Rheinpfalz Zurück zu den Leisten

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Zuerst die Umstrukturierungen in der osteuropäischen Produktion, dann der Verkauf der Schuhhandelskette Leiser plus personelle Veränderungen in der Geschäftsführung: Beim Schuhhersteller Seibel war im vergangenen Jahr vieles in Bewegung. Jetzt soll etwas mehr Ruhe einkehren, das Kerngeschäft wieder in den Mittelpunkt rücken – „sich mehr auf die eigene DNA konzentrieren“, nennt es Firmenchef Carl-August Seibel.

„Es waren zu viele Dinge.“ Wenn einer wie Carl-August Seibel so etwas sagt, dann hat das besonderes Gewicht. Denn der Unternehmer ist keiner, der sich zurücklehnt. Im Gegenteil: Der Urenkel des Gründers hat den Produktionsbetrieb schrittweise erweitert und zum international agierenden Unternehmen aufgebaut. Erfolgreich sanierte er die Schuhmarke Romika, die 2005 zur Kernmarke Josef Seibel hinzu kam, stieg 2010 zunächst mit 49 Prozent bei dem schwächelnden Schuhhandelsunternehmen Leiser GmbH & Co KG ein, bevor er diesen 2012 komplett übernahm. Nie stehen bleiben, offen sein für Neues, lautet die Devise im Hause Seibel – und auch mal ungewöhnliche Verbindungen eingehen wie mit der TV-Blondine Daniela Katzenberger, die dem Traditionsunternehmen eine – inzwischen ausgelaufene – High-Heels-Linie und viel Aufmerksamkeit bescherte. Doch mit der Übernahme der Leiser-Schuhhandelskette – zuletzt noch mit 100 Läden und etwa 1000 Beschäftigten – hatte sich vieles verändert. Auch Seibel unterhält seit Jahren eigene Markengeschäfte, doch nun war der Schuhproduzent dem vollen Druck der sich rasant wandelnden Handelslandschaft ausgesetzt – ein Wandel, der sich nach Seibels Beobachtung in einer immer schnelleren Geschwindigkeit vollzieht. Nicht nur das Kaufverhalten, auch steigende Mieten in Innenstädten und das Überangebot – auch durch mehr große Einkaufszentren – setzten stationäre Händler weiter unter Druck. Leiser habe zwar eine vernünftige Entwicklung genommen, betont Seibel, aber man müsse ja auch weiter investieren – oder man lasse es jemand anders machen, wie im Fall Leiser nun geschehen. Für ihn war es „besser und sauber, beides zu trennen“. Hinzu kam noch etwas. Durch Leiser habe sich vieles verschoben, stellt Seibel fest – auch seine Arbeitszeit, und zwar nicht selten bis Mitternacht. Den Begriff „Work-Life-Balance“ mag er eigentlich gar nicht. Doch selbst er hat sich nun gefragt, ob er das mit 57 Jahren noch lange so machen wolle. Entlastung in Gestalt der Kinder ist auch noch nicht in Sicht. Die 27-jährige Tochter, die ihr Studium Internationales Management beendet hat, arbeitet derzeit beim Textilunternehmen Gerry Weber, für den Seibel Schuhe in Lizenz produziert. Doch das sieht der Vater sehr gelassen – die junge Generation habe eben eigene Vorstellungen, meint er. Schon voriges Jahr kam als Verstärkung Tobias Zimmerer in die Geschäftsführung der Seibel-Gruppe, wo er für den Produktionsbereich zuständig ist. Seibel selbst hat nun, nach dem bewussten Rückzug von Andreas Garnier aus der Geschäftsführung der Gruppe, Marketing- und Vertriebsstrategie übernommen, ist damit auch wieder näher am Kunden dran – und am Kerngeschäft. Die Schuhproduktion wird jetzt, nach dem Verkauf von Leiser zum 1. Juli, wieder verstärkt im Mittelpunkt des Geschäftes stehen. Und das verläuft trotz des schwierigen Marktes weiterhin relativ stabil. Die Umstrukturierung der Produktion ist inzwischen abgeschlossen: Seibel-Schuhe, die bisher in Ungarn mit einem Partner produziert wurden, werden nun vor allem in Albanien und Bulgarien hergestellt, wo die Löhne günstiger sind. In Ungarn gibt es noch eine – verringerte – Produktion für Romika und das Logistikzentrum. Dort hat sich nun übrigens auch die aktuelle Grenzschließung zu Österreich bemerkbar gemacht: Auch Lastwagen mit Seibel-Schuhen steckten in 20-Kilometer-Staus vor der Grenze fest. Weltweit dürften an die 3000 Menschen für Seibel arbeiten. Beschäftigt bei der Gruppe sind etwa 600, davon 200 am Firmensitz Hauenstein und 70 am Romika-Standort Trier. Zwölf Auszubildende arbeiten bei Seibel; Probleme, Nachwuchs zu finden, hätten sie derzeit gar nicht, sagt er. Nach den jüngsten Veränderungen dürfte es vorerst keine weiteren Überraschungen aus Hauenstein geben – Konsolidierung heißt dort nun die Devise. Doch Seibel wäre nicht Seibel, wenn es gar keine weiteren Neuigkeiten gäbe. So produziert er noch zwei neue Marken, die den hochpreisigeren Bereich abdecken sollen: „Daniel Herzbluth“ vor allem für sportive Herrenschuhe und „Tizian“, modisch-elegante Schuhe vor allem für Damen. Die Eigenmarke Tizian wird nun ebenfalls im eigenen Online-Shop bei Seibel vertrieben. (tre)

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