Rheinpfalz Wohnzimmer als Fitnessstudio

Ein Training daheim kann durchaus effektiv sein, wenn man es richtig betreibt. Teure Geräte sind dafür gar nicht nötig, der eigene Körper reicht aus. Experten empfehlen, auf eine gute Balance zwischen Kraft- und Ausdauerelementen zu achten und mehrmals pro Woche zu trainieren.

Rechtzeitig die Sporttasche packen, sich hinaus in die Kälte wagen, im Fitnessstudio den untrainierten Körper zur Schau stellen und für das Ganze auch noch Geld zahlen. Das alles kostet Bewegungsmuffel viel Überwindung. Wie bequem und preiswert ist es dagegen, im Wohnzimmer die Yoga-Matte auszubreiten und vor dem Bildschirm zu strampeln. Aber kann solches Heimtraining denn „richtigen“ Sport ersetzen? Oder macht man sich dadurch etwas vor?„Das ist auf jeden Fall besser als nichts“, sagt Michaela Hombrecher von der Techniker Krankenkasse (TK). „Wenn sich jemand zum Beispiel nicht ins Fitnessstudio traut oder sehr wenig Zeit hat, ist es besser, daheim zu trainieren, als sich gar nicht zu bewegen.“ Der große Vorteil des „Heimstudios“ ist nämlich, dass die Hemmschwelle sehr gering ist: Man kann jederzeit und beliebig lange trainieren. Zudem nutzt man freie Zeit optimal, da Anfahrten wegfallen. Gerade für Bewegungsmuffel, die sich dem Sport langsam nähern wollen, sind Übungen daheim daher ein guter Einstieg. Das sehen Sportwissenschaftler ähnlich. „Man kann zu Hause genauso effektiv trainieren wie im Fitnessstudio“, sagt Prof. Daniel Kaptain von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement /BSA-Akademie mit ihrer Zentrale in Saarbrücken. „Aber man muss entsprechend motiviert sein, um das umzusetzen.“ Heim-Sportler laufen nämlich Gefahr, weniger intensiv zu trainieren: Wer sich unbeobachtet fühlt, lässt sich schnell mal hängen. Oder man lässt die Übungseinheit gleich ganz ausfallen. So betont Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln: „Wichtig ist, regelmäßig zu trainieren. Nur dann werden Sie positive Effekte verzeichnen können.“ Für computergestützte Bewegungsspiele wie „Wii“ haben Wissenschaftler gezeigt, dass sie nicht mit „echtem“ Sport vergleichbar sind. Im Rahmen einer Studie ließ der Sportmediziner Prof. Klaus Völker von der Universität Münster 40 Sportstudenten mit der Spielkonsole je eine Trainingseinheit in Boxen, Tennis und Vierkampf absolvieren. Danach wurden unter anderem die Herzfrequenz und der Laktatwert der Probanden gemessen und mit Werten verglichen, wie man sie aus der Forschung von den echten Sportarten kennt. Das Ergebnis war eindeutig: Mit den Simulationen erreichte man bei weitem nicht das Belastungsniveau der realen Vorbilder. Abgesehen davon leidet jede Form von Heimsport darunter, dass der Trainer fehlt. So kann es leicht passieren, dass man Übungen falsch macht. Im besseren Fall haben sie dann keinen oder nicht den gewünschten Effekt. Im schlechteren Fall kann man sich verletzen – etwa, indem man ein Band überdehnt. Deshalb rät Froböse, daheim noch bewusster auf die korrekte Ausführung zu achten, egal um welches Workout es sich handelt: „Nutzen Sie einen Spiegel zur Bewegungskontrolle oder bitten Sie einen erfahrenen Sportler auf die Ausführung zu schauen.“ Außerdem sollte man beim Training auf Abwechslung achten. Wer immer dieselben Übungen – etwa ein tägliches Bauchmuskel-Workout – absolviert, sieht wenig Erfolge und fängt leicht an, sich zu langweilen. „Zum einen ist es wichtig, eine gute Balance zwischen Kraft- und Ausdauerelementen zu finden“, erklärt Froböse. „Zum anderen sollten auch die verschiedenen Muskelgruppen ausgewogen belastet werden. Man kann an einem Tag den Trainingsschwerpunkt auf die Beine legen, aber dann sollte am nächsten Tag eine andere Struktur trainiert werden, beispielsweise der Rumpf oder die Arme.“ Und wie findet man das richtige Workout? Das Angebot an Fitness-Apps, DVDs und Videos, mit deren Hilfe man trainieren kann, ist inzwischen schier unüberschaubar. Qualitätssiegel gibt es nicht. Daher sollten sich Anfänger und Menschen, die Vorerkrankungen – etwa Rücken- oder Knieprobleme – haben, vom Arzt beraten lassen, bevor sie mit einem Workout beginnen. Ansonsten kommt man nicht umhin, vor dem Kauf die Beschreibung sowie die Besprechungen kritisch zu lesen. Zumindest hinsichtlich der DVDs hat Kaptain einen Tipp: „Man sollte darauf achten, wer dahinter steht“, sagt er. „Ein namhafter Sportwissenschaftler hat auch einen Ruf zu verlieren.“ So kann man davon ausgehen, dass ein seriöser Experte wohl kaum für ein schlechtes Workout werben wird. Fitnessgeräte, wie sie in Internet und Fachhandel zu Hauf angeboten werden, halten die Experten für überflüssig. „Die meisten Menschen benutzen die Geräte nach einer Weile nicht mehr“, sagt Kaptain. „So ein Ergometer wird oft bald als Wäscheständer missbraucht.“ Froböse gibt außerdem zu bedenken, dass an solchen Geräten Muskelgruppen relativ isoliert trainiert würden. „Natürlicher ist es jedoch, wenn Muskelgruppen im Verbund beansprucht werden“, betont er. Viel Geld in mysteriöse Bauch-weg-Trainer zu investieren, muss also nicht sein – zumal bei allzu großen Versprechungen äußerst fraglich ist, ob sie zu halten sind. „Ich empfehle das Training mit dem eigenen Körpergewicht“, sagt Froböse. Das kostet nichts und ist zudem platzsparend: Außer einer Matte braucht man kein Zubehör. Und dadurch, dass man jederzeit und überall trainieren kann, ist die Hemmschwelle gering. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Erwachsenen generell, pro Woche mindestens 150 Minuten körperlich aktiv zu sein – das heißt zum Beispiel, sich fünf mal pro Woche eine halbe Stunde lang zumindest moderat zu bewegen. Darunter fällt nicht nur Sport. Auch Treppensteigen, Gartenarbeit oder flottes Gehen zählt als körperliche Aktivität. Kaptain geht in seinen Empfehlungen allerdings weiter: „Insgesamt sollte man pro Woche drei bis vier Stunden körperlich aktiv sein“, sagt er. Damit man sich nicht zu einseitig bewegt, sollten zweimal pro Woche Kraft- und zweimal Ausdauertraining dabei sein. Den Einwand, dass viele Bundesbürger zu wenig Zeit hätten, um das zu schaffen, lässt der Fitnessexperte nicht gelten. „Im Schnitt sehen die Deutschen zweieinhalb Stunden täglich fern. Die Zeit ist also da, man muss sie sich nur besser einteilen“, betont er. „Der Durchschnitts-Bürger bewegt sich täglich gerade mal 800 Meter. Das ist komplett gegen die Natur. Zum Vergleich: In den 50er Jahren waren es 15 Kilometer pro Tag.“

x