Kultur Südpfalz Wutrede aus dem Baumhaus

Schon vor zwei Jahren hatte Jutta Speidel mit ihrem vergnüglichen Rundumschlag gegen miese Männer im Allgemeinen und ihren treulosen Johnny im Besonderen beim Karlsruher Publikum so großen Erfolg, dass die Inszenierung von „Verliebt, verlobt, verschwunden“ aus der „Komödie am Bayerischen Hof“ jetzt abermals als Gastspiel in die Fächerstadt kommt.

„Die zweite Ehe ist der Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.“ Wenn ein Theaterabend so schöne Einsichten vermittelt, ist er schon einen Besuch wert. Tatsächlich beschert die Komödie von Stefan Vögel, die derzeit im Karlsruher Kammertheater zu sehen ist, ein ganzes Feuerwerk von humorvoll zugespitzten Bemerkungen zum Verhältnis der Geschlechter, und Jutta Speidel zeigt in der dankbaren Solo-Rolle der wütenden Dagmar ansteckende komödiantische Energie. Die bekannte Darstellerin liefert eine fulminante Wutrede ab, die schon deshalb auf große Heiterkeit stößt, weil ihr Anlass sich zum guten Ende doch als nichtig erweist. Vorher aber rast Dagmar – gegen die Herren der (hierin misslungenen) Schöpfung, aber auch gegen sich selbst, weil sie aus den unguten Erlebnissen mit ihrem Ex-Gatten Hubert nichts gelernt und sich nach längerem Single-Dasein nun doch noch entschlossen hat, mit dem wundervollen Johnny einen neuerlichen Ehe-Versuch zu wagen. Johnny aber ist ausgerechnet am Hochzeitstag unauffindbar und lässt nur eine karge Drei-Wort-Botschaft zurück: „Ich kann nicht.“ Kein Wunder, dass die Verlassene tobt. In ihrer Rage zieht sich Dagmar in ihr geliebtes Baumhaus aus längst vergangenen Kindertagen zurück, streift das alte Prinzessinnenkleid über und lässt ihrer Empörung freien Lauf. Und weil sie so schön in Fahrt ist, macht sie aus ihrem verletzten Herzen keine Mördergrube und gönnt sich (und dem Publikum!) allerlei ergötzliche Tiraden zu den ewigen Grundfragen der Geschlechterbeziehung. Wie soll ein richtiger Heiratsantrag aussehen? Welche Negativ-Typen sollte frau bei der Partnerwahl lieber gleich aussortieren? Und wie kommt es, dass die Frauen diesen schrecklichen Kerlen dennoch erliegen? Zwei Stunden lang wütet, räsoniert, witzelt, höhnt und kokettiert Jutta Speidel in ihrem Baumhaus, klettert im Geäst herum, spielt mit Masken und Puppen, zieht alle Register ihrer reichen Boulevard-Routine, schöpft aus reifer Bühnenerfahrung und reißt das Publikum mit beeindruckendem Powerplay mit. Dass da gelegentliche Längen den Fluss hemmen, geht im allgemeinen Amüsement des Pointenregens gnädig unter, und auch die entbehrlichen, von Viktor Pries begleiteten Lied-Einlagen können den Spaß über diesen Abend kaum trüben. Die Zuschauer jedenfalls quittierten den Gastspiel-Auftakt mit starkem Beifall.

x