Kultur Südpfalz Zwischen Armut und Opulenz

„Was sind Kriege anders als eine schlechte Ausrede!“ Wer das zur falschen Zeit sagte oder – noch schlimmer – zur richtigen, der machte sich nicht immer beliebt bei den Einflussreichen seiner Umgebung. Zu spüren bekam das in ihrem vom Kampf um Frieden durchdrungenen Leben die Schriftstellerin Annette Kolb. 1870 wurde sie in München geboren und starb dort 1967 allerdings nach einem Lebenslauf, der sie jahrelang ohne festen Wohnsitz sein und dann im Exil landen ließ.

Zum Jahrestag der Verbrennung von Büchern unliebsamen Inhalts durch die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 widmete ihr der Verein für Volksbildung und Jugendpflege gemeinsam mit dem Frank-Loeb-Institut der Uni Landau und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit eine szenische Lesung im Empfangssaal des Rathauses, jener Stätte, vor der damals der barbarische Vorgang auch in Landau stattgefunden hatte. Erica Risch vom veranstaltenden Verein ebnete dem aufgeschlossenen Zuhörerkreis den Weg zurück in die Gedankenwelt derer, die sich „den Mund nicht haben verbieten lassen“ und zu denen Annette Kolb gehörte. Die Tochter eines Gartenarchitekten am bayerischen Hof und einer Pariser Pianistin wurde wenige Monate nach dem Ausbruch des 1870er-Krieges geboren. Geprägt von den Kulturen der damaligen erbitterten Feinde, wurde sie noch vor dem Ersten Weltkrieg eine glühende Verfechterin des Pazifismus und forderte mitten im Krieg 1915 „den Verstand zu benutzen und Frieden zu schließen“, was ihr die Verfolgung durch das bayerische Kriegsministerium eintrug. Sie floh in die Schweiz in eine kleine Wohnung in Bern, lebte nach dem Krieg jahrelang ohne festen Wohnsitz, bis sie sich 1923 in Badenweiler niederließ und Kontakt mit Robert Schickele auf der elsässischen Seite pflegte, immer stärker unter der Furcht und dem Verdacht, auf einer schwarzen Liste der Gegner zu stehen. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, emigrierte sie nach Paris, wurde französische Staatsbürgerin und floh 1941 vor den Nazis weiter nach New York. Nach Kriegsende 1945 kehrte sie über Paris rasch nach Badenweiler zurück und lebte dort im wechselnden Aufenthalt mit Paris. Nun wurden ihr auch mehrfache Auszeichnungen sowohl von französischer wie von deutscher Seite für ihr Friedenswerk zuteil. Rischs schlüssige Zusammenfassung ihres pazifistischen Engagements und ihrer Machtprobe mit den Militärs geschah im Wechsel mit der inhaltsreichen szenischen Lesung aus ihren deutlich autobiografisch unterbauten Romanen und Erzählungen durch Elke Moning und Hans-Martin Rieger. Beide verliehen der unerschütterlichen Haltung Kolbs Kontur und Aussagekraft, ließen aber auch sowohl Charme wie Standfestigkeit erkennen in Situationen „zwischen Armut und Opulenz“, in der „der Verworfenste das Szepter schwang“. Dazwischen erklang immer wieder die strenge Melodie des Cellos in seiner sanften, puren Klarheit, die Isabel Eichenlaub in der Interpretation von Werken ertönen ließ, die in deutbarer Beziehung zu Kolbs Schaffen standen. Einleitende Worte von Bürgermeister Maximilian Ingenthron verliehen mit der Erinnerung an den Tag der Bücherverbrennung vor 83 Jahren dem Gedenken örtlichen Bezug. Ingenthron beschwor die damalige, sich am helllichten Tag vollziehende „gespenstische Zeremonie“ auf dem Paradeplatz herauf, wo sich Schüler und Lehrpersonal, aber auch Teile der Bürgerschaft versammelt hatten, um der „Aktion wider den undeutschen Geist“ beizuwohnen, die der Bürgermeister eher als eine „widerliche Aktion gegen den Geist“ überhaupt betrachtete, die hier systematisch und mit deutscher Gründlichkeit, aber auch mit der Unterstützung williger Helferinnen und Helfer ausgeführt worden sei. Ingenthron sah darin einen Anlass zur Mahnung, mit dem kostbaren Gut demokratischer Rechte sorgsam umzugehen und dankte den Menschen, die sich dafür engagieren: Den den Abend veranstaltenden Organisationen ebenso wie den Mitwirkenden: Sie sorgten mit dafür, dass Landau eine Stadt des Geistes und der Toleranz bleibe. (hd)

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