Wirtschaft China schwenkt um

Freihandel und Globalisierung haben China zwar wohlhabend gemacht. Aber die soziale Ungleichheit ist größer geworden. Nun hat die chinesische Führung erkannt: Ein Weiter-So wird es nicht geben.

An diese Rede wird Bill Clinton nicht gern erinnert. Es war im März 1999. „Die Welt wird nicht mehr die Gleiche sein“, rief er den Abgeordneten im US-Kongress zu und warb um ihre Zustimmung für den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO. Das bevölkerungsreichste Land der Welt würde seine Märkte öffnen. Und die Amerikaner mit ihrem Mais, Hollywood, Ford und GM sollten ganz vorne dabei sein. Mit mehr Freihandel würde es zudem ein freies China geben, war sich Clinton sicher. Doch es ist anders gekommen. Das kommunistische Regime regiert weiter mit harter Hand. Und für die USA hat sich das Versprechen eines neuen gigantischen Absatzmarktes nicht erfüllt. Vielmehr haben die Chinesen seitdem 80 Prozent der weltweit verkauften Kühlschränke hergestellt, 70 Prozent aller Mobiltelefone und jedes zweite Paar Schuhe. Und es sind längst nicht nur Billigprodukte, mit denen China die Welt überschwemmt: Mikrochips, Hochgeschwindigkeitszüge, demnächst auch Elektroautos und Passagierflugzeuge. Allein 2016 haben Chinas Exporte die Einfuhren um 511 Milliarden Dollar (rund 460 Mrd Euro) überstiegen. Die USA beklagen ein Handelsdefizit zur Volksrepublik von 370 Milliarden Dollar. Dieses extreme Ungleichgewicht ärgert US-Präsident Donald Trump. Die Deutschen mit ihren Exportüberschüssen kritisiert er zwar auch. Beim G 20-Gipfel kommende Woche in Hamburg will er das zum Hauptthema machen. In seinen Twitter-Tiraden gibt er aber vor allem China die Schuld für den Schwund von Millionen von Industriearbeitsplätzen in seinem Land. Er droht mit Abschottung. Ausgerechnet das Mutterland des Freihandels wird von einem Land überrollt, das vor Kurzem noch bitterarm war und sich bis heute als kommunistisch bezeichnet. Wie konnte es dazu kommen? Tatsächlich hatte China zur Jahrtausendwende vor allem zwei Wettbewerbsvorteile: kaum Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen und ein riesiges Heer an Arbeitskräften, das bereit war zu Löhnen zu schuften, die im Westen undenkbar waren. Zugleich wurde der Transport immer billiger und das Internet verband die entferntesten Standorte miteinander. Chinas Exporte schossen in die Höhe, der Lebensstandard stieg. Lebte vor dem WTO-Beitritt noch jeder vierte Chinese unter der Armutsgrenze, sind es heute weniger als 10 Prozent. Ein Drittel der Bevölkerung kann sich ein eigenes Auto leisten, Eigentumswohnung und Weltreisen. Nur: So sehr die WTO-Aufnahme Chinas Wirtschaft beflügelte – frei ist sie bis heute nicht. Vielmehr versteht es China, seine Märkte nur so weit zu öffnen, wie es dem Land Vorteile bringt. Bis heute halte die Regierung große Unternehmen in Staatshand und subventioniere sie kräftig, kritisiert die EU-Handelskammer in Peking. Europäische Unternehmen hingegen würden in China konsequent benachteiligt. Dennoch läuft die Entwicklung in China nicht so, wie es sich die politische Führung wünscht. In keiner großen Volkswirtschaft ist die Ungleichheit bei den Vermögen so groß wie in China. In Peking gibt es inzwischen mehr Milliardäre als in New York. Die unteren 10 Prozent, immerhin über 100 Millionen Menschen, haben von dem Aufschwung hingegen nur wenig gesehen. „Die Regierung hat erkannt, dass sie mit den Billigexporten nicht weitermachen kann, sondern den eigenen Bürgern mehr Konsummöglichkeiten eröffnen muss“, sagt der Ökonom Hu Xingdou. Weniger Ausfuhren also und eine Stärkung der Binnenwirtschaft, heißt nun die Devise der chinesischen Führung. Sprich: Auch China setzt künftig auf mehr Abschottung. Kommentar

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