Wirtschaft Die Mainzer Geld-Retter

Ein Mitarbeiter des Analysezentrums der Bundesbank in Mainz sortiert 50-Euro-Scheine, die in Wasser gelegen haben. Um sie genau
Ein Mitarbeiter des Analysezentrums der Bundesbank in Mainz sortiert 50-Euro-Scheine, die in Wasser gelegen haben. Um sie genau zählen zu können, wird der Sicherheitsfaden von jedem Geldschein herausgelöst.

«Mainz». Verbrannte Scheine und geschmolzene Münzen: In Mainz landen wertvolle Opfer von Bränden und Unfällen. Und Falschgeld. Das Nationale Analysezentrum der Bundesbank erreichen jährlich rund 30.000 Anträge auf Ersatz beschädigten Bargelds.

Der Schreibtisch von Jules Ehrhardt sieht aus wie eine archäologische Fundstätte. Er ist übersät mit schwarzverbrannten Klumpen, die der Bundesbank-Angestellte mit kleinen Metallwerkzeugen bearbeitet. Doch Ehrhardt will keine alten Knochen bergen, sondern Geld. Vor ihm liegen nämlich die verkohlten Reste eines Glücksspielautomaten. Und darin, auf den ersten Blick kaum zu erkennen, stecken noch Euro-Scheine und Münzen. Sie sind rußig, angesengt und halb mit dem Automatenwrack verschmolzen. Ganz vorsichtig löst Ehrhardt sie aus der Schlacke, Stück für Stück. „Das werden an die 1000 Euro sein, schätze ich.“ Geld, das der Besitzer des Automaten jetzt sicher gut gebrauchen kann. In seiner Spielothek hat es gebrannt. Die traurigen Reste hat er nach Mainz geschickt, ans Nationale Analysezentrum für beschädigtes und gefälschtes Bargeld der Bundesbank. So landete der Trümmerhaufen auf Ehrhardts Schreibtisch. Seine Aufgabe: Möglichst viel Kohle aus der Kohle retten, damit der Betrag dem Eigentümer erstattet werden kann. Am gegenüberliegenden Schreibtisch kann selbst von Kohle keine Rede mehr sein. Vor Frank Herzog steht: Asche, eine ganze Geldkassette voll. Zum Glück sind einige große Fetzen darunter. Mithilfe eines großen Mikroskops kann Herzog die Euro-Zeichen und Zahlen unter dem Ruß erkennen. Die Asche-Fetzen waren einmal Geldscheine, und zumindest ein Teil davon lässt sich noch rekonstruieren. Ehrhardt und Herzog sind am Analysezentrum für die besonders schweren Fälle zuständig. Bei ihnen landen nicht nur Brandopfer, sondern auch Fundstücke aus irrwitzigen Verstecken: Herzog zeigt Bilder eines matschigen Klumpens aus D-Mark-Scheinen, die nach dem Tod ihres Besitzers im Deckel einer Sickergrube entdeckt wurden. In einem anderen Fall musste er einen Geldschatz wieder zusammensetzen, den ein Unbekannter zerrissen und in einem Wald verteilt hatte. „Über das Warum kann man nur Mutmaßungen anstellen“, sagt Herzog. In diesem Fall wurden die Fetzen von zwei verschiedenen Personen aufgelesen, die sie voneinander unabhängig bei der Bundesbank einreichten. Neben der Puzzle-Arbeit musste Herzog daher noch ermitteln, welcher der beiden Finder jeweils den größeren Anteil eines Scheins eingereicht und damit Anspruch auf das Geld hatte. Es dauerte Tage, diese Aufgabe zu lösen. Das Gros der Fälle ist nicht ganz so kompliziert. Rund 30.000 Anträge auf Ersatz beschädigten Bargelds erreichen das Analysezentrum pro Jahr. „Die meisten davon lassen sich in kurzer Zeit bearbeiten“, sagt der stellvertretende Gruppenleiter Damian Machura. Dazu zählten Geldscheine, die von Kindern zerrissen oder in der Waschmaschine zerlegt wurden. Manchmal melden sich auch Banken, weil ein Geldautomat gesprengt wurde – weil die Scheine dabei mit Chemikalien kontaminiert werden, erfolgt die Bearbeitung dann in einem speziellen Labor. Dort schützt eine Art Dunstabzugshaube Machuras Mitarbeiter vor giftigen Dämpfen. Ein enormer Aufwand, der die Antragsteller in der Regel nichts kostet. „Wir wollen vermeiden, dass die Leute versuchen, die Scheine selbst zusammenzuflicken. Denn dann würden sie vermutlich im nächsten Automaten steckenbleiben“, erläutert Rainer Elm, der Chef des Analysezentrums. Gebühren berechnet die Bundesbank daher nur in wenigen Fällen. So kommt es immer mal wieder vor, dass wegen eines Fehlalarms oder technischen Defekts in einem Geldautomaten oder Safe sogenannte Sicherheitsfarbe auf die Banknoten gesprüht wird. Eigentlich ist dieser Mechanismus als Schutz gegen Diebe gedacht, die das Geld dann nicht mehr verwenden können. Weitaus weniger riskant als Einbrüche ist für Kriminelle die Fälschung von Banknoten oder Geldstücken. Auch für deren Untersuchung ist das Analysezentrum in Mainz zuständig. 82.200 gefälschte Euro-Scheine und 33.000 falsche Münzen wurden in Deutschland im vergangenen Jahr aus dem Verkehr gezogen. Hinzu kommen gefälschte Banknoten aus anderen Währungsräumen, etwa Dollar- oder Pfund-Scheine. Das Analysezentrum erreichen jährlich 150.000 bis 200.000 Verdachtsfälle. Die Aufgabe der Spezialisten in Mainz besteht in einer genauen Analyse des Falschgelds: Mit welchen Methoden wurde es hergestellt, haben sich die Kriminellen neue Tricks einfallen lassen? Oft lassen sich gefälschte Scheine oder Münzen einer Serie zuordnen – das heißt, sie stammen aus ein und derselben Werkstatt. „Die Analyse des Herstellungsverfahrens kann helfen, die Täter zu ermitteln. Und im Falle einer Verurteilung spielt eine wichtige Rolle, wie viele Fälschungen einer Quelle zugeordnet werden können“, erläutert Elm. Fortschritte im Kampf gegen die Fälscher brächten die in den vergangenen Jahren eingeführten Neuerungen: So gebe es bislang keinen Versuch, die Smaragdzahl auf den 5- bis 50-Euro-Scheinen zu imitieren. Tatsächlich ist die Anzahl gefälschter Euro-Banknoten um ein Fünftel zurückgegangen, nachdem 2016 der neue Zwanziger eingeführt wurde. Weltweit wurden vergangenes Jahr 684.000 Euro-Blüten sichergestellt. Verbraucher kämen mit Falschgeld nur selten in Kontakt, sagt Elm: „Typischerweise versuchen die Kriminellen, Blüten beim Bezahlen im Einzelhandel loszuwerden, wo sie dann meistens in der Kasse verbleiben. Denn gefälscht wurden in den vergangenen Jahren vor allem 20- und 50-Euro-Scheine, die eher selten als Wechselgeld herausgegeben werden.“ Erkannt würden die Blüten spätestens bei den Banken oder Wertdienstleistern, deren Kassenautomaten Geldscheine auf bestimmte Merkmale überprüften und sie bei Abweichungen aussortierten.

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