Wirtschaft „Die Zukunft ist eben nicht nur digital“

„Der Markt gerät in Bewegung, dadurch dass sich so viele vom Markt zurückziehen. Wir profitieren davon“, sagt Commerzbank-Vorsta
»Der Markt gerät in Bewegung, dadurch dass sich so viele vom Markt zurückziehen. Wir profitieren davon«, sagt Commerzbank-Vorstandsmitglied Michael Mandel.

«Ludwigshafen». Die Commerzbank will bis 2020 zwei Millionen Neukunden gewinnen. Zugleich will die zweitgrößte deutsche Privatbank mit weniger Mitarbeitern auskommen. Mit Michael Mandel, dem Frankfurter Konzernvorstand für das Privatkundengeschäft, sprach RHEINPFALZ-Redakteur Olaf Lismann darüber.

Herr Mandel, Sie locken neue Kunden mit einem Geldgeschenk. 150 Euro bekommt, wer mit dem Girokonto zu Ihnen umzieht. Wie wollen Sie denn damit Geld verdienen?

Wir kalkulieren so, dass sich ein Neukunde im Schnitt nach 18 Monaten für uns rechnet. Dann verdienen wir mit diesem Kunden Geld. Wir haben ein klares Ziel. Wir investieren, um zu wachsen. Das funktioniert sehr gut. Wir haben bereits zur Jahresmitte unsere Wachstumsziele im Privatkundengeschäft für das laufende Geschäftsjahr übertroffen. Es hat sich also gelohnt. Das Prämienangebot läuft am 11. August aus. War es dann doch zu teuer? Das ist eine attraktive Kampagne, die wie jede andere auch einmal ausläuft. Und wenn diese Kampagne zu Ende ist, dann überlegen wir uns bereits die nächste. Lassen Sie sich einfach überraschen. Schon Anfang März vergangenen Jahres hat der Präsident eines deutschen Bankenverbandes vorhergesagt: „Die Zeit der kostenfreien Girokonten ist vorbei“. Die Banken könnten sich das nicht mehr leisten. Die Commerzbank bietet immer noch ein kostenloses Konto an. Wie lange halten Sie das noch durch? Das ist keine Frage des Durchhaltens. Die Frage ist, was finden Kunden spannend. Wir wissen: Das kostenlose Girokonto ist für Kunden hochattraktiv. Ich kann nicht kommentieren, was andere in der Branche dazu sagen. Wir jedenfalls haben ein kostenloses Girokonto, und wir werden auch künftig ein kostenloses Girokonto anbieten. Wer Geld bei Ihnen auf dem Tagesgeldkonto parkt, bekommt dafür im Moment genau 0,00 Prozent Zinsen. Der Dispokredit für das kostenlose Girokonto kostet 9,75 Prozent. Ist das nicht unfair? Man muss leider sagen, in der aktuellen Zinslandschaft sind 0 Prozent Zinsen für Tagesgeld ein faires Angebot. Denn die Commerzbank bekommt für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank nicht nur keine Zinsen, sondern zahlt sogar 0,4 Prozent drauf. Grundsätzlich gilt, dass Liquidität einen Wert hat. Ich glaube, es ist deshalb dringend geboten, wieder über normale Zinsen nachzudenken. Es ist ein unnatürlicher Zustand, dass wir für ein wertvolles Gut wie Liquidität nicht Geld bekommen, sondern Geld bezahlen. Und der Dispozins, warum ist der so hoch? Wenn wir für den Dispokredit Geld verlangen, dann ist das nicht nur eine Frage des Marktzinses. Für Dispokredite haben Sie ein anderes Risiko, und Sie stellen das Geld kurzfristig zur Verfügung. Beides müssen Sie berücksichtigen. Deshalb ist der Dispokredit teurer. Wer längerfristig Geld braucht, der sollte das vielleicht nicht über einen Dispokredit machen, sondern da stehen wir auch gerne mit einem Ratenkredit zur Verfügung. Wieso lassen Kunden ihr Geld auf nicht verzinsten Tagesgeldkonten herumliegen? Sind die Deutschen schlechte Anleger? Geld kann jeder besser anlegen als auf dem Tagesgeldkonto. Es gibt Alternativen. Und damit meine ich nicht, dass Kunden zocken sollen. Es muss auch nicht jeder in Aktien anlegen. Das geht auch ganz konservativ. Ich glaube, das Problem in Deutschland ist: Es kümmern sich zu wenig Menschen um ihr Geld. In einer solchen Phase wie jetzt muss sich jeder um sein Geld kümmern. Wer es einfach liegen lässt, der zahlt am Ende die Zeche. Die Commerzbank hat im September angekündigt, bis 2020 zusammen 9600 Vollzeitjobs streichen zu wollen. Auf der anderen Seite wollen Sie bis dahin zwei Millionen Neukunden gewinnen. Wie passt das zusammen? Müssen Sie die Kunden nicht irgendwie betreuen? Wir werden am Kunden nicht massenhaft Personal einsparen. Wir werden weiter mit 1000 Filialen und entsprechender Belegschaft unseren Kunden zur Verfügung stehen. Warum dann der Abbau? Wir digitalisieren mit hohen Investitionen unsere Prozesse. Das heißt dann auch, dass wir Prozesse optimieren. Wir brauchen deshalb weniger Kapazitäten, insbesondere in Bereichen, die die Kunden nicht direkt erleben. Wir müssen beides schaffen: ein modernes Filialnetz bieten und die Prozesse so digitalisieren, wie Menschen das von einer modernen Bank erwarten. Das ist ein Kraftakt. Während andere Banken zum Teil ihr Filialnetz massiv zusammenstreichen, wollen Sie die Anzahl ihrer Zweigstellen konstant halten. Ja. Bei uns wird es keinen Rückzug aus der Fläche geben. Gleichzeitig führen Sie digitale Angebote für Ratenkredite und Immobilienfinanzierung ein, bei denen Sie physisch keinen Kunden mehr in der Filiale treffen müssen. Wie kommt das zusammen? Wir setzen auf Filialen, weil wir der festen Überzeugung sind: Die Zukunft ist eben nicht digital ... ... nicht digital? Sie ist nicht ausschließlich digital. Die Zukunft im Banking ist persönlich und digital. Wenn sie so kräftig wachsen wollen wie wir, dann brauchen sie Präsenz vor Ort. Heute kommen etwa 70 Prozent unseres Neukundenwachstums über die Filialbank. Unsere Filialen sind sehr gut besucht. Am heutigen Tag werden zwischen 450.000 und 500.000 Menschen unsere Filialen besuchen. Präsenz vor Ort hat einen Wert für die Menschen in Deutschland genauso wie hervorragende digitale Angebote. Andere sehen das teilweise ganz anders und schließen massiv Filialen. Profitieren Sie davon? Ja, das hilft uns. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten vier bis fünf Jahren etwa 30 Millionen Menschen in Deutschland ihre Bankfiliale verlieren werden. Lokale Präsenz ist ein Wettbewerbsvorteil. Den haben wir. Wir haben im vergangen Halbjahr im Schnitt jede Woche rund 10.000 Neukunden hinzugewonnen. Der Markt gerät in Bewegung, dadurch dass sich so viele vom Markt zurückziehen. Wir profitieren davon.

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