GEBÄUDE-SANIERUNG Dämmen nur die Dummen? Das Haus fit machen für die Zukunft

Fachmännisch angebrachte Fassadendämmungen sind durchaus sinnvoll.
Fachmännisch angebrachte Fassadendämmungen sind durchaus sinnvoll.

Neuer Streit über energiesparsame Gebäude: Die Regierungspläne für klimafreundlichere Heizungen sorgen schon für große Unruhe. Nun wirft Bauministerin Geywitz Fragen nach dem Sinn des Dämmens auf: Was lohnt sich fürs Klima? Was lohnt sich für den Geldbeutel? Einige interessante Antworten.

Das Haus dick einpacken, damit es die Wärme hält – ist das das Beste für den Klimaschutz? Bauministerin Klara Geywitz hat ihre Zweifel. Immer schärfere Dämmvorschriften hätten das Bauen sehr teuer gemacht, sagte die SPD-Politikerin vor einigen Tagen. Es gebe Fragezeichen, ob zusätzliche Kosten für Dämmung in einem sinnvollen Verhältnis zur eingesparten Energie stünden. Und bei der Produktion der Dämmstoffe entstünden ja auch Treibhausgase.

Damit macht die Ministerin mitten in der aufgeregten Heizungsdebatte ein neues Fass auf. Schärfere Anforderungen für energiesparsame Gebäude stehen im Koalitionsvertrag. Und auf EU-Ebene werden ehrgeizige Ziele debattiert. Für Hausbesitzer wird die Lage nicht übersichtlicher. Experten bringen etwas Licht ins Dunkel.

Dämmen hilft langfristig

Christian Handwerk, Referent für energetisches Bauen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät zunächst mal zu unterscheiden zwischen neu gebauten Häusern und älteren Immobilien. Aus Handwerks Sicht geht es bei der Dämmdebatte vor allem um Bestandsgebäude: „Unser Problem ist da größer als beim Neubausektor.“ Die Deutsche Energieagentur Dena hat die Zahlen. Die rund 22 Millionen Gebäude stehen demnach für 35 Prozent des deutschen Energieverbrauchs. Etwa drei Viertel des Bestands wurde vor 1979 errichtet, ohne Vorgaben für den Wärmeschutz. Alte Gebäude brauchen laut Dena unsaniert für Raumwärme und Warmwasser das Drei- bis Fünffache von dem, was heute technisch möglich ist. „Energetische Sanierungen bieten damit ein enormes Potential, um unseren Energieverbrauch zu reduzieren“, bekräftigt die Energieagentur.

Lohnt sich dicke Fassadendämmung wirklich?

Aber lohnt sich wirklich eine sehr dicke Fassadendämmung? Geywitz sagte bei einem Baukongress: „Am Anfang ist das noch sehr sinnvoll, weil das, was ich dämme, spare ich ein, durch das, was ich dann an Nebenkosten nicht habe.“ Aber spätestens ab EH55 hätten sehr viele Leute Fragezeichen, „ob das Geld, was man zusätzlich in Dämmung steckt, in einem sinnvollen Verhältnis steht zur eingesparten Energie“. EH55 heißt: ein Bedarf von 55 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus.

Geywitz erhielt Zuspruch aus den Ländern. „Was Klara Geywitz jetzt ausspricht, ist seit langem meine Haltung“, erklärte Nicole Razavi (CDU), Vorsitzende der Bauministerkonferenz. „Wir müssen es schaffen, Bezahlbarkeit und Klimaschutz beim Wohnungsbau zusammenzubringen.“ NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (ebenfalls CDU) hob hervor, man müsse „vermehrt Lösungen für Wohnviertel in den Blick nehmen (...) und sich nicht nur auf einzelne Häuser verengen“.

Dämmung erhöht den Wert der Immobilie

Energieexperte Handwerk indes sagt: „Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel.“ Um EH55 zu erreichen, brauche ein älteres Haus zum Beispiel eine Fassadendämmung von 16 bis 18 Zentimetern. Diese Investition amortisiere sich bei einem Energiepreis von 14 Cent je Kilowattstunde binnen zwölf Jahren. Die Lebensdauer der Dämmung sei jedoch länger, vielleicht 40 Jahre. So rechne sich sogar eine noch dickere Dämmung, meint Handwerk. Dies erhalte den Wert der Immobilie; ungedämmte Gebäude seien schwerer verkäuflich. Der Experte widerspricht Bedenken, der CO 2 -Ausstoß bei der Herstellung der Dämmstoffe stelle den Nutzen infrage. „Das ist wirklich Quatsch.“ Die Dämmung spare viel mehr Emissionen, als die Produktion verursache – um einen Faktor 15 bis 20, sagt Handwerk. So stellt es auch ein Gutachten des Forschungsinstituts für Wärmeschutz dar – das jedoch von der Industrie in Auftrag gegeben wurde.

Keine Klarheit aus Brüssel

Die politische Debatte dürfte im Bund und auf EU-Ebene noch Fahrt aufnehmen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG): „Zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im (Gebäudeenergiegesetz) die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen.“ Diese Abmachungen seien weiter gültig, betont das Haus von Klimaminister Robert Habeck (Grüne). Dämmen bleibe wichtig, selbst wenn mit erneuerbaren Energien geheizt werde – auch die seien nur begrenzt verfügbar. Nach einer Studie der Agora Energiewende muss der Wärmebedarf in Gebäuden um 39 Prozent sinken, damit die Rechnung für ein klimaneutrales Deutschland insgesamt aufgeht.

In Brüssel haben die EU-Staaten und das Europaparlament unterschiedliche Pläne für das Energiesparen in Gebäuden und Sanierungspflichten. Eine rasche Einigung sei nicht zu erwarten, sagt ein Sprecher der schwedischen Ratspräsidentschaft.

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