“. Auch Kommunikationswege gehören dazu – ohne soziale Netzwerke und Plattformen wie „Youtube“ laufe nichts mehr. Überarbeitet wird zudem die Kollektion. Im Blick hat Sylvia Klemens vor allem die Lizenzmarke Gerry Weber und die eigene Komfortschuhmarke Romika. Sie sollen frischer und jünger werden, freilich „mit Fingerspitzengefühl“ – angestammte Kunden sollen gehalten, neue hinzugewonnen werden. Zugleich soll – etwa bei Romika-Straßenschuhen – das Angebot erweitert werden um die Themen Weiten und Wechselfußbett. Frischer, funktioneller und dabei modisch – das ist der Anspruch. Die Kernmarke Josef Seibel, die etwa zwei Drittel am Umsatz ausmacht, sei bereits „sehr gut“ positioniert, betont Decker – eine Position, an deren Erhalt sie aber weiter arbeiteten. Das Trend-Thema „Bio“ bei Schuhen wird auch im Hause Seibel diskutiert, wo chromfreie Innenleder bereits vor Jahren Thema waren und zum Teil auch längst andere Ersatzmaterialien für das Innenfutter verwendet werden. Man müsse schon aufpassen, was wirklich gekauft werde, merkt Seibel dazu an. Aber ein Thema sei das für sie durchaus. Derzeit arbeiteten sie an einem Konzept für ein möglichst schadstofffreies Premiumprodukt, das gut in die Gläserne Schuhfabrik passen würde. Doch das werde erst 2017 konkret. Konkret wird dann übrigens auch erst, wer im City-Outlet in Hauenstein den Laden beziehen wird, den Sioux bis vor kurzem gemietet hat. Bei allen Herausforderungen herrscht in der Hauensteiner Zentrale mit 200 Beschäftigten aber Zuversicht: Sie seien so gut aufgestellt, meint Uwe Decker, dass man diese gut bewältigen werde. WIRTSCHAFT

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