Wirtschaft BASF: Kritische Fragen nach Bocks Sparkurs

BASF-Chef Kurt Bock (links) begründete den Sparkurs gestern damit, dass das Unternehmen in sehr wettbewerbsintensiven Märkten ar
BASF-Chef Kurt Bock (links) begründete den Sparkurs gestern damit, dass das Unternehmen in sehr wettbewerbsintensiven Märkten arbeite.

«Mannheim.» Neben viel Lob für die wirtschaftliche Entwicklung des Ludwigshafener BASF-Konzerns gab es gestern auf der Hauptversammlung des Chemieriesen in Mannheim kritische Fragen von Aktionärssprechern nach dem harten Sparkurs des Vorstandsvorsitzenden Kurt Bock.

Viele BASF-Mitarbeiter würden über steigenden Druck und den Sparkurs klagen, sagte der Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Andreas Schmidt. Er wollte auch wissen, was die BASF aus den Fehlern bei der Inbetriebnahme der TDI-Anlage in Ludwigshafen gelernt habe. Die gut 1 Milliarde Euro teure Anlage zur Herstellung der Chemikalie TDI, die unter anderem zur Produktion von Schaumstoffen etwa für Polster und Matratzen gebraucht wird, lief nach monatelangem Stillstand zunächst im Probebetrieb an und produziert inzwischen planmäßig. Das größte Investitionsprojekt der BASF stand nach massiven technischen Problemen seit November 2016 still. Nach ursprünglichen Planungen hätte die Anlage schon Ende 2014 in Betrieb gehen sollen. BASF-Chef Kurt Bock begründete seinen Sparkurs damit, dass das Unternehmen in sehr wettbewerbsintensiven Märkten arbeite. Viele Konkurrenten in anderen Ländern profitierten von deutlich geringeren Kosten für Energie und staatlich verordneter Bürokratie. Er räumte ein, dass es „nicht immer Begeisterung“ auslöse, wenn der Gürtel enger geschnallt werde. Aber Kostendisziplin bleibe eine Notwendigkeit, um die BASF weiterzuentwickeln. Bei Mitarbeiterbefragungen sei Überforderung bisher kein großes Thema gewesen. Bock wies auf die geringe Fluktuationsquote von 0,5 Prozent im Stammwerk hin. Das heiße, pro Jahr verließen fünf von 1000 Mitarbeitern das Unternehmen auf eigenen Wunsch, um sich beruflich zu verändern. Das sei keine besorgniserregende Quote, so Bock. Die Krankenquote in Ludwigshafen liege bei 5,3 Prozent. Vor einigen Jahren habe der Wert noch bei 4,8 Prozent gelegen. Der leichte Anstieg gehe auch auf das zunehmende Durchschnittsalter der Belegschaft zurück. Die gegenwärtige Quote entspreche dem Durchschnitt der Industrie. Aus den Problemen mit der TDI-Anlage habe die BASF unter anderem die Lehre gezogen, dass bei solch komplexen Projekten der Anteil eigener Techniker und Ingenieure erhöht werden müsse, sagte Bock. Nach früheren Angaben lag der Anteil der fremdvergebenen Leistungen beim Bau der TDI-Anlage bei 80 Prozent. Zu dem Explosionsunglück vom 17. Oktober 2016 in Ludwigshafen mit vier Toten und vielen Verletzten sagte Bock, vier Familien hätten den Sohn, Vater, Bruder und Ehemann verloren. Andere Familien hätten um ihre verletzten Angehörigen gebangt. Die BASF werde alles tun, damit sich solch ein Unglück nicht wiederhole. Nach einem hervorragenden Start ins neue Geschäftsjahr mit einem Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahresquartal von 19 Prozent auf knapp 17 Milliarden Euro und einer Zunahme des operativen Gewinns vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen um 29 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro im ersten Quartal hielt BASF-Chef Kurt Bock gestern an seiner verhaltenen Prognose für das gesamte Jahr fest. Wie Ende April berichtet, erwartet er für 2017 ein Umsatzplus von mindestens 6 Prozent und einen Anstieg des Gewinns um bis zu 10 Prozent. Aktienanalysten haben diese Erwartungen als zu vorsichtig und zurückhaltend bezeichnet. Die Verkaufsmengen und die Verkaufspreise legten in den ersten drei Monaten gegenüber der gleichen Vorjahreszeit um jeweils 8 Prozent und damit ausgesprochen stark zu. Und die gute Entwicklung hat sich auch im April fortgesetzt. In den ersten vier Monaten habe die BASF kräftiges Wachstum gesehen, gerade auch in Asien, sagte Bock. Umsatz und Gewinn seien deutlich gestiegen. Das Öl- und Gas-Geschäft habe sich weiter erholt. In Anbetracht der vielen Unsicherheiten werde die BASF dennoch weiterhin sparsam und vorsichtig agieren, Kosten und Investitionen streng kontrollieren. Den harten Sparkurs bekommen seit einiger Zeit auch das Ludwigshafener Stammwerk und der Standort Ludwigshafen – das ist das Stammwerk plus BASF-Tochtergesellschaften in der Region – bei der Personalentwicklung zu spüren. Der 2008 gestartete Stellenaufbau wurde gestoppt. Im Stammwerk, das weitgehend mit der Muttergesellschaft BASF SE identisch ist, waren Ende März 34.762 Mitarbeiter beschäftigt. Das waren 993 weniger als zwölf Monate zuvor. Davon entfallen 650 Stellen auf die Ausgliederung der Pigmentsparte in die im Juli 2016 gegründete BASF Color & Effects GmbH. Tatsächlich abgebaut wurden im Stammwerk damit 343 Stellen. Am gesamten Standort Ludwigshafen sank die Anzahl der Beschäftigten innerhalb von zwölf Monaten um 160 auf 38.962.

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