Kultur Südpfalz Wilde Kunst

Die Südpfalz ist nicht der Wilde Westen, das Künstlerhaus in Edenkoben kein Dschungelcamp – aber ein bisschen wild macht das Leben zwischen wuchernden Gärten, süffiger Ernte und losgelösten Gedanken wohl schon. Das zeigt die sechste Ausstellung ehemaliger Kunststipendiaten in der Villa Streccius in Landau, die unter dem Titel „BeWildered“ und kuriert von Beate Reifenscheid Arbeiten von Cony Theis, Julia Lohmann, Bernd Kirschner und Uwe Esser zu einem sinnlichen Gesamtkonzept wuchern lässt.

Wie kommt „ein kleines Haus am Mississippi“ mit all seiner provisorischen, irgendwie auf den Kopf gestellten Gemütlichkeit in die elegante Rotunde der großbürgerlichen Villa Streccius nach Landau? Warum wirkt der Wald um Edenkoben plötzlich so unruhig, verhängnis- und geheimnisvoll, als wäre er Schauplatz eines frisch gedrehten Tatorts? Welches Geheimnis bergen die akkurat auf Linie gebrachten, scharfkantig gefalteten und doch so irritierend flirrenden Weinberge, die sich in ihrer schmalen horizontaler Ausdehnung mit „Timezones“ messen? Und wo zwischen Stadt und Land, Gewässer und Ufer finden die in dunkles Licht getauchten nächtlichen „Ritual“-Tänze statt? Man kommt schnell ins Staunen und Fantasieren, Dramatisieren und Philosophieren, wenn man sich in diese „heiter bis wilde“ Welt begibt, die auf sehr verschiedene Art und Weise die Freiheit der Gedanken provoziert und doch nicht ins völlige Abseits führt. Höchstens in ein Jenseits, das Bernd Kirschner „Aus einer Handvoll Wind“ speist und mit einer Zepter bewehrten, dem Tod sehr ähnlichen Frauenfigur am Rand des Diesseits ansiedelt. „Bis hierher und nicht weiter“ werden sich die Lebenden denken und darauf hoffen, dass die alte Dame in ihrem Reich bleibt. Mystisch, fast surreal muten auch die anderen großformatigen, Gemälde des in Memmingen geborenen, heute in Berlin lebenden Künstlers an, weil sie auf den ersten Blick so harmonisch scheinen, in ihrem Kern aber viele Kontraste bergen. Harmonisch, frisch, fromm, fröhlich, wirken spontan auch die mit scheinbar so leichter Hand auf Papier skizzierten Eindrücke von Cony Theis. Aber die Wild-, Wald- und Jagdszenen der Kölner Maler- und Konzeptkünstlerin bergen Abgründe, führen auf Abwege, drehen die Flinte fast spielerisch auf falsche Ziele, machen den Jäger zum Gejagten und den Zuschauer zum Freiwild. Man kann diese aneinandergereihten Aquarell/Tusche-Bildsequenzen betrachten wie einen Comic, der kein Ende nimmt. Auch Julia Lohmanns stilisierte Landschaften ziehen lange Bahnen zwischen Zeit und Raum und bilden mit kraftvoll leuchtenden Farben auf glänzenden Aluminiumkörpern markante, strukturstarke Streifen zwischen Himmel und Erde. Die Landschaftspanoramen der in Dorsten geborenen, an der Kunstakademie lehrenden Mitbegründerin des Paul Pozozza Museums wirken wie ein lupenreines Destillat aus geschärftem Blick und gefühlter Wahrnehmung der unmittelbaren Umgebung. Sogar die Literatur fließt hier mit ein: Der gefaltete Fries „Flugzeuge darüber“ hat seinen Titel aus Hans Thills „Wege der Gedichte“ gefischt und nimmt so unmittelbar Bezug zum Künstlerhaus und seinem literarischen Leiter. „Strukturierte Erkenntnisse“ anderer Art plakatiert Uwe Esser mit kraftvollen Acrylfarben und -lacken auf Dekostoff und Leinwand. Dabei verankert der Düsseldorfer, der nicht nur Kunst, sondern auch Geschichte, Pädagogik und Philosophie studierte, seine Gedankengänge gerne an einem figürlichen Fixpunkt. Auch seine Installation „Kleines Haus am Mississippi“ verrät die Sehnsucht des Menschen, an einem Ort sesshaft zu werden und seinen ureigenen Platz im Dschungel der Gesellschaft und ihrer Umgebung zu finden.

x