Rheinpfalz Vorsatz oder nicht, das ist die Frage

Da hing er nun im Sitz, „halb komatös über der Mittelkonsole“, wie es der Verteidiger drastisch beschrieb. Nachdem der Wagen in einer Autobahnausfahrt gegen die Leitplanke gekracht war, konnte sich der 55-Jährige kaum mehr regen. Daran erinnern kann er sich nicht – täglich aber wird er noch einige Zeit an den Moment erinnert werden, da er sich einer Straftat schuldig gemacht und den Führerschein verloren hat. 1600 Euro Strafe sind ihm aufgebrummt worden.

Mit der Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Kusel hat der 55-Jährige einen Teilerfolg erzielt. Auf 40 statt 50 Tagessätze à 40 Euro verringerte der Richter die Geldstrafe. Die 400 Euro, die er damit „gespart“ hat, fallen jedoch nicht ins Gewicht – zumal er die Prozesskosten zu tragen hat, die ihm erspart geblieben wären, hätte er den vorab ergangenen Strafbefehl akzeptiert. Auch die Tatsache, dass die gerichtlich angeordnete Sperrfrist, innerhalb der er seinen Führerschein nicht neu beantragen darf, um einen Monat reduziert worden ist, hilft nicht viel weiter. Um die medizinisch-psychologische Untersuchung wird er wohl kaum herumkommen. Darüber zu entscheiden hat allerdings nicht das Gericht, das ist alleine Angelegenheit der Führerscheinstelle bei der Kreisverwaltung. Dass der Verkehrssünder den Strafbefehl nicht akzeptiert, Einspruch dagegen eingelegt und somit die Hauptverhandlung in Kauf genommen hat, geschah aus anderer Absicht, als „nur“ die Rechtsfolgen zu mindern. Entscheidend sei, so legte der Strafverteidiger dar, eine andere Frage: Hat der 55-Jährige vorsätzlich gehandelt? Oder war es nicht vielmehr so, dass er viel zu betrunken war, um sich seines strafbaren Handelns überhaupt bewusst zu sein? Ein Mittwochabend im September vergangenen Jahres: Der im Landkreis Kusel beheimatete Mann macht am Abend noch einen Ausflug. Steuert eine Gaststätte im Kreis Kaiserslautern an, wechselt danach in ein Vereinsheim. Dabei trinkt er einen über den Durst – gewaltig, wie sich später zeigen sollte. Er könne sich nur noch an die Geschehnisse bis etwa 20 Uhr am Abend dunkel erinnern, lässt der Angeklagte seinen Anwalt darlegen. Ihm seien lediglich zwei, drei Weinschorlen in Erinnerung. Die alleine aber können es nicht gewesen sein, die sein Gedächtnis derart getrübt haben. Dass er sich überhaupt in sein Auto gesetzt und die Autobahn angesteuert hat, dass er auch irgendwie zur Abfahrt Glan-Münchweiler gelangt ist – all das weiß er nach eigenem Bekunden nicht mehr. „Ist ja fraglich, ob er überhaupt wusste, wo er hin wollte. Denn er ist ja bei Glan-Münchweiler abgefahren“, gab der Verteidiger zu bedenken. Das zeugt in der Tat von einer Irrfahrt. Auf dem rechten Weg Richtung Zuhause war er dort jedenfalls nicht. In der Abfahrt war die Fahrt zu Ende. Das Auto stieß gegen eine Leitplanke und blieb auf der Fahrbahn stehen. Kurz nach Mitternacht nahm eine junge Frau denselben Weg, sah das Auto, hielt an – und fand einen sturzbetrunkenen Mann auf dem Fahrersitz vor. Der regte sich kaum mehr, war allerdings weitestgehend unversehrt geblieben. Gegen 1.15 Uhr war eine Blutprobe fällig. Die ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,16 Promille. Rechne man zurück, könne der Angeklagte zum Unfallzeitpunkt gut und gerne 2,5 Promille gehabt haben, gab der Verteidiger zu bedenken. Ohnehin könne ab zwei Promille von Schuldunfähigkeit ausgegangen werden. Das ändere nichts an der Strafbarkeit, allerdings sei da ein Vorsatz schwerlich zu unterstellen. Vorsatz setze voraus, dass jemand wissentlich und willentlich eine Tat begehe. Mit dem Begehren, den Mann wegen einer fahrlässigen statt einer vorsätzlichen Begehungsweise schuldig zu sprechen, konnte sich der Richter allerdings nicht anfreunden. Der Vorsitzende verwies auf höchstrichterliches Urteil. Der Bundesgerichtshof habe die Frage bejaht, ob auch bei so hohen Promillewerten von Vorsatz auszugehen sei. Der Richter regte an, man könne gerne ein Gutachten einholen, um die Frage des möglichen Alkoholisierungsgrades zum Unfallzeitpunkt zu klären. Davon aber wollte der Angeklagte nach Beratung mit seinem Anwalt absehen. In seinem Schuldspruch ging der Richter von Vorsatz aus. Dies ist nicht alleine mit Blick auf die Dauer der Führerscheinmaßnahme von Belang: Vor allem in versicherungsrechtlicher Hinsicht kann diese Frage von Bedeutung sein. (cha)

x