Stromversorgung Dreht Frankreich uns den Strom ab?

2024 hat Deutschland bisher mehr Strom aus Frankreich eingeführt als dorthin exportiert. Es war aber auch schon umgekehrt – beso
2024 hat Deutschland bisher mehr Strom aus Frankreich eingeführt als dorthin exportiert. Es war aber auch schon umgekehrt – besonders als 2022 viele französische Atomkraftwerke wegen Reparaturarbeiten und Kühlwassermangels ausfielen. Das Foto zeigt das Atomkraftwerk Cattenom.

In Frankreich fordern der rechtsextreme Rassemblement National und auch Teile der linken Partei La France Insoumise, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen. Gefährdet das die Stromversorgung in Deutschland? Ein Blick auf die Fakten.

Frankreichs Rechtsextremen sind französische Stromlieferungen ins europäische Ausland ein Dorn im Auge. Ist das Ergebnis der jüngsten Parlamentswahlen, bei denen der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen entgegen den Erwartungen nicht vorne lag, sondern nur drittstärkste Kraft im Parlament wurde, nun ein Grund zum Aufatmen? Manche französische Linke, insbesondere „La France Insoumise“, sehen die Sache mit dem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt ähnlich wie der RN. Und „La France Insoumise“ ist Teil des neuen Linksbündnisses Nouveau Front Populaire, das nach der Wahl am 7. Juli stärkste Kraft in der französischen Nationalversammlung ist, die in etwa mit dem deutschen Bundestags vergleichbar ist.

Eine Hauptsorge der Menschen in Frankreich und damit ein wichtiges Thema in Wahlkämpfen ist derzeit die Kaufkraft. Le Pens Rechtsnationale aber ebenso die Linkspartei La France Insoumise und die Kommunisten fordern daher regelmäßig einen Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt und behaupten, Frankreich könne sich mit seinem Atomstrom und einem selber festgelegten Tarif billiger versorgen – die Menschen hätten also mehr Geld im Portemonnaie.

Le Pen hatte auch gewettert, die europaweit abgestimmten Strompreise gingen zulasten von Frankreichs Industrie, die mehr bezahlen müsse, weil Deutschland wegen seines Atomausstiegs vor Versorgungsproblemen stehe. Aktuell fordert der Chef des Rassemblement National, Jordan Bardella, für Frankreich eine Ausnahme von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise.

Frankreich ist selbst auf Stromaustausch angewiesen

Frankreich ist aber nach Einschätzung von Experten, darunter der Präsident des Energiekonzerns Engie, Jean-Pierre Clamadieu, und der Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris Dauphine, Patrice Geoffron, auf den ständigen Austausch von Strom im europäischen Netz angewiesen, auch wenn es unter dem Strich mehr exportiert als importiert. Bei einem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt drohten Stromausfälle und Frankreich müsste massiv in zusätzliche Kraftwerke investieren, was den Strompreis in die Höhe treiben würde, sagen Experten. Außerdem verdient Frankreich mit den Stromexporten Geld, es würde also wenig Sinn ergeben, diese zu kappen.

Eine Ausnahme von den europäischen Regeln zur Festlegung der Energiepreise könnte Frankreich theoretisch mit der EU verhandeln; für Portugal und Spanien gab es so eine Ausnahme während der Energiekrise. Wegen der Bedeutung des europäischen Strommarkts für Frankreich halten Experten sie aber für kontraproduktiv. Stiege Frankreich komplett aus dem europäischen Strommarkt aus, bräche es europäische Verträgen und Abmachungen. Praktisch wäre das eigentlich nur möglich, wenn Frankreich europäische Abmachungen schlicht nicht mehr umsetzt. Dies würde Strafmaßnahmen durch Brüssel nach sich ziehen.

Deutschland und Frankreich sind Stromtransitländer

Deutschland und auch Frankreich sind sogenannte Stromtransitländer innerhalb der EU. Das bedeutet: Es wird fortlaufend Strom importiert und exportiert und damit im Staatenbund dahin weitergereicht, wo er nachgefragt wird. Der gemeinsame Strommarkt in Europa soll durch die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern ermöglichen, Geld einzusparen und Emissionen zu senken.

Den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zufolge lieferte Deutschland in diesem Jahr bis zum 8. Juli rund 26,2 Terawattstunden (TWh) Strom an andere europäische Staaten. Andererseits erhielt die Bundesrepublik von ihren Nachbarn 38,3 TWh. Zum Vergleich: Die öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland (also ohne die Eigenversorgung der Industrie) liegt im selben Zeitraum bei rund 234 TWh. Davon entfallen im Saldo knapp 5 Prozent auf Stromimporte.

Frankreich ist Stromlieferant Nummer 2 – hinter Dänemark

Der Blick auf den Stromaustausch zwischen den Nachbarländern zeigt, dass Deutschland 2024 bisher mehr Strom aus Frankreich importiert als dorthin exportiert hat. Den Fraunhofer-Daten zufolge bekam Deutschland bis zum 8. Juli 8,44 TWh aus Frankreich und lieferte dorthin 1,62 TWh. Das macht Frankreich zu einem der größten, wenn auch nicht dem größten Stromlieferanten Deutschlands. Knapp an der Spitze steht derzeit Dänemark mit 8,6 TWh, die nach Deutschland geliefert wurden.

Dass es bei der deutsch-französischen Energiezusammenarbeit auch andersherum gehen kann, zeigen Daten, die der Bundestag zitiert: Zwischen Ende November 2022 und Ende November 2023 exportierte Deutschland demnach 14,2 Terawattstunden Strom nach Frankreich und bekam in umgekehrter Richtung 12 Terawattstunden.

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