Rheinpfalz Zur Sache: Ein Eid, aus vollem Herzen gesprochen und in allgemeiner Rührung

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Die Übernahme des Kantons Kusel fand am 4. Mai 1816 im neuen Kuseler Tribunalgebäude in der Landschaftsstraße statt. Bereits am frühen Morgen kündigte Glockengeläut die bevorstehenden Feierlichkeiten an. Obwohl die Einladungen recht kurzfristig versandt worden waren, „blieb doch fast niemand aus, so groß war der Eifer, der Besitznahme beizuwohnen“. Es waren 97 Teilnehmer erschienen aus den sechs Bürgermeistereien: Pfarrer, Bürgermeister, Beigeordnete, Gemeinderäte, Einnehmer und Schullehrer. Der Übernahmekommissar, Appellationsrat Retzer aus Kaiserslautern, verlas das österreichische Entlassungs- und das bayerische Übernahmepatent. Dann wies er darauf hin, dass die Gemeinden Burglichtenberg, Thallichtenberg, Ruthweiler, Pfeffelbach, Reichweiler und Schwarzerden nicht mehr zum Kanton Kusel gehörten. Hinzugekommen seien die Gemeinden Eschenau, St. Julian, Bubach, Saal, Niederkirchen, Marth, Hoof und Osterbrücken, die damit in den Kanton einverleibt seien. Wie in Kaiserslautern versicherte der Übernahmekommissar auch in Kusel, dass weder der kirchliche Zehnt noch feudale Rechte des Adels wieder eingeführt würden. Rechtmäßiges Eigentum werde geschützt, alle Güter unterlägen gleicher Besteuerung. Danach sprachen alle anwesenden Vertreter der Kirchen und Gemeinden gemeinsam den Eid: „Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen einen bürgerlichen Eid, Seiner Majestät dem König von Bayern, meinem allergnädigsten König und Herrn, treu zu sein, den Gesetzen gewissenhaft nachzukommen und in allen Fällen meine Pflicht als Untertan und Staatsdiener nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen, so wie ich es vor Gott, dem König und den Gesetzen zu verantworten zu können glaube. Dies alles will ich getreu befolgen, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort.“ Kommissar Retzer meldete in seinem Bericht nach Kaiserslautern: „Der Eid wurde von Herzen gesprochen, und die alte Anhänglichkeit, Ergebenheit und Liebe zum alten Fürstenstamm war unverkennbar. Die Rührung war wirklich allgemein.“ Nach der Vereidigung setzte man sich zu einem Festmahl zusammen, bei dem „Anstand, Munterkeit und Frohsinn herrschte, dem man ansah, dass er nicht gekünstelt war, sondern aus der Fülle des Herzens kam“. Das bayerische Übernahmepatent und das Kuseler Huldigungsprotokoll wurden vom 5. bis zum 12. Mai 1816 an den Eingangstüren aller Kirchen und Gemeindehäuser innerhalb des Kantons ausgehängt. Die Bevölkerung der Pfalz stand dem Anschluss an Bayern durchaus aufgeschlossen gegenüber. Für sie war es wichtig, dass es auf dem linken Rheinufer nicht wieder zu einem staatlichen Flickenteppich wie in der Zeit vor 1792 mit ihren vielen Zollgrenzen und den damit verbundenen Handels- und sonstigen Beschränkungen kam. Dem früher pfalz-zweibrückischen Teil der Pfalz war zudem das bayerische Herrscherhaus nicht fremd. Denn König Maximilian I. war der Bruder des letzten Herzogs Karl August II. von Pfalz-Zweibrücken, und beide hatten früher öfter das herzoglichen Jagdschloss zu Herschweiler-Pettersheim besucht, das dann jedoch von französischen Revolutionstruppen zerstört worden war. Zwei Jahre nach der Angliederung an Bayern wurde in der Pfalz eine neue Verwaltungsebene eingeführt: Über dem Kanton entstand das Landkommissariat, das sich bis heute als „Landkreis“ erhalten hat. Das Landkommissariat Kusel hatte es von Anfang an dadurch besonders schwer, dass an seinem nordwestlichen Rand über viele Kilometer eine Staatsgrenze verlief, erst zu Sachsen-Coburg, ab 1834 zu Preußen hin. Dadurch blieb dieses Grenzland – von München aus gesehen ganz oben im Norden – von staatlichen und wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen meist ausgeschlossen, was Auswirkungen auf die Struktur bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte. Deshalb wurde auch manche Versetzung von höheren Beamten nach Kusel von diesen geradezu als Strafversetzung angesehen. Als etwa der aus Ludwigshafen stammende Regierungsrat Robert Leuthner 1938 Landrat in Kusel werden sollte und auch wurde, teilte ihm dies Gauleiter Bürckel anlässlich einer Tagung in München persönlich mit. Bürckel versuchte Leuthner zu trösten, weil er nun in die „hinnerscht Hinnerpalz“ müsse und erzählte ihm mitfühlend folgende Geschichte: „Gott kam auf die Erde herab und ging über das Land. Da sah er am Straßenrand einen Mann sitzen, der bitterlich weinte. Als Gott ihn ansprach, warum er denn so sehr weinen müsse, entgegnete der Mann: „Eich sein vun Kusel„. Da sagte der liebe Gott: “Dann kann ich Dir auch net helfe.“ So steht es jedenfalls in Leuthners Tagebuch. (hki)

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