Wirtschaft Bonus-Programme: Große Versprechen, großer Frust

Das vermeintliche Freiticket für Flugmeilen-Sammler kann durch Steuern und Gebühren letztlich teurer werden als die normale Buch
Das vermeintliche Freiticket für Flugmeilen-Sammler kann durch Steuern und Gebühren letztlich teurer werden als die normale Buchung.

Versteckte Kosten und Verluste durch Unternehmens-Pleiten können den Spaß am Punktesammeln vergällen.

«München.» Die einen sammeln eifrig Treueherzen im Supermarkt oder Guthaben-Taler vom Apotheker. Andere sind auf Payback-Punkte beim Tanken erpicht oder auf Bonus-Meilen von Fluglinien: Millionen Deutsche sind passionierte Bonusjäger.

Drei Viertel der Bürger nutzen Kundenbindungsprogramme

Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen nutzen fast drei Viertel der Bundesbürger die Kundenbindungsprogramme von Unternehmen. Die Insolvenz von Air Berlin macht allerdings mehr als deutlich, dass sich Rabattversprechen praktisch über Nacht in Luft auflösen können. Kunden der zahlungsunfähigen Fluggesellschaft können ihre gesammelten Flugmeilen nicht mehr gegen Gratisflüge oder andere Prämien einlösen. „Betroffene können zwar versuchen, Ansprüche im Insolvenzverfahren geltend zu machen, werden aber nicht weit kommen damit“, sagt Michael Hummel, Jurist bei der Verbraucherzentrale Sachsen.

Air Berlin: Meilen verfallen

Muss ein Unternehmen den Betrieb einstellen, verschwinde in der Regel auch das angeschlossene Kundenbindungsprogramm vom Markt, erklärt der Verbraucherschützer. Potenzielle Käufer hätten kein Interesse daran, teure Verbindlichkeiten zu übernehmen. „In der Regel werden nur Betriebsteile gekauft, nicht das ganze Unternehmen“, sagt Kay Rodegra, Fachanwalt für Reise- und Verbraucherrecht in Würzburg. Im Fall von Air Berlin bedeutet das: Haben Kunden fleißig Meilen angesammelt, müssen sie die versprochenen Vorteile jetzt aller Voraussicht nach in den Wind schreiben. „Teilnehmer solcher Marketingaktionen bleiben im Insolvenzfall so gut wie immer auf dem Schaden sitzen“, betont Hummel.

Kunden geben viele Daten preis

Bei Bonusprogrammen ist grundsätzlich nicht alles Gold, was da so glänzt, sind Verbraucherschützer überzeugt. Konsumenten, die sich von Boni und Rabatten locken lassen, geben häufig viele persönliche Daten über sich preis, mahnt Markus Feck, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zur Vorsicht. Was damit passiere, sei im Kleingedruckten der Teilnehmeranträge oft genug lediglich schwammig erklärt. Nicht alle Firmen halten die Datenschutzbestimmungen bis ins Detail ein, wie eine Untersuchung von Stiftung Warentest ergab.

Rabatt am Ende geringer als gedacht

Dazu kommt: Der gewährte Rabatt kann am Ende viel magerer ausfallen als die Kundschaft sich das vorstellte. Beispiel Kochtöpfe, Weingläser- oder Messersets, die treue Käufer von Einzelhandelsketten absahnen können: Dass sie beim Einlösen ihrer monatelang gesammelten Bonuspunkte am Ende noch einen Aufpreis zahlen müssen, sorgt zunehmend für Verdruss, wie die Marktforscher von Nielsen feststellten. „Verbraucher sollten immer bedenken: Firmen, die viel Geld in ihre Rabattprogramme investieren, haben nichts zu verschenken“, betont Hummel. Die Unternehmen seien die Profiteure der Aktionen, nicht etwa die Verbraucher.

Angebotsdetails bleiben undurchsichtig

Deren Sparpotenzial ist längst nicht garantiert. Zwar nehmen Millionen Bundesbürger an großen Bonussystemen wie etwa Payback oder Deutschlandcard teil. Doch nicht alle Anbieter machen gleich viel Rabatt locker. Details bleiben häufig undurchsichtig. So schreiben manche Supermärkte erst für 2 Euro Umsatz jeweils einen Punkt gut. Nicht genutzte Boni verfallen. Oder können nur innerhalb enger Fristen eingelöst werden.

Aussicht auf Rabatte verführerisch

Klarer läuft es im kleineren Rahmen. Beim Schuster oder Bäcker heißt es oft: Für zehn Stempel auf der Sammelkarte gibt es einmal Schuhe reparieren oder ein Brot gratis. Selbst in Apotheken wird die Stammkundschaft mit Rabatten auf Rezeptfreies gelockt. Im Gegenzug sollen Kunden ihre Daten hinterlassen, damit ihr Einkaufsverhalten bis ins Detail dokumentiert wird. Apotheken werben damit, dass sie dann wissen, welchen Hustensaft, welche Tabletten und welche Salbe Kunden schon gekauft haben und speziell Senioren daran erinnern können. Ob die Preise die günstigsten sind, spielt keine Rolle mehr. Die Aussicht auf Rabattguthaben „verführt Menschen dazu, Artikel zu kaufen, die sie sonst nicht gekauft hätten“, machen genervte Kunden in Internet-Foren ihrem Ärger Luft.

Enttäuschung bei Meilen-Sammlern

Enttäuschung macht sich vor allem unter langjährigen Meilen-Sammlern breit, quer durch die Airlines. In Internet-Foren kritisieren Reisende regelmäßig, dass sich das Sammeln nicht mehr lohne, weil die Gutschriften mickriger, die Einschränkungen in den Programmen größer geworden seien. Das vermeintliche „Freiticket“ kann teurer als eine normale Buchung werden, wenn sie Steuern und Gebühren dazurechnen. Oder das versprochene Upgrade in die Business-Klasse klappt nicht, weil die „echten“ Geschäftskunden, die für ihren Sitz teuer bezahlt haben, beim Buchen den Vorzug erhalten gegenüber Meilen-Einlösern.

Meilen-Sammeln bringt auch Vorteile

„Die Bedingungen bei den Airlines sind differenzierter geworden“, bestätigt Martin Fassnacht, Marketing-Forscher an der WHU, der Otto Beisheim School of Management. Meilen sammeln könne durchaus Vorteile bringen. Doch nicht alle Teilnehmer kommen garantiert auf ihre Kosten. Sein Tipp: Wer sparen will, sollte sich mit den Fußnoten beschäftigen. Ständiges Punktesammeln lenke nur davon ab, was man letztlich für sein Geld bekommt.

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