Wirtschaft „Überall Wasser aus dem Hahn trinkbar“

Nitrat aus der als Dünger ausgebrachten Gülle gelangt ins Grundwasser. Mancherorts sind die Werte besorgniserregend hoch.
Nitrat aus der als Dünger ausgebrachten Gülle gelangt ins Grundwasser. Mancherorts sind die Werte besorgniserregend hoch.

«Ludwigshafen». Viele Dinge fallen im Alltag erst auf, wenn sie schlecht oder gar nicht funktionieren – nicht aber, wenn alles reibungslos läuft. Die Versorgung mit Trinkwasser und Energie etwa gehören zu den Dingen, die wir zwar als selbstverständlich erleben, die es aber nicht sind. Wir sprachen mit Wolfgang Bühring, Sprecher des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU) in Rheinland-Pfalz, darüber.

Herr Bühring, Experten warnen vor drastisch steigenden Wasserpreisen aufgrund der Überdüngung von Böden, vor allem durch das Ausbringen von Gülle, aber auch durch die großzügige Verwendung von Kunstdünger. Wie ist die Situation aktuell in der Pfalz und welchen Ausblick geben Sie für die Verbraucher?

Zunächst einmal die gute Nachricht: Überall in Rheinland-Pfalz können die Verbraucher das Wasser aus dem Hahn bedenkenlos trinken. Die kommunalen Wasserversorger sorgen durch strenge Kontrollen dafür, dass die Qualität auf höchstem Niveau ist. Doch die langjährigen Diskussionen um Nitrate und andere Schadstoffe treiben den Verbrauchern zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn. Zu dem Ergebnis kommt auch eine repräsentative Langzeitstudie. Wie sieht der VKU die Problematik? Aus unserer Sicht werden seit Jahren zu viel Gülle und Mineraldünger auf den Feldern ausgebracht. In vielen Teilen Deutschlands gelangt der überschüssige Stickstoff in die Böden und damit auch Nitrat ins Grundwasser, der wichtigsten Trinkwasserressource – auch in Rheinland-Pfalz. Um die Nitratbelastungen zu senken und die Vorgaben der Trinkwasserverordnung einzuhalten, müssen Wasserversorger schon heute in einigen Regionen Maßnahmen ergreifen, beispielsweise Brunnen verlagern, gänzlich andere Quellen nutzen oder belastetes und unbelastetes Wasser mischen. Wie kann oder muss gegengesteuert werden? Das Augenmerk sollte auf dem Vorher liegen, dem Verursachen von Verunreinigungen, und nicht auf dem Hinterher, der für Wasserkunden teureren Reinigung. Nur so können wir unsere Trinkwasserressourcen wirksam schützen. Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zeigt, dass es wesentlich teurer ist, das Nitrat wieder aus dem Wasser rauszuholen, als die Einträge vorher zu reduzieren. Es schätzt, dass in betroffen Regionen die Trinkwasserkosten um 55 bis 76 Cent pro Kubikmeter steigen könnten, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden. Es ist also im Interesse aller, dass wir die Nitrateinträge möglichst rasch reduzieren. Wir hoffen dabei auch, dass die von der Landesregierung im Umweltministerium angebotenen Projekte und Kooperationsmaßnahmen – Nährstoffmodellierung, Stickstoff- und Nitratreduzierung durch gezieltes Düngemanagement ohne Ertragsreduzierung – von der Landwirtschaft angenommen und umgesetzt werden. Immer einmal wieder werden Stimmen laut, dass die Kanalsysteme aufgrund schrumpfender Bevölkerung nicht mehr überall ausreichend gespült werden. Gibt es Schwerpunktgemeinden oder -regionen, in denen dieses Problem in der Pfalz besonders virulent ist? Die Gründe für das Spülen von Kanälen sind vielfältig. Eine pauschale Antwort gibt es darauf nicht. Die Demografie kann ein ausschlaggebender Faktor sein, es gibt aber noch weitere. Beispielsweise gibt es Mischkanalisation und Trennkanalisation. Bei der zweiten Kanalisationsform gelangen Schmutzwasser und Regenwasser in unterschiedliche Kanäle. Das ist beim Neubau übrigens gesetzlich vorgesehen. Auch die Topographie – befinde ich mich in einer eher flachen Region oder gibt es Gefälle – spielt eine Rolle. Zudem gibt es klimatisch bedingte Veränderungen, längere Trockenheitsperioden oder die Zunahme von Starkregenereignissen. Alleine dadurch gibt es in solchen Phasen nicht nur auf dem Land, sondern auch in einer Stadt wie Speyer sporadisch Geruchsprobleme oder Überstau. Welche Rolle spielt die im Schnitt immer älter werdende Gesellschaft? Generell stellt der demografische Wandel kommunale Unternehmen beim Erhalt und der Entwicklung von Infrastrukturen vor neue Herausforderungen. Infrastrukturelle Anpassungen und Eingriffe sind aber sehr kostenintensiv und auch technisch nur in einem begrenzten Umfang möglich. Einen zentralen Schlüssel zur Bewältigung der demografischen Effekte im ländlichen Raum sehen wir in interkommunalen Kooperationen. Die Energiewende scheint aus Endverbrauchersicht ein wenig erfolgreiches, sehr langwieriges und teures Unterfangen. Wann werden die Verbraucher in der Pfalz dadurch endlich finanziell entlastet? In der Tat kosten die Umstellung auf umweltfreundliche Technologien und der Ausbau des Stromnetzes. Das ist nicht wegzudiskutieren. Das merken die Verbraucher natürlich anhand ihrer Stromrechnung. Eine Möglichkeit wäre es, alle Energiesektoren – also Strom, Wärme und Mobilität – gleichermaßen an den Kosten zu beteiligen. Wer Angebote nutzt, die viel CO2 verursachen, würde mehr zahlen. Mit einer CO2-Steuer könnte man die zurzeit komplizierten und sich jährlich ändernden Aufschläge und Energiesteuern ersetzen. Dann hätte man ein einfacheres und faires Steuerungsinstrument und Investitionen in Effizienz und erneuerbare Energien würde sich rentieren. Wo sehen Sie vermeidbare Kosten? Ziel muss sein, Staus auf den Stromautobahnen zu vermeiden. Durch das Hoch- und Herunterfahren von Kraftwerken sowie die Abregelung von erneuerbaren Energien müssen Bürger und Wirtschaft Kosten von mittlerweile mehr als 1 Milliarde Euro im Jahr über ihre Stromrechnung bezahlen. Ein Lösungsansatz liegt in den Stromverteilnetzen vor Ort, den Strom-Landstraßen, -Kreisstraßen und -Gemeindestraßen: In den Verteilnetzen kann Informationstechnologie die verstopften Stromautobahnen entlasten. Hier sind die regionalen und kommunalen Versorger gefragt. Ja, denn die Verteilnetze können zukünftig einen steigenden Anteil des Ökostroms in größeren Regionen vor Ort verteilen oder dezentral speichern, etwa in Wärmenetzen. Dafür gibt es schon bei den meisten Stadtwerken Konzepte, Know-how und Angebote. Allein: Die dafür anzupassenden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen fehlen noch immer. | Interview: Judith Schäfer

W. Bühring
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