Ernährung Mehr Schutz für Kinder vor «Junkfood»-Werbung
Berlin (dpa) - Bunte Comic-Figuren auf Bonbonverpackungen oder Internet-Stars, die Chips und Süßes auf Instagram bewerben: mit solchen Marketingmethoden will die Werbewirtschaft Kinder und Jugendliche oft für ihre Produkte gewinnen.
Doch Werbung dürfe Kinder nicht dazu verleiten, sich ungesund zu ernähren, hatte Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) zuletzt immer wieder betont - und auf eine Verschärfung der Verhaltensregeln gepocht. Nun hat die Werbewirtschaft reagiert - Verbraucherschützern geht das aber nicht weit genug.
Selbstverpflichtung der Werbewirtschaft
Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) plant im Rahmen einer Selbstverpflichtung der Branche verschärfte Verhaltensregeln, die am 1. Juni in Kraft treten sollen. Kinder und junge Jugendliche sollen so in Zukunft besser vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden.
Konkret soll die Altersgrenze über alle bereits bestehenden Regeln hinweg von 12 auf 14 Jahre angehoben werden. «Die Werbewirtschaft muss nun also sämtliche Verbote, die bislang gültig waren, auf eine erweiterte Altersgruppe anwenden», sagte ZAW-Hauptgeschäftsführer Bernd Nauen. So darf Lebensmittelwerbung für Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren weder direkte Aufforderungen zum Kauf noch zum Konsum enthalten. Klöckner bezeichnete die Anhebung der Altersgrenze als überfällig: «Kinder werden jetzt deutlich besser geschützt.»
Nauen zufolge ist nun außerdem verboten, gegenüber dieser Altersgruppe positive Ernährungseigenschaften solcher Lebensmittel in der Werbung hervorzuheben, deren übermäßiger Konsum nicht empfohlen werde. Es gehe dabei um Formulierungen wie «unter Zusatz wertvoller Vitamine und Mineralstoffe» oder «hoher Ballaststoffanteil für körperliche Leistungsfähigkeit». Der Verzehr kleinerer Mengen im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung wirkt sich aus Sicht der Werbewirtschaft nicht negativ auf die Gesundheit aus. «Ein Snack bleibt ein Snack», sagte Nauen.
Verbraucherschützer bleiben skeptisch
Kritik kam von der Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch. «Bundesministerin Klöckner täuscht die Öffentlichkeit, indem sie die marginale Anpassung einer freiwilligen Selbstverpflichtung als großen Wurf verkauft», sagte Foodwatch-Expertin Luise Molling. Denn nach wie vor könnten Hersteller von Zuckerbomben und fettigen Snacks ihre Produkte ganz legal direkt an Kinder bewerben. «Freiwillige Selbstregulierungen sind nachweislich ungeeignet, um Kinder vor übergriffiger Junkfood-Werbung zu schützen», so Molling weiter.
Nauen hält dagegen: «Unser Job ist, Kinder nicht dazu zu verleiten, sich ungesund zu ernähren.» Die Werbewirtschaft könne jedoch nicht anstelle der Eltern die Erziehung übernehmen.
Die Verhaltensregeln beziehen sich nach ZAW-Angaben nach wie vor nicht nur auf klassische Werbung im TV oder Radio, sondern gelten auch in sozialen Netzwerken. Gerade für Plattformen wie Youtube und Instagram forderten Verbraucherschützer zuletzt immer wieder strengere Regeln. «Wenn ein Influencer auf Instagram im Auftrag eines Unternehmens Lebensmittel an Unter-14-Jährige bewirbt, hat auch er diese Regeln voll und ganz zu beachten», sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, Katja Heintschel von Heinegg.
Kinder als Zielgruppe
Anhand von Indikatoren wie der Sprache oder des Einsatzes von Comicelementen lasse sich bestimmen, wann sich Werbung an diese Altersgruppe richte. Auch kinder- oder jugendaffine Testimonials seien oftmals ein Indiz.
Klöckner erwartet, dass die angepassten Verhaltensregeln auch konsequent in der Praxis Anwendung fänden. Andernfalls sei seine strengere staatliche Regulierung nicht ausgeschlossen, sagte sie.
Lebensmittelwerbung, die an Kinder gerichtet ist, ist in Deutschland durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zwischen den Bundesländern geregelt. Dieser wird wiederum von den Verhaltensregeln des Werberats ergänzt. Die Verhaltensregeln des Werberats werden von der umfänglich im ZAW vertretenen Werbewirtschaft beschlossen und verabschiedet.
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