US-Wirtschaft Dreht die Fed zu aggressiv an der Zinsschraube?

„Wenn wir es jetzt nicht in den Griff bekommen, erhöht das nur die Kosten, später damit fertig zu werden“, meint Jerome Powell,
»Wenn wir es jetzt nicht in den Griff bekommen, erhöht das nur die Kosten, später damit fertig zu werden«, meint Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve.

Der Zinsschritt ist beachtlich: Die US-Zentralbanker versuchen mit aller Macht, die Inflation in den Griff zu bekommen. Doch dabei könnten sie das Wirtschaftswachstum abwürgen.

Zum zweiten Mal in Folge erhöhte die Fed am Mittwoch ihren Leitzins gleich um 0,75 Prozentpunkte. Fed-Chef Jerome Powell deutete weitere Erhöhungen in dieser Größenordnung an. In der größten Volkswirtschaft der Welt wächst damit gleichzeitig die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung.

Die Wirtschaft war bereits im Winter überraschend um annualisiert 1,6 Prozent geschrumpft. Im Frühling war nun die Wirtschaftsleistung erneut rückläufig: Das Bruttoinlandsprodukt fiel im zweiten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 0,9 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag mitteilte. US-Wachstumszahlen werden auf das Jahr hochgerechnet, also annualisiert. Sie sind daher nicht direkt mit Wachstumsdaten aus Europa vergleichbar, wo darauf verzichtet wird. Schrumpft die Wirtschaft zwei Vierteljahre in Folge zum Vorquartal, sprechen Ökonomen von einer „technischen Rezession“. Powell mahnte, die neuen Zahlen zum Wirtschaftswachstum mit Vorsicht zu genießen. Er glaube nicht, dass sich die USA derzeit wirklich in einer Rezession befinde, beschwichtigte er.

Die Fed geht deutlich aggressiver gegen die Inflation vor als die Europäische Zentralbank (EZB), die im Juli zum ersten Mal seit elf Jahren die Zinsen erhöhte. Die Anhebung im Währungsraum der 19 Mitglieder fiel mit einem halben Prozentpunkt zwar überraschend stark aus. Kritiker werfen der EZB aber vor, die Zinswende zu spät eingeleitet zu haben. Die Teuerung im Euro-Raum liegt seit Monaten auf Rekordniveau. Im Juli erreichte die Inflation in Deutschland 7,5 Prozent.

Niedrige Arbeitslosenquote

Auch im Weißen Haus ist man bemüht, den Rückgang der Wirtschaftsleistung nicht zu hoch zu hängen. Es gebe viele Faktoren, die zu berücksichtigen seien, betonte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre. Sie verwies etwa auf den starken Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote liegt in den USA auf ähnlich niedrigem Niveau wie vor Ausbruch der Pandemie im Februar 2020.

„Es ist nicht der Präsident, der die Inflation verursacht hat. Es gibt auch externe Faktoren, die uns dorthin geführt haben, wo wir heute sind“, betonte Jean-Pierre etwa mit Blick auf die Energiepreise und Probleme bei Lieferketten wegen der Corona-Lockdowns in China. Die Teuerungsrate in den USA ist mit 9,1 Prozent so hoch wie seit rund vier Jahrzehnten nicht mehr.

Größter Zinsschritt seit 1994

Der jetzige Zinsschritt ist die vierte Erhöhung in diesem Jahr. Erst im Juni hatte die Fed den Leitzins um 0,75 Punkte angehoben. Es war der größte Zinsschritt seit 1994. Erhöhungen des Leitzinses verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum.

„Wenn wir es jetzt nicht in den Griff bekommen, erhöht das nur die Kosten, später damit fertig zu werden“, mahnte Powell mit Blick auf die Inflation. „Wir glauben, dass es einen Weg gibt, die Inflation zu senken und gleichzeitig einen starken Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten.“

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