Rheinpfalz Vom Winde verweht

Neustadt. Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet: So lässt sich ein Windpark-Projekt beschreiben, das im Januar im Stadtrat Neustadt öffentlich seinen Anfang nahm. Mit vollem Einsatz ging eine ungewöhnliche Stadtratsmehrheit – angeführt von CDU-Oberbürgermeister Hans Georg Löffler – in die Offensive. Das Engagement ließ indes in den Wochen darauf ebenso stark nach, wie der Gegenwind zunahm. Jetzt ist die Sache vom Tisch – vorerst.

Dreh- und Angelpunkt für zwei angedachte Windräder auf der Gemarkung des Ortsteils Mußbach ist der Flächennutzungsplan der Stadt. Er ist, was Windkraft angeht, ein wenig angestaubt, stammt aus dem Jahr 2005, als die Energiewende noch lange nicht in Sicht war. Der Plan sieht zwar eine Vorrangfläche für Windenergie vor, die ist aber ungeeignet. Wegen der miesen Standortqualität und weil bisherige Anlagen zu niedrig waren, um sich trotz des schwachen Winds in der Rheinebene in der Gewinnzone zu drehen, hatten potenzielle Investoren stets wieder zurückgezogen. Das soll sich ändern. Für bessere Standorte sorgt die Regionalplanung, deren Raumordnungsplan im Bereich Windenergie im Frühjahr rechtskräftig werden soll. In Absprache mit der Stadt hat sich das jetzt Konzentrationsfläche genannte Gebiet für Windenergie leicht verschoben und etwas vergrößert. Hinzu kommt, dass mittlerweile neue, höhere Schwachwindanlagen auf dem Markt sind. Die Rotoren eingerechnet, wären die im Neustadter Fall angedachten Modelle 212 Meter hoch. Und lägen damit auf der Sichtachse zum Hambacher Schloss, wie Kritiker mutmaßen. Angesichts dieser ganz neuen Bedingungen hob die Juwi Energieprojekte GmbH aus Wörrstadt den Finger. An den bald möglichen neuen Standorten will sie zwei Windräder errichten – und die Stadtwerke Neustadt sicherten sich als potenzieller Betreiber ein exklusives Kaufrecht. Das alles wäre unspektakulär, hätte bereits Bauplanungsrecht vorgelegen. Was im Normalfall bedeutet: Der Flächennutzungsplan ist dem Raumordnungsplan angepasst. So weit ist es aber allerfrühestens 2017. Weil jedoch das Erneuerbare-Energien-Gesetz des Bundes nur noch für 2016 eine verlässliche Einspeisevergütung bietet, will Juwi die Sache schnell über die Bühne zu bringen. Das wiederum hat im Neustadter Stadtrat für ganz neue Mehrheitsverhältnisse und einen, sagen wir Rechtsspagat gesorgt. Wo sonst ein Mehrheitsbündnis von CDU, FDP und Grünen einer Opposition von FWG und SPD gegenübersitzt, ging es jetzt querbeet. Zwar wollten alle Parteien das Beste für die Stadtwerke, aber nur SPD, Grüne und ein Teil der CDU waren bereit, eine „Ausnahmegenehmigung“ vom Flächennutzungsplan zu erteilen. Damit wurde im Vorgriff auf die künftige Regional- und Kommunalplanung Bauplanungsrecht für die von Juwi vorgesehenen Standorte geschaffen. Nur so kann die von Juwi beantragte Baugenehmigung gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz auch erteilt werden, falls sonst nichts dagegen sprechen sollte. Wofür die städtische Umweltabteilung als Untere Naturschutzbehörde zuständig ist. Damit sei keine endgültige Entscheidung gefallen, beruhigte sich die Ratsmehrheit seither selbst. Schließlich sollten die Stadtwerke nur einsteigen dürfen, wenn die Sache sich wirklich rechnet, was der Stadtrat entscheiden wollte. Erst nachträglich wurde vielen klar, dass Juwi auch mit einem anderen Partner bauen könnte. Was folgte, war ein Sturm an öffentlicher Entrüstung, den politische Projektgegner geschickt in die Fahnen ihres Landtagswahlkampfs lenkten. Wobei zu den Gegnern nicht nur die FWG-Opposition oder die Liberalen trotz ihrer Koalitionspartner CDU und Grüne gehörten, sondern dummerweise auch viele CDU-Mitglieder, darunter der Ortsvorsteher von Mußbach, gleichzeitig Stadtratsmitglied und CDU-Landtagskandidat. Um die Sache noch aufregender zu machen: 2017 steht in Neustadt die Urwahl des Oberbürgermeisters an, wofür sich der FWG-Chef bereits warmläuft. Möglicherweise herrschte daher beim Oberbürgermeister eine überaus große Erleichterung, als sich ihm ein verfahrensrechtliches Schlupfloch auftat: Weil vergessen worden war, den Ortsbeirat Mußbach vor dem umstrittenen Stadtratsbeschluss zu hören, erklärte Löffler den Beschluss für rechtswidrig. Diese Entscheidung werden die Fraktionen im Stadtrat am Dienstag akzeptieren. Wie Juwi sich stellt, will Löffler einen Tag vorher klären. Möglich wäre, dass das Unternehmen seinen Genehmigungsantrag zurückzieht oder ihn weiterlaufen lässt und je nach Ergebnis zusätzlich einen Antrag auf Bauplanungsrecht stellt. Mit einer Ausnahmegenehmigung indes kann es sicher nicht mehr rechnen. Bis Sommer dürfte nun in Neustadt erst mal wieder Flaute in Sachen Windkraft herrschen. Ein neuer Sturm kann aber wieder heraufziehen. Allerspätestens dann, wenn der Flächennutzungsplan auf normale Art und Weise fortgeschrieben ist.

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