Kultur Südpfalz Syrisches Schicksal

Darstellerin Anja Kleinhans.
Darstellerin Anja Kleinhans.

Begleitend zur Kunstinstallation von Madeleine Dietz präsentiert das Ein-Frau-„Theader“ Freinsheim das Stück „Beshno az ney – Kleine Anfrage nach Humanität“ in der Landauer Stiftskirche.

Entführung nach Syrien. Vor der gigantischen Ruinen-Steinflut der Fotoinstallation im Altarraum der Stiftskirche, eingebettet in die wehmütig heiseren Tonfolgen der Ney-Flöte, ein Monolog in syrischer Sprache. Die klingt einfühlend melodiös, umschmeichelt das Ohr. Dann das Eintauchen in die Metapher des Lebens. Die Glasmurmel, ihre tausendfachen Brechungen im Widerschein des Sonnenlichts. Gleißend hell, verheißungsvoll, wunderbar. Ein wirklich starker Auftakt und, wie sich zeigte, bereits der Höhepunkt der kammerspielartigen Performance von Anja Kleinhans, Autorin, Regisseurin und Darstellerin in Personalunion, Protagonistin der kleinsten Bühne Deutschlands, des „Theaders Freinsheim“ am Casinoturm. Ihr 2016 mit dem Helmut-Simon-Preis der Diakonie ausgezeichnetes Stück „Beshno az ney – Kleine Anfrage nach Humanität“ ging als Teil der Begleitveranstaltungen zum Kunstprojekt im Altarraum der Stiftskirche (wir berichteten) über die Bühne. Dass die monumentale Arbeit von Madeleine Dietz, die das „Bespielen“ ihrer Stahlkuben ausdrücklich autorisiert hatte, der Flüchtlingsgeschichte – wenn auch unbeabsichtigt – eine geradezu kongeniale Kulisse lieferte, sei am Rande erwähnt. Erzählt wird aus der Zukunft zurück in die Jetztzeit. Das Flüchtlingsmädchen von einst, jetzt erwachsene Frau mit Mann und Kindern, outet sich schon aufgrund seines Outfits als eine Person, die es geschafft hat: elegant mit weißem Mantel, gold und rot glitzert es darunter und im Schuhwerk. Die Geschichte beginnt mit Reminiszenzen an die Heimat, den verführerischen Düfte des Markts, der heilkundigen Großmutter – Bilder wie aus einem Roman von Rafik Schami –, schließlich den Übergriffen der islamistischen Banden und der unausweichlichen Flucht 2015. Schlepper-Willkür, Abzocke, Hunger, Verzweiflung, Todesangst auf dem Meer, die waghalsige Balkanroute, das ernüchternde Ankommen im „gelobten Land“ Deutschland; Duldungsstatus, Scheitern. All das zelebriert Kleinhans in einer aufgeheizten und wortgewaltigen (aufgrund der akustischen Verhältnisse leider oft schwer verständlichen) Rhetorik. Die musikalischen Intermezzi ihres Partners Mehmet Ungan, ebenso einfühlsam wie virtuos zelebriert auf der Oud, der traditionellen Kurzhalslaute, teils mit Gesang, sowie der Rohrflöte, sind wunderbare atmosphärische Stützen. Die Geschichte indes, die sich nach der gewiss zutreffenden, aber doch recht klischeehaften Schilderung des Ämter-Marathons und der folgerichtig programmierten Lebenskrise etwas abrupt in Wohlgefallen und die tanzselige Parole „Mit Liebe schaffen wir das“ auflöst, trägt wenig dramatisches Potenzial in sich. Es ist eine Erzählung, von Anja Kleinhans mit Emphase deklamiert, manchmal atemlos heruntergeschnurrt, zuweilen geschrien oder auch versonnen bebildert. Aber sie eröffnet uns nichts, was wir als informierte Zeitungsleser und Nachrichtenkonsumenten nicht schon wüssten. Die Inhalte sind geläufig, und selbst die düstere Fiktion des Deutschland im Jahr 2049 überrascht nicht wirklich, ist auch zu wenig vertieft, um das Spannungsmoment, auf das man wartet, zu platzieren. Man stimmt rein inhaltlich zu, aber wirklich ergriffen oder gar verstört entlässt einen der Abend nicht. Dazu fehlt es dem Stück an Mysterium. Hätte Brecht gesagt.

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