Europäische Zentralbank Etwas höhere Teuerungsrate künftig akzeptabel

Beheimatet in Frankfurt: die Europäische Zentralbank.
Beheimatet in Frankfurt: die Europäische Zentralbank.

Mehr Spielraum – das klingt zunächst einmal gut. Doch was bedeutet das neue Inflationsziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent oder leicht darüber für die Sparer? Volkswirte haben dazu eine klare Meinung.

Europas Währungshüter verschaffen sich beim Thema Inflation mehr Spielraum. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt künftig für den Euroraum eine jährliche Teuerungsrate von 2 Prozent an, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. Das ist zwar etwas höher als die bisher veranschlagten „unter, aber nahe 2 Prozent“. Zugleich jedoch wird die EZB bei ihrem Bestreben, mittelfristig Preisstabilität im Währungsraum der 19 Staaten sicherzustellen, künftig zumindest zeitweise „moderat über dem Zielwert“ liegende Inflationsraten akzeptieren.

Mit einem solchen „symmetrischen“ Inflationsziel ist die Notenbank nicht mehr unmittelbar zum Reagieren gezwungen, sollten die Inflationsraten zeitweilig nach oben oder nach unten von dem prozentualen Ziel abweichen.

Die Option, ruhig zu bleiben

„Die EZB hat mit der neuen Strategie die Realität anerkannt und sich so viel Flexibilität wie möglich erarbeitet“, kommentierte Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment. „Mit der Einigung auf ein symmetrisches Inflationsziel kann die EZB ihr Ziel einfacher kommunizieren. Gleichzeitig behält sie die Option, ruhig zu bleiben, wenn die Teuerungsrate mal über dem Ziel von 2 Prozent liegen sollte – oder eben auch darunter.“

Das veränderte Inflationsziel ist das Kernergebnis der internen Überprüfung der geldpolitischen Strategie, welche die seit dem 1. November 2019 amtierende EZB-Präsidentin Christine Lagarde angestoßen hatte. Eingeflossen sind darin auch Beratungen mit Verbraucherverbänden und Sozialpartnern sowie Bürgerstimmen. Schon bei der nächsten regulären Sitzung des EZB-Rates am 22. Juli wird die neue Strategie nach Angaben der Notenbank angewendet.

Überlegungen zum Klimaschutz

Lagarde selbst schrieb sich in dem Prozess auch den Klimaschutz auf die Fahnen. Nun beschloss der EZB-Rat „einen ehrgeizigen Fahrplan zur weiteren Einbeziehung von Klimaschutzüberlegungen in seinen geldpolitischen Handlungsrahmen“. Ob Notenbanken mit ihrer Geldpolitik umweltpolitische Ziele unterstützen und zum Beispiel „grüne“ Wertpapiere anderen vorziehen sollten, ist unter Notenbankern und Ökonomen indes umstritten. Hauptziel der Notenbank ist und bleibt ein ausgewogenes Preisniveau – im Jargon der Währungshüter: Preisstabilität.

Der Hintergrund: Ist die Inflation zu hoch, verlieren Verbraucher an Kaufkraft und die Währung hat weniger Rückhalt. Stagnieren Preise andererseits oder fallen sie auf breiter Front, kann das Verbraucher und Unternehmen dazu verleiten, Investitionen aufzuschieben. Denn es könnte ja bald noch günstiger werden. Dieses Abwarten kann die Konjunktur ausbremsen.

Auch die Fed ist dabei

Daher sehen Europas Währungshüter Preisstabilität am ehesten gewährleistet, wenn die Preise im Euro-Raum moderat steigen. Bei Gründung der EZB im Juni 1998 definierten die Euro-Notenbanken Preisstabilität bei einer jährlichen Teuerungsrate von „unter 2 Prozent“. Im Jahr 2003 präzisierte der EZB-Rat, mittelfristig werde eine Inflation von „unter, aber nahe 2 Prozent“ angestrebt.

Mit dem neuen Ziel von 2 Prozent reiht sich die EZB ein in den Chor weltweit führender Zentralbanken. Auch die US-Notenbank Fed hat signalisiert, dass sie es tolerieren werde, wenn die Inflationsrate zeitweise über dieser Zielmarke liege.

Mehr Flexibilität gefordert

Im Euro-Raum lag die Teuerungsrate seit 2013 oft deutlich unter der 2-Prozent-Marke. Und das, obwohl die EZB bis heute gewaltige Summen billiges Geld in die Märkte pumpt und die Zinsen auf Rekordtief hält – beides in der ökonomischen Theorie probate Mittel, um für mehr Inflation zu sorgen. Kritiker werfen der EZB daher schon lange vor, sich mit ihrem starren Inflationsziel in eine Sackgasse manövriert zu haben und forderten mehr Flexibilität. Für Sparer jedoch hat dies auch eine Kehrseite: Je mehr Spielraum sich die EZB gibt, umso länger könnte die Notenbank an Null- und Negativzins festhalten.

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